Bochum. Daimler-Chef Dieter Zetsche räumt im Interview ein, dass Abgas-Tests nur einen Teil der Realität abbilden. Er begrüßt die neuen Regeln.

Vor wenigen Tagen hat das EU-Parlament die Einführung strengerer Abgastests für Diesel-Autos beschlossen. Mit den sogenannten Real Drive Emission Tests (RDE) sollen die Autobauer schärfer kontrolliert werden. Daimler-Chef Dieter Zetsche räumt im Gespräch mit unserer Redaktion am Rande des Bochumer Kongresses „Car Symposium“ ein, in den Tests werde derzeit „nur ein Ausschnitt aus der Realität“ abgebildet – „ein zu kleiner Ausschnitt“, wie Zetsche im Interview mit Ulf Meinke sagt.

Herr Zetsche, sind die neuen Abgastests für Diesel-Autos überfällig?

Dieter Zetsche: Es wird seit Jahren daran gearbeitet, einen neuen Testzyklus zu entwickeln. Als Industrie haben wir die Politik kontinuierlich bei diesem Vorhaben unterstützt. Der neue Testzyklus war nahezu fertig, als die Vorgänge um VW publik geworden sind. Dadurch wurde der Prozess sicherlich weiter beschleunigt. Ab 2017 sollen neue Regeln gelten. Wir begrüßen das außerordentlich. Die neuen Tests werden helfen, die verständliche Verwirrung rund um den Diesel zu beseitigen.

Sehen Sie Handlungsbedarf, weil das, was im Abgastest gemessen wird, nicht der Realität entspricht?

Zetsche: So würde ich das nicht formulieren. Richtig ist: In den Tests wird derzeit nur ein Ausschnitt aus der Realität abgebildet, ein zu kleiner Ausschnitt. Das neue Verfahren wird sehr viel mehr denkbare Fahrsituation darstellen und damit viel näher an der Realität sein.

Was halten Sie davon, Steuererleichterungen für Diesel-Fahrzeuge zu streichen?

Zetsche: Dafür gibt es keinen Grund. Der Diesel-Motor verursacht im Schnitt rund 20 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen als ein Otto-Motor. CO2 zu vermeiden, muss weiterhin höchste Priorität haben. Insofern ist es sinnvoll, über eine steuerliche Begünstigung des Diesel-Motors Anreize zur Verringerung von CO2 zu geben.

Rechnen Sie angesichts des VW-Dieselskandals damit, dass alternative Antriebstechnologien wie der Elektromotor generell populärer werden?

Zetsche: Das ist bisher nicht erkennbar. Wir entwickeln seit Jahren mit hohen Milliardenbeträgen alternative Antriebe und bringen sie in Serienproduktion. Das haben wir schon vor der Diesel-Diskussion getan und werden es weiterhin tun. Unsere Kunden zeigen in ihrem Kaufverhalten aktuell keinerlei Veränderung. Der Anteil der Diesel-Fahrzeuge ist konstant geblieben.

Glauben Sie nicht an den Erfolg von Elektroautos?

Zetsche: Doch! Wir werden langfristig zum Elektromotor als führende Antriebstechnologie kommen. Wir tun alles dafür, dass die Zeitstrecke bis dahin möglichst kurz wird. Letztendlich müssen wir die Kunden für diese neue Technologie gewinnen und dazu muss die Entwicklung von e-Fahrzeugen weiter vorangetrieben werden. Daran hat sich auch durch die jüngsten Ereignisse nichts verändert.

Am 16. Februar tagt der Daimler-Aufsichtsrat. Dürfen wir davon ausgehen, dass Ihr Vertrag dann verlängert wird?

Zetsche: Warten wir doch erst einmal ab, was der Aufsichtsrat entscheiden wird. Dann kann ich mich gerne dazu äußern.