Frankfurt. Noch nie wurden Tarifstreitigkeiten in Deutschland so heftig ausgetragen wie 2015. Ein Ausblick, in welchen Branchen 2016 verhandelt wird.

Metall, Chemie und Bau – der deutsche Tarifkalender für 2016 ist mit Verhandlungen in den wichtigen Industriesparten gespickt. Bereits im ersten Quartal beginnen die Gespräche über die Entgelte und Arbeitsbedingungen der größten Beschäftigtengruppen, unter anderem Metall.

Nach einer Zusammenstellung des Düsseldorfer WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung werden von Ende 2015 bis Ende 2016 neue Tarife für knapp zwölf Millionen Beschäftigte verhandelt. Dabei geht es um rund eine Million Beschäftigte mehr als 2015, als gestritten wurde nie: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat 14 Tarifverhandlungen von Post über Erzieher bis zu Lufthansa analysiert und kam zum Ergebnis, dass es in Deutschland noch nie zuvor so konfliktreiche Tarifverhandlungen gab. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, hatte es 2015 nach den IW- Erhebungen 960.000 Ausfalltage durch Streiks gegeben.

Die Rahmenbedingungen: Bislang stehen erst wenige konkrete Forderungen fest, doch einfache Verhandlungen erwartet niemand. Angesichts der stabilen Konjunkturaussichten und der guten Beschäftigungslage sind die Gewerkschaften in einer guten Position für Forderungen. Die Rahmenbedingungen für weitere kräftige Tarifsteigerungen von rund 3 Prozent stehen gut, weil so viele Menschen in Arbeit sind. Für die deutsche Volkswirtschaft erwartet die Bundesbank zudem 2016 ein Wachstum von 1,8 Prozent und 1,7 Prozent im Jahr 2017. Allerdings verlieren die dauerhaft günstigen Energiepreise schleichend ihre inflationshemmende Wirkung. Die Verbraucherpreise sollen den Erwartungen der Bundesbank zufolge im Jahr 2016 um 1,1 Prozent steigen und 2017 wieder die langfristig angepeilte Zwei-Prozent-Marke erreichen. Das heißt, dass ein wieder wachsender Teil der Lohnsteigerung durch die Inflation aufgefressen würde. Die Zeit der stark steigenden Reallöhne könnte daher 2016 zu Ende gehen.

Die Lufthansa: Als Altlast aus den Vorjahren laufen die bislang extrem streikträchtigen Tarifkonflikte des fliegenden Personals bei der Lufthansa weiter. Sie haben das Unternehmen seit April 2014 bereits 14 Mal bestreikt. Während bei der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo der frühere Politiker Matthias Platzeck (SPD) ab Januar sein Glück als Schlichter versuchen darf, zeichnet sich bei den Piloten noch überhaupt keine Lösung ab. Ihre Gewerkschaft, Vereinigung Cockpit, hat seit September nicht mehr streiken lassen, weil das Landesarbeitsgericht Frankfurt die Streikziele als unrechtmäßig eingeschätzt hatte. Doch eine endgültige juristische Klärung steht ebenso aus wie eine Annäherung mit dem Unternehmen.

Die Deutsche Bahn: Bei der Bahn hatten die Schlichter Platzeck und Linken-Politiker Bodo Ramelow einen Kompromiss mit der Lokführergewerkschaft GDL ausgehandelt. Im Herbst kommt er schon wieder auf den Prüfstand: Es stehen erneut parallele Verhandlungen mit der GDL und ihrer weit größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG an. Immerhin geht es diesmal nicht um so grundsätzliche Dinge wie in der vorangegangenen Runde, als GDL-Chef Claus Weselsky eigenständige GDL-Tarifverträge nicht nur für die Lokführer, sondern erstmals auch für das gesamte Zugpersonal durchsetzte.

Volkswagen: Bei dem Autokonzern wird der Arbeitgeber im Zeichen der Abgasaffäre und der letztlich noch nicht absehbaren Folgen zurückhaltend sein mit Offerten an seine Mitarbeiter. Im Mai beginnen die Verhandlungen.

Die Metallbranche: Die IG Metall hält sich vor ihrer im März beginnenden Tarifrunde für rund 3,7 Millionen Beschäftigte der deutschen Metall- und Elektroindustrie noch zurück, was die Höhe ihrer Lohnforderung angeht. Bislang ist nur klar, dass es wahrscheinlich eine reine Lohnrunde wird, weil weitergehende Forderungen insbesondere zu Arbeitszeiten in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt erst noch breiter diskutiert werden sollen. Erst am 2. Februar will der Vorstand der mächtigsten deutschen Gewerkschaft in Frankfurt seine Empfehlung beschließen.

Der öffentliche Dienst: Dort stehen zwei getrennte Runden mit jeweils einer hoher Zahl betroffener Arbeitnehmer an: Im Februar beginnen die Verhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Gemeinden, im Dezember werden die Verhandlungen für die Mitarbeiter der Länder eröffnet.

Die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie: Bereits bekannt ist die Forderung nach 5,0 Prozent mehr Geld für die knapp 200.000 Beschäftigten in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie, die ebenfalls von der IG Metall vertreten werden.

Die Nahrungsmittelindustrie und die Gastronomie: In der gleichen Größenordnung liegt der Hauptvorstand der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), der für Lebensmittelindustrie, das Lebensmittelhandwerk sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe 4,5 bis 5,5 Prozent empfohlen hat. (law/dpa)