Berlin/Kleve. Teuer, umständlich, nutzlos: Die Stadt Kleve testet ab Februar als erste in Deutschland das Bezahlen ohne Ein- und Zwei-Cent-Münzen.

Im Herbst des Jahres 2013 nahmen die Einwohner der Kleinstadt Wexford im Südosten Irlands an einem historischen Versuch teil. Sie verzichteten beim Einkaufen auf die Ein- und Zwei-Cent-Münzen. Stattdessen rundeten die Kaufleute an der Kasse auf und ab. Aus 3,93 Euro wurden 3,95 Euro. Und aus 5,72 Euro wurden 5,70 Euro.

Zwei Monate lang ging das so, von Mitte September bis Mitte November. Am Ende waren sich die Einwohner von Wexford mit großer Mehrheit einig: Man braucht die kleinen Münzen nicht. Und tatsächlich: Seit November 2015 werden in ganz Irland die letzten Cent-Beträge gerundet, ganz offiziell. Die Insel ist das dritte Euro-Land, das damit faktisch auf die Ein- und Zwei-Cent-Stücke verzichtet – so wie die Niederlande und Finnland. Auch Belgien hat die Münzen deutlich reduziert. Außerhalb des Euro-Raums werden in Dänemark, Schweden und Ungarn keine kleinen Münzen mehr benutzt.

Ab Montag wird auf- oder abgerundet

Von Montag an probiert die niederrheinische Stadt Kleve ein Leben ohne das kleine Kleingeld. Im Unterschied zu den Iren ist es kein amtlicher Versuch. Es war allein eine Idee der Kaufleute, entstanden auf einer Sitzung des örtlichen Händlerverbands – „unter dem Punkt Verschiedenes“, wie sich Verbandsvorsitzende Ute Marks erinnert. Der Chef einer Bank sei darauf gekommen. Mindestens 50 Läden in Kleve werden bei dem Experiment mitmachen – Ausgang offen. Die Regeln sind wie in Wexford: Die Preise der Waren bleiben dieselben, nur die Summe wird an der Kasse um ein oder zwei Cent gerundet. Kunden, die nicht mitmachen, bekommen ganz normal ihr Wechselgeld. Und wer mit Karte zahlt, dem wird sowieso der exakte Betrag abgebucht.

Was auf den ersten Blick wie ein Marketing-Scherz klingt, hat einen handfesten ökonomischen Hintergrund. Für Händler wird es immer teurer, sich das Wechselgeld zu besorgen und wieder zurück zur Bank zu bringen. Für eine Rolle mit 50 Ein-Cent-Stücken zahlen sie 50 Cent Gebühr. „Die Kosten steigen ständig und werden auf die Kunden umgelegt“, sagt Verbandschefin Marks. Und das, obwohl nur noch etwa die Hälfte der Kunden bar zahlt.

Politiker glauben, dass kleine Münzen verzichtbar sind

Die wiederum klagen über volle Portemonnaies oder verlieren an der Kasse die Geduld: „Wer schon mal in einer Kassenschlange hinter einem Kunden gestanden hat, der einen Preis von 99 Cent in Ein- und Zwei-Cent-Münzen bezahlt hat, kann die Initiative in Kleve nur begrüßen“, sagt die Bundestagsabgeordnete Antje Tillmann, die in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Finanzpolitik koordiniert. Sie findet, der Handel habe das Problem selbst verursacht: „Er hat es bei der Preisgestaltung in der Hand, auf diese ,krummen’ Summen zu verzichten.“

Auch ihr Kollege Lothar Binding von der SPD kann sich ein Leben ohne Ein- und Zwei-Cent-Münzen vorstellen: „Ich glaube, dass diese kleinen Münzen verzichtbar sind“, sagt er. Man solle den Test machen und abwarten, wie die Menschen in Kleve damit zurechtkommen. Das werde sich schon nach einem oder zwei Monaten zeigen. „Vielleicht freuten sich die Leute ja, wenn sie weniger im Portemonnaie kramen müssen.“

Im Portemonnaie stecken im Schnitt 5,73 Euro in Münzen

In jedem Euro-Land entscheidet die Regierung selbst, welche Münzen in welchen Mengen hergestellt werden. In Deutschland ist es das Bundesfinanzministerium. Die Beamten von Minister Wolfgang Schäuble (CDU) wollen noch nicht auf Ein- oder Zwei-Cent-Stücke verzichten. Die Deutschen hätten „eine mehrheitlich positive Haltung zu den Kleinmünzen“, sagt eine Ministeriumssprecherin und verweist auf eine Untersuchung der Bundesbank von 2011. Darin steht, dass nur etwa jeder Dritte die kleinen Münzen abschaffen will.

Die Bundesbank hat aber auch herausgefunden, dass kaum einer diese Münzen wirklich braucht: „Es ist zu vermuten, dass vor allem die kleinen Münzstückelungen gehortet werden oder unwiederbringlich verloren gehen“, heißt es im Monatsbericht der Bank aus dem Januar 2013. Der Grund für diese Annahme: Von den 345 Münzen, die jeder Deutsche rechnerisch besitzt, sind genau die Hälfte Ein- und Zwei-Cent-Münzen. Aber wo sind die alle hin?

Herstellung der Münzen führt zu Milliardenverlust

In den Geldbeuteln stecken sie nicht: Dort befinden sich – Stand 2014 – nur noch Münzen im Wert von durchschnittlich 5,73 Euro. Kurz gesagt: Der Deutsche liebt sein Kleingeld, aber er zahlt nicht damit. Und nicht nur der Deutsche. Das Phänomen ist in ganz Euro-Land bekannt, weshalb die EU-Kommission sich 2013 Gedanken gemacht hat, ob und wie man die Ein- und Zwei-Cent-Münzen abschaffen könnte. Denn: Ihre Herstellung kostet mehr, als die Stücke wert sind. Seit 2002 haben die Euro-Staaten mit den beiden kleinsten Münzen insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro Verlust gemacht.

Dass bisher nichts geschah, liegt am psychologischen Faktor von gerundeten Preisen. Bürger und Kunden, so die EU-Kommission, könnten Angst vor Inflation haben. Das ist auch ein Argument, das der Einzelhandelsverband HDE gegen die Rundungsregeln einwendet, wie sie in Irland und jetzt in Kleve angewendet werden. Die Bundesbank meint, das sei Unsinn: „Selbst bei einem Szenario, bei dem die Handelsunternehmen alle Kassenbons auf fünf Cent aufrunden würden, läge der Einmaleffekt der Teuerung bei nur einem Zehntel Prozent.“