New York. Start-ups in den USA wollen die Art, wie wir uns ernähren, neu erfinden. Pillen und Pulver ersetzen dabei Mahlzeiten. Kann das klappen?

Das Pulver kommt im schlichten weißen Beutel, zusammen mit ein paar Esslöffeln Öl und etwas Wasser soll so das Essen der Zukunft entstehen. 200 Kalorien pro Glas, alle Nährstoffe, kein Mittagstief – und das alles für rund vier Dollar am Tag. Ungesunde schnelle Snacks gehören der Vergangenheit an, statt Döner oder Tiefkühlpizza gibt es einen Schuss aus der Flasche. „Was wäre, wenn Sie sich nie wieder Gedanken über das Essen machen müssten?“, fragt ein Video auf der Webseite der gleichnamigen Firma Rosa Labs aus Los Angeles.

Mit diesem Rezept ist Gründer Rob Rhinehart zum Darling der Food-Hacking-Bewegung geworden: Techies, die nicht an neuen Gadgets arbeiten, sondern unser Essen optimieren wollen. Auch Rhinehart hatte mit Essen eigentlich so gar nichts am Hut. Der 25-Jährige arbeitete in San Francisco gemeinsam mit zwei Partnern an einer Möglichkeit, preiswerte Mobilfunkmasten herzustellen. 170.000 Dollar an Startkapital hatten sie dafür bekommen, doch die Idee versickerte ebenso schnell wie das Geld. 70.000 Dollar waren noch übrig, als Rhinehart und seine Partner beschlossen, es mit anderen Software-Ideen zu versuchen.

Essen ist für Manche eine Belastung

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Ausgaben zu drücken, landeten Rhinehart und seine Mitbewohner vor ihrem Kühlschrank. Der war gefüllt mit ungesunden Fertigsuppen und Tiefkühlpizzen, die ans Geld gingen. „Essen war eine große Belastung“, schrieb Rhinehart. Dass er es überhaupt brauchte, nervte ihn. Die Zeit, die er in die Zubereitung und den Einkauf steckte, wollte er sinnvoller nutzen.

Der gelernte Elektroingenieur begann, sich durch die Webseiten der US-Gesundheitsbehörde FDA zu arbeiten, kaufte im Internet Pillen und Pulver, die die nötigen Nährstoffe enthielten – und mischte alles in einem Mixer mit Wasser. Das Ergebnis nannte er Soylent, eine augenzwinkernde Anspielung auf den Science-Fiction-Klassiker Soylent Green, in dem die Regierung Menschen zu Pillen verarbeitet, um Überbevölkerung und Verschmutzung in den Griff zu bekommen.

Der Unternehmer postete seine Erfahrung auf einem Hacker-Portal – und nach kürzester Zeit hatte sein Eintrag hunderte Kommentare von anderen Nutzern, die nach dem Rezept fragten und eigene Vorschläge machten. Ermutigt von dem Interesse legten Rhinehart und seine Partner alle anderen Projekte zur Seite und konzentrierten sich voll auf die Weiterentwicklung von Soylent.

Die Nächste Mission: Eier überflüssig machen

Eine Fundraising-Kampagne im Internet erreichte das selbst gesteckte Ziel von 100.000 Dollar nach nur zwei Stunden. Kaum zwei Jahre später wird seine Firma mit rund 100 Millionen Dollar bewertet, Rhinehart selbst ernährt sich nach eigenen Angaben seitdem fast nur von seinem Superdrink.

Auch Josh Tetrick ist einer der großen Namen im Food-Hacking Geschäft. Der 35-Jährige aus San Francisco macht sich daran, sämtliche Fabrik-Eier in den USA – immerhin produzieren die eingepferchten Legehennen davon 80 Milliarden im Jahr – mit Eiern zu ersetzen, die zwar schmecken wie echte Eier, aber eben keine sind. Schon jetzt stehen die ersten Produkte in den Kühlregalen amerikanischer Supermärkte: Mayonnaise und Kuchenteig, angereichert mit einer synthetischen Mischung, die Eier überflüssig macht. Seine Firma Hampton Creek Foods beschäftigt Ingenieure, Bio-Chemiker und Ernährungswissenschaftler, die in den vergangenen Jahren auf der Suche nach dem perfekten Kunst-Ei Hunderte von pflanzlichen Proteinen auseinandergenommen und neu zusammengesetzt haben.

Kritik an der Haltbarkeit des „Superdrinks“

Zu den Fans und Geldgebern gehören Menschen wie Yahoo-Mitgründer Jerry Yang, auch Bill Gates war beim Geschmackstest so beeindruckt von dem Ergebnis, dass er kurzerhand als Investor einstieg. 2015 erhielt das Start-up die Auszeichnung „Technology Pioneer“ des Weltwirtschaftsforums.

Dass die Lebensmittelbranche keine einfache ist, musste aber auch Rob Rhinehart lernen. Immer wieder hat der Soylent-Erfinder im Laufe der Zeit die Zusammensetzung verbessern müssen, weil Nutzer sich über anhaltende Blähungen beschwerten. Inzwischen hat die Firma ihren Essensersatz um eine Fertigmischung ergänzt. Doch auch hier gab es Startschwierigkeiten. Die Bestellungen mussten 2015 gestoppt werden, weil einige Nutzer sich über Schimmel an den Flaschen beschwert hatten.