Washington. Zinswende in den USA: Die US-Notenbank Fed erhöht zum ersten Mal seit fast zehn Jahren den Leitzins. Er steigt um 0,25 Prozentpunkte.

Sieben Jahre Nulldiät an der Zins-Front sind vorbei. Die amerikanische Notenbank „Federal Reserve“ (Fed) hat am Mittwochabend den weltweit tonangebenden Leitzins für den Dollar auf die neue Obergrenze von 0,5 Prozent angehoben. Es ist die erste Erhöhung seit fast zehn Jahren.

Präsidentin Janet Yellen begründete die lange erwartete Kehrtwende in Washington mit der relativ robusten Konjunktur, der gesunkenen Arbeitslosigkeit und dem erreichbaren Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent in Amerika. In diesem und im nächsten Jahr wird dort mit einem Wirtschaftswachstum um die 2,4 Prozent gerechnet.

Die aktuelle Erwerbslosenquote von fünf Prozent gilt in den USA als nahe an der Vollbeschäftigung. Die Fed ist einer Politik der stabilen Preise und maximaler Beschäftigung verpflichtet. Yellen: „Wir sind zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Erholung anhalten wird.“

Auswirkungen reichen bis zu Verbraucherpreisen

Um die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise zu lindern, hatte die Notenbank 2007/2008 den Leitzins binnen 15 Monaten von 4,75 auf den Zielkorridor von zuletzt null bis 0,25 Prozent gesenkt. Mit der finanzpolitischen Mega-Stellschraube wird festgelegt, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen, um der Pflicht für Mindestreserven bei der Fed nachzukommen. Die Auswirkungen reichen bis zu den Preisen für Verbraucher.

Ziel war es 2007, über niedrige Zinsen „billiges“ Geld in den Wirtschaftskreislauf zu leiten, Pleiten zu verhindern und das Wachstum anzukurbeln. Zusätzlich hatten die amerikanischen Währungshüter die Wirtschaft mit dem Ankauf von Staatsanleihen in Höhe von fast vier Billionen Dollar stimuliert. Weil die Rezession als überstanden gilt, war der Null-Leitzins zuletzt nicht mehr gerechtfertigt. Zum Vergleich: In den 80er-Jahren lag der Leitzins bei 20, zu Beginn der 90er-Jahre bei zehn Prozent.

Experten rechnen nicht mit Turbulenzen an den Börsen

Janet Yellen hatte den Schritt mehrfach hinausgezögert. Ihr Motiv: Weder sollte die Inflation angeheizt noch die Konjunktur gebremst oder eine Achterbahnfahrt an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst werden. Wegen des behutsamen Vorgehens, das Befürworter „angemessen“ nennen und Kritiker als „zu homöopathisch“ beschreiben, rechneten Volkswirte zunächst nicht mit größeren Turbulenzen an den Börsen.

Anders könnte sich die Lage in Schwellenländern wie Indien, Südafrika oder Brasilien entwickeln. Aufgrund ihrer hohen Schuldenstände, die in Dollar berechnet werden, ergeben sich durch die Zinsanhebung zusätzliche Belastungen. Außerdem muss dort mit dem Abwandern von Geldanlagen in die USA gerechnet werden, die nach dem Ende der Nullzinspolitik wieder attraktiver werden.

Für den Euro bedeutet die Entscheidung nach Einschätzung von Analysten möglicherweise schon im nächsten Jahr die Parität zum Dollar, sprich: dass für einen Dollar ein Euro zu zahlen ist. Aktuell war ein Euro am Mittwochabend 1,09 Dollar wert.

Urlaub in Amerika wird teurer

Weitere Konsequenzen: Reisende aus Euro-Ländern müssen in Amerika künftig mehr bezahlen. Auch könnten die Benzinpreise steigen, weil der Grundstoff Rohöl, gerade historisch billig, in Dollar abgerechnet wird.

Für die deutsche Export-Wirtschaft ist die Fed-Entscheidung auf den ersten Blick positiv, weil Produkte „Made in Germany“ im Vergleich zur US-Konkurrenz billiger werden. Andererseits könnte der höhere Kredit-Tilgungsdruck in den Schwellenländern, die etwa 30 Prozent der deutschen Exporte abnehmen, die Gesamtrechnung auf Sicht verhageln.

Notenbank deutet weitere Schritte an

Offen blieben die nächsten Schritte der US-Notenbank. In ihrer Pressekonferenz machte Yellen deutlich, dass die Gesamtwirtschaftslage noch anfällig sei und minuziös beobachtet werden müsse. Darum sei nur mit einer „schrittweisen“ Anhebung zu rechnen. Laut Yellen könnte die Zinsspanne in einem Jahr bei 1,5 Prozent, 2017 bei 2,5 Prozent und 2018 bei drei Prozent liegen. Von diesem Zinsniveau aus hätte die Notenbank im Falle einer erneuten Krise Spielraum, um abermals in die Finanzkreisläufe einzugreifen.

Auf die - völlig konträre - Politik der Europäische Zentralbank (EZB) hat die Entscheidung in den USA keinen Einfluss. Dort hält die lockere Geldpolitik mit einem Leitzins nahe Null bis Frühjahr 2017 an. Gut für Häuslebauer, schlecht für Sparer.

„Auf dem Weg in die Normalität“

Die Entscheidung wurde von Experten in Deutschland überwiegend positiv aufgenommen. „Wir sind auf dem Weg in die Normalität“, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Mit dem Schritt gewinne die Fed etwas Handlungsspielraum für zukünftige Herausforderungen zurück. Auch Stefan Looths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft befürwortet den Schritt. „Je länger die künstlich niedrigen Zinsen bestehen bleiben, umso mehr Verzerrungen entstehen und desto schmerzhafter würde eine noch spätere Korrektur“, sagte Looths.