Berlin. Was macht Europas Start-ups aus? Was haben sie wirtschaftlich zu bieten? Eine erste Untersuchung in 32 Ländern zeigt Überraschendes.

Am Anfang gleich einmal die auffälligsten Ergebnisse: Ein Drittel aller Gründer in Schweden ist weiblich, europaweiter Rekord. 42,1 Prozent aller französischen Start-ups setzen mehr als 500.000 Euro um, ebenfalls Rekord. Die Deutschen schaffen mit im Schnitt 17,4 Beschäftigten die meisten Arbeitsplätze. 51 Prozent aller dynamischen neuen Unternehmen sind international tätig. Und Ersparnisse der Gründer sind die häufigste Finanzierungsquelle.

Die Daten stammen aus dem European Startup Monitor, der erstmals versucht, einen Überblick über die Gründerszene in Europa zu geben. Wobei nicht jeder Gründer in die Studie einfließen konnte. Tobias Kollmann, Professor für E-Business und E-Entrepreneurship von der Uni Duisburg-Essen, und sein Team sowie die zahlreichen beteiligten Verbände aus den untersuchten Ländern haben ausschließlich Unternehmen befragt, die höchstens zehn Jahre alt sind, ein innovatives Geschäftsmodell oder eine entsprechende Technologie haben und auf Umsatz- und Mitarbeiterwachstum ausgerichtet sind. Die Rechtsanwältin oder der Kioskbetreiber fallen da heraus. Erfasst werden vor allem Softwareentwickler, Internethändler und Dienstleister, aber auch Biotechfirmen.

Zwei von fünf Gründern starten immer wieder neue Firmen

Untersucht wurden die 28 EU-Mitglieder sowie Island, Israel, Russland und die Türkei, wobei sich die Studie auf 15 Länder konzentrierte, in denen es nennenswert technologiegetriebene neue Firmen gibt. Die meisten Unternehmen dieser Art werden demnach von 25- bis 34-Jährigen in Teams gegründet. Nur in Israel, Tschechien und Schweden gibt es überraschend viele Gründer, die älter als 55 Jahre sind. In Israel machen sie sogar 16,9 Prozent aus, in Deutschland nur 1,9 Prozent.

Und die Gründer gründen gern. „41 Prozent sind Wiederholungstäter“, sagte Kollmann. Sie hatten bereits mindestens einmal ein Unternehmen gegründet. Und sie lassen sich auch von einer Pleite nicht abschrecken. Gut ein Drittel der Gründer scheiterte mit dem vorangegangenen Unternehmen. „Das gehört dazu“, sagte Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Start-ups, der die Studie angestoßen hatte. Gründer seien wie Forscher, sie versuchten herauszufinden, was funktioniere und was nicht. Ein Verhalten, das offenbar in allen untersuchten Ländern ähnlich ist. Nöll ist selbst Mehrfachgründer und außerdem Vizevorsitzender des neu gegründeten europäischen Start-up-Verbands.

Viele Unternehmer wollen international tätig sein

Auch wenn die Mehrheit der Gründer im Heimatland startet, ist überraschend vielen das nicht wichtig. Die Studie ergab, dass 27,3 Prozent der Gründer in Tschechien nicht dort geboren sind. Übertroffen wird der Wert nur von Großbritannien mit 33,3 Prozent. In Deutschland sind es 11,9 Prozent. Außerdem versuchen die Unternehmen, so schnell wie möglich mindestens in der EU, wenn nicht sogar international tätig zu werden. „Je kleiner der Heimatmarkt, desto schneller“, fasst Nöll zusammen. Das zeige, wie wichtig ein einheitliches Europa sei. Virtuelle Grenzen einzureißen, sei absolut essenziell. Ein digitaler Binnenmarkt sei nötig, um der Konkurrenz aus den USA und China nicht das Feld zu überlassen.

Wirtschaftlich haben die Start-ups für Europa einiges zu bieten. Im Schnitt beschäftigen sie 12,9 Mitarbeiter und wollen in den kommenden zwölf Monaten weitere 6,8 einstellen. In deutschen Start-ups sollen es im Schnitt sogar 7,7 sein, ein Spitzenwert im Europavergleich. Und natürlich setzen die Unternehmen auch etwas um. Jedes vierte im Schnitt 500.000 Euro und mehr. In Deutschland ist es fast jedes dritte, in Frankreich sind es zwei von fünf Firmen.

Unterschiedliche steuerliche Regelungen schrecken Investoren ab

Trotz der vielen Unterschiede wünschen sich die Gründer relativ einmütig mehr finanzielle Unterstützung und weniger Bürokratie. Nöll nannte hier die verschiedenen Rechtssysteme und unterschiedlichen steuerlichen Regelungen in den einzelnen EU-Staaten, die manchen Investor abschreckten.

Hotspots der Szene sind übrigens London, Berlin, Paris und Tel Aviv, was eher weniger überraschend ist. Im vergangenen Jahr hatte Berlin auch London beim Einwerben von Risikokapital überholt.

Befragt wurden für die Studie mehr als 2300 Start-ups aus 15 Ländern. Sie beschäftigten zusammen mehr als 31.000 Mitarbeiter. Unterstützt wurde der Monitor von Google, den Wirtschaftsprüfern von KPMG und dem Telefonkonzern Telefonica.