Frankfurt/Main. Die Europäische Zentralbank kauft noch mehr Anleihen als bisher. Das trifft vor allem den Verbraucher. Denn die Zinsen bleiben niedrig.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Märkte weiter mit Geld fluten. Sie verlängert das sehr umstrittene Kaufprogramm für Anleihen bis mindestens März 2017. Bisher sollte im September 2016 Schluss sein. Zusätzlich müssen die Geschäftsbanken höhere Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken, statt Kredite zu vergeben. Die Notenbank senkte den Einlagenzins von -0,2 auf -0,3 Prozent.

Was bezweckt die EZB?

Die Wirtschaft im Euro-Raum erholt sich zwar, doch will die EZB diesen Trend verstärken. Niedrige Zinsen sollen Unternehmen ermuntern, Kredite aufzunehmen, zu investieren und so stärker und schneller zu wachsen. Die Banken sollen ihr Geld lieber verleihen, als es bei der Zentralbank zu parken. Außerdem will die EZB die Inflation anheizen. Zuletzt sind die Preise im Euro-Raum nur um 0,1 Prozent gestiegen. Die Zielmarke sind zwei Prozent.

Warum will die EZB Inflation?

Die EZB fürchtet nicht stagnierende sondern sinkende Preise, Deflation genannt. Was für Verbraucher durchaus angenehm ist, wenn sie weniger Geld für Heizöl und andere Produkte ausgeben müssen als noch vor einem Jahr, ist für Unternehmen ein Problem. Während ihre Einnahmen sinken, bleiben die Schulden und viele laufende Kosten (Löhne, Gehälter, Mieten) gleich hoch. Das kann an die Substanz gehen.

Wie funktioniert das Anleiheprogramm?

Momentan kauft die EZB Staatsanleihen, Pfandbriefe und Hypothekenpapiere im Wert von monatlich 60 Milliarden Euro von den Banken. Insgesamt will sie jetzt 1,5 Billionen Euro ausgeben. Die Banken erhalten so frisches Geld, das sie (im Idealfall) weiterverleihen. Und durch die hohe Anleihenachfrage bleiben die Zinsen niedrig. Das verbilligt die Kreditkonditionen für Staaten, die sich über Anleihen finanzieren. Direkt vom Herausgeber, also etwa vom deutschen Finanzminister, darf die EZB keine Anleihen kaufen. Künftig darf die EZB nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Papiere von Kommunen und Regionen kaufen, etwa Nordrhein-Westfalen- oder Berlin-Anleihen.

Welche Möglichkeiten hat die EZB noch?

Die Zentralbank könnte ihr Anleiheprogramm erweitern. Sie könnte monatlich mehr Geld in die Hand nehmen oder Unternehmensanleihen kaufen. Letzteres würde es Firmen ermöglichen, sich zu noch besseren Konditionen verschulden zu können. Der EZB-Einlagenzins könnte noch weiter sinken, so dass Banken ihr Geld gar nicht mehr bei der EZB lagern. Schließlich könnte auch der Leitzins von derzeit 0,05 Prozent auf „null“ oder gar darunter gesetzt werden. Das hätte zur Folge, dass sich Banken Geld leihen könnten und dafür sogar eine Belohnung bekämen.

Wer profitiert von den Programmen?

In erster Linie die Banken. Sie bleiben liquide. Sie erhalten genügend Geld, um die laufenden Geschäfte stemmen zu können – auch in den Krisenregionen des Euro-Raums. Die Euro-Länder profitieren, weil ihre Zinslast sinkt. Außerdem haben die Banken des jeweiligen Landes ausreichend Geld zur Verfügung, um Anleihen kaufen zu können. Banken profitieren auch als Großanleger. Die niedrigen Zinsen haben einen Börsenboom ausgelöst, weil Aktien gegenüber vielen anderen (festverzinslichen) Anlagen bevorzugt werden. Weil die EZB mit ihrer Macht die Märkte so ein Stück weit steuert, sind Spekulationen auf Aktien sicherer geworden.

Wen trifft die lockere Geldpolitik?

Vor allem die Versicherungswirtschaft ächzt unter der Last niedriger Zinsen. Sie machen es den Assekuranzen fast unmöglich, das Geld für zu zahlende Prämien zu erwirtschaften. Ähnlich geht es den Bausparkassen. Altverträge mit vergleichsweise hoher Verzinsung werden zu einer Last. Die damals gemachten Zinsversprechen können kaum eingehalten werden. Auch die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken klagen. Sie sind stärker auf das klassische Zinsgeschäft angewiesen als die Großbanken mit ihren Investmentabteilungen, die vom Börsenboom profitieren.

Was bedeutet das für den Verbraucher?

Sparer müssen sich weiter auf harte Zeiten einstellen. Tagesgeldkonten werfen derzeit im Schnitt 0,36 Prozent Zinsen ab. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Dispozinsen bleiben dagegen hoch. Wer sich allerdings verschuldet, muss erst einmal keine steigenden Zinsen fürchten. Die Konditionen am Immobilienmarkt dürften auf dem niedrigen Niveau verharren oder sogar noch sinken.

Wie sehen Experten die EZB-Linie?

Vor allem die Bundesbank hält die Geldflut der EZB für falsch. Präsident Jens Weidmann fürchtet, dass Regierungen sich an niedrige Zinsen gewöhnen und Reformen verschleppen könnten. Auch Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener Ifo-Instituts, hält die Krisenpolitik der EZB für übertrieben. DIW-Chef Marcel Fratzscher hingegen sieht bei der EZB noch mehr Spielraum für expansive Geldpolitik.

Was machen die USA?

Die US-Notenbank wird voraussichtlich die Zinsen ganz leicht erhöhen und so die lange Niedrigzinsphase beenden. Das wird den Dollar zum Euro stärken, was nicht nur jene Verbraucher trifft, die in den USA Urlaub machen wollen. Waren und Güter, die in Dollar bezahlt werden, etwa Öl, werden für deutsche Verbraucher tendenziell teurer.