Bad Hersfeld/Berlin. Ziel ist ein Tarifvertrag für die Amazon-Beschäftigten. Deswegen gab es schon viele Streiks. Die Gewerkschaft sagt: Es geht weiter.

Neues Jahr, neue Streiks: Die Gewerkschaft Verdi hat für 2016 weitere Protestwellen angekündigt, um beim weltgrößten Versandhändler Amazon einen Tarifvertrag für Beschäftigte in Deutschland durchzusetzen. „Es ist eine harte Auseinandersetzung. Wir bleiben dran, werden nicht nachlassen und beweisen, dass wir einen langen Atem haben. Amazon bleibt ein großes Thema für uns“, sagte Eva Völpel, Sprecherin des Verdi-Bundesvorstands. Im benachbarten Bad Hersfeld betreibt Amazon den größten Standort bundesweit mit zwei Warenlagern.

Die Streiks im zurückliegenden Jahr wertet die Gewerkschaft als Erfolg. „Es wurde an rund 50 Tagen an einem oder mehreren Standorten gestreikt. Das ist in etwa doppelt so viel wie 2014“, sagte Völpel.

Amazon lehnt Verhandlungen bisher ab

Auch die Zahl der Standorte, die sich am Ausstand beteiligen, wächst stetig. 2014 kamen Werne (NRW) und Koblenz (Rheinland-Pfalz) dazu, 2015 waren es Pforzheim (Baden-Württemberg) und der DVD-Verleiher und Video-Dienst in Elmshorn (Schleswig-Holstein). In acht von neun Logistikzentren im Bundesgebiet wurde bereits gestreikt. Nur das erst 2013 in Brieselang (Brandenburg) eröffnete Warenlager beteiligte sich noch nicht. „Solche Prozesse brauchen Zeit“, erklärte Völpel.

Verdi fordert die Anerkennung eines Tarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel. Amazon lehnt Verhandlungen darüber kategorisch ab. Deswegen kommt es seit dem Mitte Mai 2013 immer wieder zu Streiks. Das Unternehmen sieht sich als Logistiker und verweist auf eine Bezahlung am oberen Ende des branchenüblichen.

Verdi sucht Unterstützung im Ausland

Nach über zweieinhalb Jahren ist die mächtige Gewerkschaft immer noch nicht am Ziel, der angestrebte Tarifvertrag scheint in weiter Ferne. Um noch mehr Druck aufzubauen, ist Verdi im Austausch mit ausländischen Gewerkschaften. Die nächsten Streikziele könnten Warenlager in Polen und Tschechien sein, wo Amazon zuletzt gewachsen ist. „Wir arbeiten an der internationalen Vernetzung. Wie und wann im Ausland gestreikt wird, das ist die Entscheidung der dortigen Gewerkschaften und Beschäftigten“, erläuterte Völpel.

Als Beleg dafür, dass die Streiks wenig Wirkung erzielten, führt Amazon immer wieder sein europaweites Logistik-Netzwerk an. In dem könne in Streikfällen Arbeit von anderen Standorten übernommen werden. „Amazon betont immer wieder, dass die Streiks nichts bringen und sich nur eine Minderheit beteiligt. Aber wir wissen von Kollegen aus den Warenlagern: Es bleibt sehr viel Arbeit liegen.“

Unterschiedliche Streiktaktiken

Verdi probierte im vergangenen Jahr eine neue Streiktaktik. Statt viele Tage hintereinander wie im Jahr 2014 wurde 2015 oftmals unangekündigt, kurzfristig jeweils tageweise die Arbeit niedergelegt – „teilweise sogar aus dem laufenden Arbeitsbetrieb heraus“, sagte Völpel. Welche Streik-Taktik effektiver war und wie es 2016 weitergeht, dazu machte die Verdi-Sprecherin keine Angaben. Amazon betonte zuletzt bei der großen Streikwelle im Weihnachtsgeschäft, dass die Streiks keine Auswirkungen hätten und die Kunden ihre Lieferungen pünktlich erhielten.

Amazon ist der Branchenprimus im Versandhandel. Mehr als 10.000 Festangestellte und zusätzliche Aushilfen sind für Amazon in Deutschland tätig. Der Wachstumsmotor von Amazon läuft ungeachtet der Streiks prächtig. 2015 wurden mehr als 800 zusätzliche unbefristete Stellen geschaffen, wie das Unternehmen mitteilte. Zusätzlich plante Amazon, im Januar über 200 saisonale Stellen in feste Arbeitsplätze umzuwandeln. (dpa)