Wolfsburg . Der Ex-VW-Chef Martin Winterkorn soll ab Mai 2014 von der Abgas-Manipulation gewusst haben. Das belastet nun auch seinen Nachfolger.

Der Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn soll schon rund eineinhalb Jahre vor dem Bekanntwerden der Dieselaffäre eine Einschätzung zu den Abgasproblemen angefordert haben. Das berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf eine Aussage Winterkorns gegenüber der Kanzlei Jones Day. Die US-Kanzlei ermittelt im Auftrag von VW, wie es zu dem Skandal kommen konnte. VW äußerte sich am Sonntag dazu nicht.

Winterkorn habe im Mai 2014 in seiner Wochenendpost eine Notiz zu den Unregelmäßigkeiten „sehr wohl gelesen“ und habe seine Techniker um Erklärung gebeten, berichtet die Zeitung. So sei der Fall bereits im Frühling 2014 zu einem Vorgang für Winterkorn geworden. Er habe am 8. September 2015 auch den Vorstand informiert, auch den damaligen Finanzvorstand und heutigen Aufsichtsratschef Dieter Pötsch sowie den damaligen Porsche-Chef und heutigen VW-Chef Matthias Müller, schreibt die Zeitung.

Wann musste der Konzern die Anleger informieren?

Diese Abläufe sind relevant für die Frage, ob der Konzern seine Anleger zu spät über das Ausmaß der Probleme informierte. Börsennotierte Aktiengesellschaften sind verpflichtet, unverzüglich (ad-hoc) Umstände aus ihrem Unternehmen zu veröffentlichen, wenn diese den Aktienkurs beeinflussen können.

Diverse Anleger klagen bereits, weil VW dies aus ihrer Sicht nicht rechtzeitig tat, bevor der Kurs im Zuge der Abgasaffäre abstürzte. Erst am 22. September 2015 informierte der Konzern in einer Pflichtmitteilung, dass weltweit elf Millionen Autos betroffen sind.

Die Kapitalmarktrechtskanzlei Tilp hat im Namen von Anlegern beim Landgericht Braunschweig bereits Klage gegen die Volkswagen AG wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen eingereicht.

Volkswagen gibt US-Behörde die Hauptschuld am Kursabsturz

In einer 111-seitigen Klageerwiderung gibt VW nun der US-Umweltbehörde EPA die Hauptschuld am Kursabsturz der Volkswagen-Aktie nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen. Kursrelevant sei allein das „unerwartete öffentliche Bekanntwerden“ des Verstoßes durch die EPA und die „damit einhergehende medial beförderte Öffentlichkeitswirkung“ gewesen, argumentiert der VW-Konzern, der offenbar vom Vorgehen der US-Behörde überrascht wurde. Dachte der VW-Vorstand etwa, er könne die Affäre ohne Öffentlichkeit lösen? Bis zur Pressemitteilung der US-Behörde am 18. September 2015 habe man geglaubt, dass sich die Problematik ohne größere finanzielle Folgen würde lösen lassen, schreibt der Konzern. Im Hinblick auf die zu erwartenden Bußgeldzahlungen an die US-Behörden sei der Vorstand davon ausgegangen, dass eine Geldbuße „maximal einen hohen zweistelligen bzw. unteren dreistelligen Millionenbetrag betragen würde“.

Auto-Experte rät Konzern zu Klage gegen Ex-Vorstand Winterkorn

Doch laut Unterlagen, die die „Bild am Sonntag“ veröffentlicht hat, hatte VW schon im Mai 2014 berechnet, dass die Gesetzesverstöße den Konzern bei der US-Umweltbehörden EPA 37.000 Dollar je Fahrzeug und bei der kalifornischen Umweltbehörde Carb 5500 Dollar pro Auto kosten könnten. Für die von VW genannten 500.000 bis zu 600.000 Fahrzeuge wären dies rund 20 Milliarden Euro. Aber „dieses Geheimnis behielten die Wolfsburger lieber für sich“, schreibt die Zeitung.

Angesichts dieser Erkenntnisse rät Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer dem VW-Konzern, Klage gegen Winterkorn zu erheben: „Der VW-Aufsichtsrat muss nach meiner Einschätzung vorsorglich Klage gegen seinen früheren Vorstandsvorsitzenden erheben wegen erheblicher Pflichtverletzungen“, sagte Dudenhöffer. Sonst wachse das Risiko, „dass der VW-Konzern in hohem Umfang haften muss.“