Berlin/Wolfsburg. VW gibt Banken ein Vorgriffsrecht auf Konzerntöchter. Es gilt als Sicherheit für einen Überbrückungskredit von 20 Milliarden Euro.

Die bislang unabsehbaren Folgen des Abgasskandals zwingen den Volkswagen-Konzern schon jetzt zu gewagten Finanzierungstechniken: So hat VW laut Insidern seinen wichtigen Gläubigern versprochen, für die Rückzahlung eines Überbrückungskredites über 20 Milliarden Euro notfalls auch Unternehmensteile zu verkaufen.

„Es ist vernünftig von den Banken, von VW eine Absicherung zu verlangen“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. „Wir wissen schließlich alle nicht, wie der Skandal langfristig ausfällt und welche Kosten auf den Konzern zukommen.“

Wie die Konzernkenner weiter berichteten, ist unwahrscheinlich, dass VW Töchter wie Audi, Porsche oder die gerade entstehende Lkw-Sparte an die Börse bringt. Ganz oben auf der Liste stünden dagegen Teile von MAN – nämlich die, die nicht im Lkw-Bau aktiv sind. Der Bereich Power Engineering, der etwa Schiffstriebwerke oder Minikraftwerke anbietet, könnte zwischen vier und fünf Milliarden Euro wert sein. VW könnte den Informationen zufolge auch die Edelmarken Bentley oder Lamborghini sowie den Motorradanbieter Ducati verkaufen. VW selbst lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

Experte rät zu Verkauf von MAN und Scania

VW sicherte sich eine einjährige Kreditlinie über 20 Milliarden Euro. Die neue Kreditlinie wird nach den Reuters-Informationen von 13 Geldinstituten gewährt, von denen nur die Hypo Vereinsbank aus Deutschland kommt. Acht Institute stellen VW je 1,825 Milliarden Euro zur Verfügung: Neben der Hypo Vereinsbank sind das Citigroup, Barclays, Bank of Tokyo Mitsubishi, BNP Paribas, HSBC, Mizuho und Société Générale. Je 1,08 Milliarden kommen von Goldman Sachs, Bank of America, Santander, BBVA und Crédit Agricole. Laut Insidern hofft VW darauf, im Frühjahr an die Anleihenmärkte zurückzukehren, wenn sich die Krise etwas gelegt habe und die Renditeaufschläge gesunken seien. Dann soll der Überbrückungskredit mit neuen Anleihen abgelöst werden. Der Umweg – also Zinsen und Gebühren – kostet den Konzern rund 150 Millionen Euro. Experten halten diesen Finanzierungsumweg für eine gewagte Methode.

„Der Volkswagen-Konzern wäre besser beraten, wenn er zur Finanzierung der Folgen des Abgasskandals direkt einen Börsengang bestimmter Konzerntöchter planen würde“, meint Dudenhöffer. „Ein Verkauf der Töchter MAN und Scania über die Börse wäre ein sauberer Schnitt, weil VW frisches Geld bekäme und der Konzern gleichzeitig in seiner Komplexität reduziert würde.“ Einen Verkauf der Nobelmarken Bentley und Lamborghini hält der Experte nicht für sinnvoll. „Das bringt wenig ein – diese Marken sind die Kinderspieleisenbahnen der Vorstandsvorsitzenden.“ Ein Verkauf der Nutzfahrzeugstöchter sei hingegen lukrativ und sinnvoll: „Lkw-Bau hat mit dem Pkw-Geschäft von VW ungefähr so viel zu tun wie Flugzeugbau mit U-Bootbau“, sagt Dudenhöffer.

Auch Audi zieht Konsequenzen

Auch die VW-Tochter Audi zieht nun Konsequenzen aus dem Abgasskandal. Volkswagen-Chef Matthias Müller hat den Vorsitz im Aufsichtsrat der Nobelmarke übernommen. Das Kontrollgremium entließ zudem am Donnerstagabend den bereits im September beurlaubten Technikvorstand Ulrich Hackenberg und holte den zu Rheinmetall gewechselten früheren Leiter der Audi-Motorentwicklung Stefan Knirsch als Nachfolger zurück nach Ingolstadt. Die US-Anwaltskanzlei Jones Day wurde beauftragt, die Hintergründe der Dieselaffäre bei Audi zu ermitteln. Vor Müller stand Ex-VW-Chef Martin Winterkorn an der Spitze des Audi-Aufsichtsrats.