Wolfsburg . Der VW-Konzern gibt zu, dass Ex-Chef Martin Winterkorn eine Notiz über die Abgas-Manipulationen erhalten hat – bereits im Mai 2015.

Es dürfte eine der längsten Pressemitteilungen in der Volkswagen-Geschichte sein. Doch der Sprengstoff der gut drei Seiten, die der VW-Konzern aussendete, steckt vor allem in einem einzigen Satz: „Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz damals Kenntnis genommen hat, ist nicht dokumentiert.“

Der kurze Satz informiert darüber, dass der damalige Konzernchef Martin Winterkorn schon im Mai 2014 – rund eineinhalb Jahre vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals – von der Wurzel des Problems hätte wissen können. Nach dieser VW-Darstellung ist unklar, ob Winterkorn den ersten Vermerk an sich überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Dieser sei seiner umfangreichen Wochenendpost beigelegt worden. Im November 2014 habe es eine weitere Notiz an ihn gegeben. Später wurde auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit den Problemen von VW mit den Abgasgrenzwerten in den USA befasste. Am 27. Juli 2015 schließlich hätten Mitarbeiter in Anwesenheit von Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess über die Diesel-Thematik gesprochen. Es sei noch nicht geklärt, ob den Beteiligten damals bewusst gewesen sei, dass die Softwareveränderungen gegen US-Umweltvorschriften verstießen, heißt es bei VW.

Ad-hoc-Pflicht sei nicht verletzt worden

Deswegen hält der Wolfsburger Konzern Aktionärsklagen im Zusammenhang mit der Affäre für unbegründet. Die im Aktienrecht vorgeschriebene Pflicht zur Veröffentlichung potenziell wichtiger Erkenntnisse (Ad-hoc-Pflicht) sei nicht verletzt worden, weil dem Vorstand erst am 18. September 2015 wesentliche Informationen rund um die Manipulation bekanntgeworden seien.

Aktionäre machen vor Gericht jedoch geltend, das Unternehmen habe zu spät darüber informiert. Sie begründen damit ihre Schadensersatzforderungen für erlittene Kursverluste. Die US-Umweltbehörde EPA hatte am 18. September vergangenen Jahres den Vorgang öffentlich gemacht. VW gab die Manipulationen, die weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betreffen, erst zwei Tage später zu – an einem Sonntag. Tags darauf stürzte die VW-Aktie um fast 20 Prozent ab, der größte Autokonzern Europas verlor binnen weniger Stunden zwölf Milliarden Euro an Börsenwert. Am 23. September trat Winterkorn als Vorstandschef ab und zog sich später auch von allen anderen Ämtern im Konzern zurück.

Stammbelegschaft erhält Boni für 2015

Trotz der Affäre zahlt der Volkswagen-Konzern seinen 120.000 Mitarbeitern im Haustarif auch für das Jahr 2015 einen Bonus. Der neue Vorstandschef Matthias Müller und der Betriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh einigten sich auf eine Anerkennungsprämie, deren genaue Summe jedoch noch nicht feststeht. Das geht aus der Mitarbeiterzeitschrift „Mitbestimmen“ hervor. Der Haustarifvertrag sichert eine Gewinnbeteiligung bei der Kernmarke VW-Pkw. Doch die steckt wegen Rückstellungen für die Abgasaffäre derzeit tief in den roten Zahlen.

Begründet wird die Zahlung mit einer herausragenden Leistung voll Mehrarbeit und Sonderschichten, aber auch mit dem Einstehen der Belegschaft für ihren Arbeitgeber in schwierigen Zeiten.