Berlin. Angela Merkel hat einen Teil des teuersten Verkehrsprojekts „Deutsche Einheit“ eröffnet. Nicht alle Investitionen waren erfolgreich.

Bei ersten Spatenstichen und beim Durchschneiden blauer Bänder zur Einweihung von Bauvorhaben sind Politiker gerne dabei. So lassen sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) an diesem Mittwoch gerne in Leipzig sehen. Merkel reist im Sonderzug der Deutschen Bahn an, sie darf dem Lokführer sogar bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof Leipzig über die Schulter sehen.

Der Zug kommt aus Erfurt, Merkel ist am Leipziger Flughafen-Bahnhof zugestiegen. Gemeinsam mit Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie dem Vorstand der Deutschen Bahn eröffnet sie dann im Hauptbahnhof die erste Teilstrecke der Hochgeschwindigkeitstrasse von Berlin nach München. Es ist das letzte wirklich große Verkehrsprojekt Deutsche Einheit.

Von Berlin nach München in weniger als vier Stunden

Von Berlin aus brauchen Reisende nach Frankfurt/Main künftig 3.59 Stunden, 15 Minuten weniger als bisher. Nach Erfurt sparen sie 50 Minuten Reisezeit. Ab Ende 2017, wenn der letzte Streckenteil zwischen Erfurt und Nürnberg eröffnet wird, dauert die Fahrt von Berlin nach München weniger als vier Stunden.

1991 beschloss die Bundesregierung den Ausbau der ostdeutschen Verkehrswege, die überwiegend marode waren. 17 Projekte wurden festgelegt. Das Investitionsprogramm umfasste rund 40 Milliarden Euro. „Viele Projekte waren der Ausdruck falscher Vorstellungen von blühenden Landschaften in den neuen Ländern“, sagt Karl Brenke, Ostexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Politiker sehen das anders. „Die Projekte sind eine Erfolgsgeschichte“, sagt Verkehrsminister Dobrindt. „Deutschland ist zusammengewachsen.“

Die neue Bahnstrecke von Berlin über Halle/Leipzig, Erfurt und Nürnberg nach München ist das größte Infrastrukturprojekt Deutschlands, das teuerste auch. Die Trasse mit einer Länge von 500 Kilometern kostet allein rund zehn Milliarden Euro. Technisch ist die Schnellverbindung ein Meisterwerk. Für die Deutsche Bahn als Betreiber wird sich die Fertigstellung lohnen. Denn der Luftverkehr zwischen Berlin und München wird an Attraktivität verlieren, sobald die Fahrt im Zug von Zentrum zu Zentrum dann mit Tempo 300 weniger als vier Stunden dauert.

Dagegen stehen erhebliche Eingriffe in die Natur und die hohen Kosten. Eine andere, kostengünstigere Streckenführung wäre möglich gewesen. Doch die Politik wollte die thüringische Landeshauptstadt Erfurt unbedingt in das Schnellbahnsystem einbinden. „Fahrgäste abseits der Magistralen bleiben buchstäblich auf der Strecke“, kritisiert Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Für das Prestigeprojekt seien Milliarden in die Verbindung weniger Städte geflossen.

Wenig Verkehr immer an der Ostsee entlang

Auch die Autobahnen in Ostdeutschland wurden generalüberholt oder ganz neu gebaut. Auch hier gehen die Meinungen über den Nutzen weit auseinander, wie die Ostseeautobahn A20 zeigt, die der damalige Verkehrsminister Günther Krause (CDU) durchsetzte. Krause wohnte selbst an der Ostsee. Rund 1,9 Milliarden Euro kostete der Bau. Mit der Hälfte des prognostizierten Verkehrsaufkommens sei die A20 weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, urteilt der Bund für Umwelt und Naturschutz. Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) spricht von Standortvorteil.

Der Ausbau des Mittellandkanals sollte die Güterströme auf Binnenschiffe verlagern und den Osten der Republik näher an die großen Häfen an der Nordsee rücken. An der Elbe wurden Häfen gebaut, zum Beispiel in Wittenberge, die Containerschiffen Platz bieten, aber nicht ausgelastet werden.

Der ICE zwischen Berlin und Hannover wurde über das strukturschwache Stendal gelenkt. Die sachsen-anhaltinische Landeshauptstadt Magdeburg hat nun keine Anbindung mehr an den Hochgeschwindigkeitsverkehr. Entwickelt hat sich in Stendal aber dadurch fast nichts. Andererseits ist die Strecke äußerst erfolgreich und beliebt. Wie sehr, zeigte sich 2013, als die Strecke wegen des Elbe-Hochwassers monatelang gesperrt war.

Fehlgeschlagene Strukturentwicklung per Zug

Ein Erfolgsprojekt ist sicher die Autobahn 14. Sie verbindet die A2 bei Magdeburg mit Leipzig – und damit ganz Sachsen und das Ruhrgebiet. Bis zur Fertigstellung quälten sich täglich Autos und Lastwagen stundenlang durch kleine Dörfer und enge Städte.

Grundsätzlich allerdings sieht DIW-Forscher Brenke bei staatlich finanzierten oder subventionierten Infrastrukturvorhaben in Ostdeutschland ein wiederkehrendes Manko. „Da ist viel über das Ziel hinausgeschossen worden, weil die Mittel dafür bereit gestellt wurden“, sagt der Ökonom.