Hamburg. Günther Fielmann hat seinen Sohn zum Vorstandsmitglied Deutschlands größten Optikers ernannt. Ans Abdanken denkt der Senior aber nicht.
Die Firmenzentrale des Milliardenkonzerns liegt inmitten eines ehemaligen Arbeiterviertels von Hamburg. Im Foyer des schmucklosen Backsteinbaus öffnet sich die Tür des Fahrstuhls. In grauem Anzug, mit hellgrauer Krawatte und braunen Schuhen steht Marc Fielmann. „Herzlich willkommen bei Fielmann“ begrüßt er freundlich mehrere wartende Medienvertreter, die am Freitag kurzfristig in Deutschlands größte Optikerkette eingeladen wurden. Erstmals gibt sich der Junior als Hausherr. Doch wer glaubte, der Generationswechsel würde nun endlich komplett vollzogen, irrte: Marc Fielmann rückt zwar in den Vorstand auf und verantwortet künftig das Marketing von Fielmann. Doch sein Vater Günther und Gründer des Imperiums dankt damit noch nicht ab. „Nein, keineswegs“, lautete die Antwort auf die Frage, ob er sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen werde. Günther Fielmann, der seit 43 Jahren den Konzern leitet, freue sich vielmehr darauf, künftig mehr Zeit für die Entwürfe seiner Kollektionen zu haben.
Marc soll irgendwann an die Konzernspitze rücken
Und dennoch ist mit dem Einzug des Nachwuchses ein Zeichen des Wandels gesetzt. Der Sohn des Firmengründers ist im Juli 26 Jahre alt geworden und an diesem Freitag mit einem Amt betraut, das andere junge Leute frühestens mit Mitte Dreißig anstreben. Die Schulausbildung auf Schloss Salem beendete er bereits mit 17, das Studium mit 21 Jahren. Stationen bei Banken, Unternehmensberatungen, Tätigkeiten in den USA und in Gambia folgten. Schon früh hatte Marc Fielmann ein Ziel vor Augen: Vorstand in einem Unternehmen mit gut 17.000 Mitarbeitern zu werden, Vorstand einer Marke, die 90 Prozent der Deutschen kennen. Und nicht nur das: Marc Fielmann wird ab sofort offiziell als Nachfolger seines Vaters gehandelt. Diese Frage hatte Günther Fielmann bisher immer offengelassen. Auf die Frage, ob der Vorstandsvorsitz direkt vom Vater auf Marc Fielmann übergehen werde, nickt der Patriarch, lacht und sagt, er müsse aber noch den Aufsichtsrat fragen.
Günther Fielmann denkt jedoch noch nicht daran, die Unternehmensspitze freizugeben. So deutlich der 76-Jährige dies unterstreicht, so überschwänglich drückt er aber auch seine Freude über die Fähigkeiten seines Sohnes aus. „Ich bin sicher, Marc ist der Aufgabe, die Unternehmensphilosophie von Fielmann tagtäglich mit Leben zu erfüllen, schon jetzt gewachsen.“ Dann wird der Manager und Vater noch persönlicher: „Marc, du lernst schnell, aber effektiv. Dir reichte eine halbe Stunde vor Schulbeginn, um eine Seite Lateinvokabeln auswendig zu lernen.“
Marc Fielmann studierte an der London School of Economics
Auch der Sohn, der zum ersten Mal in der Tischreihe der Vorstände Platz genommen hat, holt Erinnerungen aus der Kindheit hervor. „Dank meines Vaters lernte ich schon in jungen Jahren, mich auf Herausforderungen vorzubereiten. Als ich sieben Jahre alt war, setzte er mich bei einer Baumpflanzaktion an den Steuerknüppel des Kettenfahrzeuges und sagte: ,Du machst das schon.‘“ Später habe er an der London School of Economics studiert, gemeinsam mit mehr Nationalitäten als in jeder anderen Universität der Welt, sagt der Junior. „Ich denke zur Hälfte auf Deutsch, zur Hälfte auf Englisch.“
Das kosmopolitische Leben eines Akademikers, eines jungen Mannes, der die Welt gesehen hat – passt das zusammen mit dem Selbstverständnis des 50 Jahre älteren Vaters? Hier der Gründer, ein gelernter Augenoptiker, der in seiner Firmenphilosophie immer auch Handwerker blieb, der sich mit den Geschäften auf den deutschsprachigen Raum beschränkte. Dort der Sohn, der sagt, seine Freunde lebten in Europa, Indonesien und den USA.
Vater will Tochter in die Firma holen
Marc Fielmann hat auch in Sachen Generationenkonflikt eine erstaunliche Sichtweise. „Ich habe beim Thema Internet viel von meinem Vater gelernt“, berichtet er über die Frage, ob sich die Firma nicht dringend eine eigene Facebook-Seite leisten müsste. „Und wer soll dort mit unseren Kunden kommunizieren?“ habe sein Vater gefragt. Die Mitarbeiter hätten gelernt, auf die Menschen in den Filialen zuzugehen, sie in ein persönliches Gespräch zu verwickeln. Publizistisch ausgebildet sei bei Fielmann aber niemand. „Wir werden hier also eine andere Strategie fahren“, resümiert der Sohn, und Günther Fielmann beeilt sich nachzulegen: „Wir haben uns noch nie so richtig gestritten.“
Während Fielmann regelmäßig neue Filialen eröffnet und mittlerweile jede zweite Brille in Deutschland verkauft, fragen Branchenbeobachter seit Jahren, wann der Marktführer in den Internethandel einsteigen will. Mit der neuen Besetzung im Marketing ändere sich diese Strategie vorerst nicht, sagt Marc Fielmann und verweist auf technische Probleme bei der Anpassung der Brille.
Günther Fielmann hat mit seiner Ex-Frau Heike auch eine Tochter, Sophie-Luise, die 21 Jahre alt ist und noch studiert. Der Vater hofft, dass auch sie eines Tages für das Unternehmen tätig wird. Doch da bremst der Sohn ein wenig, wohl auch aus seiner eigenen Erfahrung: „Wir würden uns riesig darüber freuen. Aber das muss jeder Mensch allein entscheiden, weil es viel verändert.“