Las Vegas/Berlin. Mitten in der Abgasaffäre präsentiert VW auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas ein modernes Elektroauto. Typ: klassischer Bulli.

Es war kein leichter Auftritt für Volkswagen-Markenchef Herbert Diess auf der Technikmesse CES in Las Vegas. Gerade erst war der Konzern vom US-Justizministerium wegen des Abgasskandals verklagt worden, nun sollte Diess Zuversicht verbreiten, neue Produkte vorstellen. In Wolfsburg hatte man sogar erwogen, den Auftritt lieber abzusagen. Selbst CES-Chef Gary Shapiro hatte Zweifel, ob VW die Präsentation abhalten sollte.

Doch Markenchef Diess entschied sich für die Offensive – und als erstes Vorstandsmitglied in den USA für ein öffentliches Zeichen der Reue im Abgasskandal: „Wir haben die Kunden und das amerikanische Volk enttäuscht und entschuldigen uns dafür“, sagte Diess dem gespannten Publikum in Las Vegas. „Ich versichere Ihnen, wir tun alles, was wir können, um das in Ordnung zu bringen.“ Und noch mehr: „Wir erschaffen eine bessere Firma, ein neues Volkswagen“, versprach Diess.

Dann rollte ein weißer Prototyp eines Elektroautos auf die Bühne. VW will mit dem „Budd-e“ genannten Elektromobil an das Erbe des legendären Bulli anknüpfen und aus dem Schatten des Abgasskandals treten. Das Design des Autos erinnert an eine stark modernisierte Version beliebter alter Wagen wie des T1 aus den 50er-Jahren.

Türen öffnen automatisch durch Wischbewegungen in der Luft

Mit dem Budd-e will Volkswagen auch seine Vision der automobilen Zukunft präsentieren. Angetrieben wird die Autostudie von zwei Elektromotoren an der Vorder- und Hinterachse. Zugleich bekommt der bis zu 180 km/h schnelle Viersitzer ein neues Bedien- und Infotainmentsystem. So gibt es im Cockpit kaum mehr Knöpfe, und die meisten Funktionen können mit neuartigen Touchfeldern oder mit Gesten aktiviert werden. Selbst im Lenkrad sind dafür berührungsempfindliche Flächen untergebracht.

Die Anzeigen erfolgen über ein weiterentwickeltes digitales Kombi-Instrument und für die Unterhaltung bei Zwischenstopps prangt in der Seitenwand gegenüber der großen Schiebetür des variablen Viersitzers ein 34 Zoll großer Bildschirm. Dank einer schnellen Onlineverbindung sei der Budd-e auch unterwegs vernetzt. Der Prototyp sei fest im Internet der Dinge verankert, betonte Diess. So könne man aus dem Cockpit auch in den heimischen Kühlschrank schauen oder sehen, wer zu Hause an der Tür klingelt und die Gäste per Fernsteuerung aus dem Auto schon mal in die Wohnung lassen.

Auf Sprachbefehl kann der Budd-e auch die Beifahrertür aufmachen. Von außen braucht der Fahrer nur eine Wischbewegung in der Luft zu machen, um die Autotür zu öffnen. Türgriffe seien eben ein Relikt der 2016er-Jahre, witzelte Diess über die Fähigkeiten des Zukunftsautos, dessen Armaturenbrett nur aus Displays besteht.

Postpakete können in den Kofferraum geliefert werden

Auch Postpakete nimmt das moderne Fahrzeug an: sie könnten von dem Boten nach einer Identitätsprüfung in einem speziellen Fach unter dem Kofferraum abgelegt werden. Die Akkus des Budd-e sollen für 375 Kilometer halten. Und natürlich können sich die Fahrer auf ihren Sitzen auch nach hinten drehen, wenn das Auto selbst steuert. Selbst an den Regenschirm kann Budd-e den Fahrer erinnern.

Ein solches Auto könnte zum Ende des Jahrzehnts auf die Straße kommen, sagte Diess. Das neue Volkswagen steht für erschwingliche Elektromobilität“, sagte er. Neben dem Budd-e präsentierte VW auch den „e-Golf Touch“, der einen Elektroantrieb hat und im Cockpit auch per Gestensteuerung bedient werden kann. Der Golf soll binnen eines Jahres auf dem Markt sein. Preise wurden nicht genannt.

Ein Erfolg bei alternativen Antrieben könnte VW helfen, den Abgasskandal hinter sich zu lassen. Was die Aufarbeitung des Skandals angehe, sei er zuversichtlich, dass eine technische Lösung gefunden werde, die den Anforderungen von US-Behörden entspreche, sagte Diess in Las Vegas.

Der Autobauer arbeite hart an einem Lösungspaket und führe mit den US-Behörden einen sehr konstruktiven Dialog. „Ich bin optimistisch, dass wir ihre Zustimmung in den kommenden Wochen und Monaten bekommen werden“, ergänzte Diess.

Der Wolfsburger Konzern muss der kalifornischen Umweltbehörde CARB bis 14. Januar eine Lösung präsentieren, wie die betroffenen Fahrzeuge wieder in Einklang mit den Vorschriften zur Luftreinhaltung gebracht werden sollen. Das Umrüsten der älteren Modelle mit Zwei-Liter-Motor in den USA sei aufwendig, erklärte Diess. Insidern zufolge wird ein neues Teil gebaut, das noch getestet werden muss.

In Europa sind die Grenzwerte für Stickoxid nicht so streng wie in den USA. Die Lösung ist laut VW deshalb einfacher: Bei den meisten betroffenen Fahrzeuge in Europa reiche ein Softwareupdate, in kleine Motoren müsse ein Kunststoffteil eingebaut werden.

Doch laut Kraftfahrtbundesamt sind Volkswagens Umrüstungspläne noch nicht genehmigt. Die Erteilung der Freigabe stehe noch aus, sagte dieser Zeitung eine Sprecherin der Behörde .

Zudem braucht Volkswagen offenbar mehr Zeit, um der EU-Kommission Auskünfte über geschönte CO2-Abgaswerte von VW-Autos zu geben. Darüber habe Konzernchef Matthias Müller die Brüsseler Behörde in einem Brief informiert, sagte ein VW-Sprecher. Müller tritt kommende Woche auf der Automesse in Detroit vor die Öffentlichkeit und plant Treffen mit Behördenvertretern in Washington. Man darf gespannt sein, welche Neuheiten er in die USA mitbringt.