Berlin. „Here“ liefert Präsizionskarten für die Autoindustrie. Audi, BMW und Daimler wollen mit dem Unternehmen jetzt neue Standards setzen.

Es ist vermutlich die größte Summe, die je für eine Straßenkarte ausgegeben wurde. 2,8 Milliarden Euro haben Audi, BMW und Daimler investiert, um Here zu kaufen, das Unternehmen, das die Karte gerade entwickelt. Den Autoherstellern geht es um nichts weniger als die beste virtuelle Echtzeitkarte der Welt, wie es BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich formulierte, als die Unternehmen ihre Pläne in Berlin vorstellten. Nur mit solchen hochpräzisen Karten wird autonomes Fahren möglich sein – eines der Ziele der Autoindustrie, die sich auch unabhängig von Konzernen wie Google machen will.

Die Karte ist keine im herkömmlichen Sinn, gedruckt auf Papier oder als Display im Navigationsgerät. Die Here-Karte ist eine riesige Datensammlung, gespeichert auf großen Zentralspeichern und – so sieht es der Plan des Unternehmens und der drei neuen Eigentümer vor, in Echtzeit gespeist von weiteren Daten aus verschiedenen Sensoren des modernen Autos. Der Bordcomputer eines Fahrzeugs ruft dann die Daten für das Gebiet, in dem das Auto unterwegs ist, aus der Cloud ab, ebenfalls in Echtzeit – zunächst über den Mobilfunkstandard LTE, später über die Weiterentwicklung 5G.

Daten vom Scheibenwischersensor für die Cloud

Here hat angefangen, mit eigenen Kameraautos ähnlich wie Google flächendeckend ganze Straßenzüge zu erfassen, allerdings nicht als Fotos, sondern mit 700.000 Datenpaketen pro Sekunde zentimetergenau und bis zur Laternenhöhe. Aus den Daten lässt sich dann das Straßenprofil errechnen. Künftig sollen zusätzlich Daten von Autosensoren im großen Stil erfasst werden – natürlich anonymisiert, wie Thomas Weber, Entwicklungschef von Daimler sagte.

Welche Autos haben den Scheibenwischer eingeschaltet? Wer das Licht Welche Fahrzeuge fahren wie schnell? Aus solchen Informationen soll das Here-System dann ermitteln, wo es zum Beispiel regnet oder sich ein Stau entwickelt, um Empfehlungen an andere Autofahrer zu geben. Auch zum Beispiel spielende Kinder am Straßenrand könnten nachfolgenden Fahrzeugen gemeldet werden.

Investitionen werden deutlich erhöht

Das System wird besser, je mehr Daten in es einfließen. Audi, BMW und Daimler, die derzeit je ein Drittel der Anteile halten, wollen deshalb weitere Partner gewinnen, die sich beteiligen – Autohersteller und auch andere Konzerne. Audi-Chef Rupert Stadler sagte Here solle ein Service werden, „der weiß, was wo im konkreten Augenblick passiert“. Here soll sein Angebot offen für alle entwickeln, den drei Käufern schwebt vor, den Industriestandard weltweit für solche Dienste zu setzen. Deshalb soll Here unabhängig von den Autoherstellern entwickeln und seine Dienste allen Firmen zur Verfügung stellen – wie sie die Daten nutzen, entscheidet jeder selbst.

Gespräche mit weiteren Partnern laufen Here-Chef Sean Fernback zufolge bereits, auch mit chinesischen Firmen, etwa dem Konzern Baidu, der sich zuletzt gegen eine Beteiligung entschieden hat. Here wird die Investitionen in den kommenden Jahren erhöhen, um die Ziele auch zu erreichen. Eine genaue Summe nannte Fernback nicht, sprach aber von einer großen Zahl. 2015 habe Here rund 500 Millionen Euro investiert, 2016 sollten es mehr sein.

Here verkauft Navigationsdaten in 196 Ländern

Bereits heute nutzen vier von fünf Autos Navigationsdaten von Here, wie Audi-Chef Stadler sagte – Karten und Echtzeitverkehrsdaten. Eine gute Basis, tatsächlich einen Industriestandard setzen zu können. Das Unternehmen ist in 196 Ländern der Welt tätig, die Karten sind bisher in mehr als 50 Sprachen zugänglich. Die Autobauer wollen sich mit Here auch deutlich gegen Google und Apple stellen, die ebenfalls an selbstfahrenden Autos arbeiten.

Die Ursprünge von Here reichen bis ins Jahr 1985 zurück, als das Unternehmen in den USA die erste Karte entwickelte. Zuletzt gehörte das Unternehmen zum finnischen Nokia-Konzern. Sitz von Here ist Berlin, wo rund 1000 der insgesamt 6500 Mitarbeiter beschäftigt sind. Here wächst, derzeit sind nach Angaben von Fernback 450 Stellen im Unternehmen unbesetzt, zuletzt hatte es 400 neue Mitarbeiter eingestellt.