Detroit/Berlin. In den Vereinigten Staaten muss der Autobauer VW die Käufer entschädigen. In Deutschland allerdings sollen die Kunden leer ausgehen.

Amerikas größte Automesse in Detroit ist für VW schon lange ein heißes Pflaster, weil die Geschäfte auf dem US-Markt nicht gut laufen. Doch so schwer wie jetzt war es noch nie. Mitten im Diesel-Debakel muss VW-Chef Matthias Müller in die Höhle des Löwen zur Branchenschau.

Kurz vor Müllers Ankunft wird bekannt, dass die US-Behörden den Konzern in die Mangel nehmen: Rund 115.000 Diesel-Autos müsse VW in den USA zurücknehmen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Besitzer sollen den Kaufpreis erstattet bekommen. Inzwischen scheint auch bei VW die Einsicht zu reifen, dass man US-Kunden nicht mit billigen Lösungen abspeisen kann – wie etwa in Deutschland, wo Zehn-Euro-Ersatzteile oder Software-Updates ausreichen sollen.

Deutsche Autobesitzer benachteiligt

Bei Verbrauchern in Deutschland stößt die doppelgleisige Vorgehensweise des Konzerns auf Unverständnis. „Als Zeichen der Demut stünde es Volkswagen gut zu Gesicht, deutschen und europäischen Verbrauchern ein ähnlich attraktives Angebot wie denen in den USA zu unterbreiten“, sagte Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV). „Die Rückkaufoption ist sicherlich für viele Verbraucher eine pragmatische und schnelle Lösung.“

Die Verbraucherzentrale fordert von VW eine Verpflichtung, „alle Ansprüche, die sich aus der Manipulation ergeben, zu entschädigen“, sagte Müller. Verbraucher dürfen auf keinerlei Schaden sitzen bleiben. „Es wäre hilfreich, wenn nicht jeder einzelne betroffene Verbraucher Ansprüche gegenüber VW durchsetzen muss“, sagte Müller. „Dazu wäre das Instrument der Gruppenklage sinnvoll, das wir bislang noch nicht in Deutschland haben.“ Zum einen müsse nicht jeder Betroffene individuell klagen, zum zweiten würden Gerichte effizienter arbeiten, denn eine Entscheidung gelte dann für alle Kläger, meinte der VZBV-Chef.

Wertverlust muss ausgeglichen werden

Volkswagen müsse auch deutschen Kunden Lösungen anbieten, die die Ansprüche auf Neulieferung, Rückabwicklung und Wertverlust der Autos berücksichtigen, sagte Rechtsanwalt Ralf Stoll, dessen Kanzlei rund 800 geschädigte Autobesitzer vertritt. Der Konzern müsse nachvollziehbar darlegen, welche technischen Folgen und Risiken etwa das Software-Update für die Motorsteuerung habe. Man habe gegenüber VW klargestellt, dass die deutschen Kunden „keine Bittsteller sind, sondern Rechte haben, die nötigenfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden“, sagte Stoll – und Volkswagen habe daraufhin mit einer Einladung zur Besprechung der Ansprüche reagiert.

Juristischer Druck und der Abzug von Kapital treffen VW am härtesten. Nach den Berichten über mögliche Zwangsrückkäufe von Autos in den USA hat die VW-Aktie kräftig an Wert verloren. Der Kurs der stimmrechtslosen Vorzugspapiere fiel am Donnerstag zeitweise unter 112 Euro.

Ein VW-Sprecher sagte, man sei in Kontakt mit den US-Behörden, um eine Lösung zu finden. Die Umweltbehörde EPA reagierte prompt: Man sei mit den Plänen des VW-Konzerns nicht zufrieden. Diskussionen mit VW hätten „keinen akzeptablen Weg nach vorne ergeben“.

Unerfreulich war das US-Geschäft für VW schon lange, doch nun wird es ein juristischer Spießrutenlauf. Zu besichtigen ist dabei auch der rapide Verfall einer Marke: Im amerikanischen Chattanooga waren die Stadtoberen einst so stolz auf die deutschen Autobauer, dass sie dem VW-Werk für 266.000 Dollar den Schriftzug „Volkswagen Chattanooga“ auf dem Fabrikdach spendierten. Die Begeisterung ist vorbei. Der Absatz des in dem Werk gebauten US-Passat brach im Dezember um mehr als die Hälfte ein.