Berlin. Die SPD will mit einem neuen Vorstoß die Elektromobilität ankurbeln. Eine satte Kaufprämie steht im Raum. Die Union leistet Widerstand.

Für den Ausbau der Elektromobilität hat die Bundesregierung offiziell ehrgeizige Ziele: Eine Million Stromautos sollen bis 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein und Deutschland zum „Leitmarkt der Elektromobilität“ werden. Doch mit diesem Vorhaben droht die Regierung krachend zu scheitern, vom Ausbauziel sind bislang erst klägliche drei Prozent erreicht. Jetzt will die SPD den Schalter umlegen und den Stromautos mit einem umfassenden Kaufprogramm einen Schub geben – Ärger in der Koalition ist programmiert.

Im Gespräch mit unserer Redaktion ging Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in die Offensive, er fordert jetzt direkte Zuschüsse für Käufer von Elektroautos: „Wir brauchen einen Kaufanreiz, damit über die Produktion größerer Stückzahlen der Preis für das einzelne Auto sinkt“, sagte Gabriel. „Ich kann mir eine Kaufprämie von 5000 Euro pro Fahrzeug vorstellen.“ Ohne Kaufprogramm werde das Ziel von einer Million E-Mobile bis 2020 verfehlt, gab Gabriel als erstes Regierungsmitglied offen zu. „Wir liegen ja erst bei knapp 30.000 Elektroautos.“

Gabriel plant Milliardenförderung

Neben der Prämie will die SPD auch ein Beschaffungsprogramm von Bund, Ländern und Gemeinden mit festen Quoten für Stromautos bei den jährlichen Neuanschaffungen von Fahrzeugen der öffentlichen Hand. Und: „Wir brauchen rasch eine leistungsfähige Infrastruktur für das schnelle Laden von Elektroautos“, sagt der Minister. Er will 2,5 Milliarden Euro Fördermittel bis 2020 zusätzlich für die Elektromobilität mobilisieren. Damit würde auch die deutsche Autoindustrie deutlich unterstützt, meint Gabriel.

Doch in der Koalition ist der Widerstand groß, die Union legt sich quer. Regierungssprecher Steffen Seibert verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem eine Kaufprämie verworfen werde. Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die Haushaltsexperten der Union lehnen eine Prämie ab, der Finanzminister sowieso. „Angesichts von Milliardengewinnen der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren sind neue teure Subventionen zulasten der Allgemeinheit nicht angebracht“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg. Die Elektromobilität werde sich auch so durchsetzen, glaubt Verkehrsminister Dobrindt.

Ruf nach Subventionen wird lauter

Doch das sieht nicht nur die SPD skeptisch. Auch in der Wirtschaft dreht sich die Stimmung, der Ruf nach Subventionen wird lauter. BMW-Chef Harald Krüger etwa hatte erst kürzlich mehr staatliche Förderung verlangt. Bislang plante die Autoindustrie, künftige Klimaschutzauflagen für ihre Flotten vor allem mit dem starken Absatz von Dieselautos erfüllen zu können. Doch wenn der Diesel jetzt nach der VW-Affäre an Beliebtheit verlieren sollte, wären die E-Mobile für einige Autobauer quasi die letzte Rettung.

Lange Zeit war aber eine Kaufprämie, wie sie etwa China, Frankreich oder die USA zahlen, in Deutschland tabu. Grund: Die deutschen Autobauer brauchten Zeit, um genügend Stromfahrzeuge auf den Markt zu bringen; ein staatlicher Kaufzuschuss hätte bis dahin nur die ausländische Konkurrenz gepäppelt. Inzwischen aber haben die heimischen Hersteller rund 20 Elektroautomodelle im Programm.

Bisherige Maßnahmen fruchten nicht

Der Absatz indes kommt nicht in Gang, Bemühungen der Politik bisher fruchten nicht: Von der Möglichkeit, ein spezielles Nummernschild für Elektroautos zu beantragen, das in vielen Kommunen etwa kostenloses Parken erlauben würde, haben bis Ende 2015 erst 3600 Fahrzeughalter Gebrauch gemacht.

Die Gründe sind offenkundig: Die oft noch geringe Reichweite der Stromautos und das lückenhafte Angebot an Stromtankstellen lassen Käufer zurückschrecken – und mehr noch der Kaufpreis. Bislang seien Elektroautos wegen der aufwendigen Batterietechnik um rund 5000 Euro teurer als vergleichbare Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb, rechnet SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil vor. „Das können sich Normalverbraucher oft nicht leisten“, sagt er dieser Zeitung. Die Lücke könne mit der staatlichen Kaufprämie geschlossen werden. Heil will die Industrie aber nicht umsonst subventionieren: Im Gegenzug zu einer solchen Prämie sollten sich die deutschen Autobauer verpflichten, in den Ausbau der Batterieforschung und -produktion zu investieren. „Das ist ein Deal auf Gegenseitigkeit, um die Wertschöpfungsketten in Deutschland aufzubauen“, meint Heil.

Notfalls muss ein Kredit her

Ob es zum Kurswechsel kommt, soll in Kürze eine Staatssekretärsrunde der Regierung beraten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor wenigen Monaten eine zusätzliche Förderung der Elektromobilität in Aussicht gestellt. Doch selbst der Plan einer steuerlichen Sonderabschreibung für elektrogetriebene Dienstwagenflotten scheiterte bisher am Veto der Unionsfraktion.

Der Koalitionspartner will nicht länger zusehen. Das Förderpaket für die Stromautos ist Teil einer milliardenschweren Investitionsoffensive, die die SPD auf ihrer am Sonntag beginnenden Vorstandsklausur vor den Toren Berlins beschließen will: Gefordert werden jährlich 60 Milliarden Euro an zusätzlichen staatlichen und privaten Investitionen, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen – finanziert notfalls auch über eine höhere staatliche Kreditaufnahme. Die Ausgaben des Staates für Forschung und Entwicklung müssten von heute knapp drei Prozent bis 2025 auf vier Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.