Athen. In Athen startet ein Prozess um Schmiergeldzahlungen von 68 Millionen Euro. Auch Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer ist angeklagt.

Es ist eines der größten Verfahren in der jüngeren Geschichte der griechischen Justiz: 76 Angeklagte müssen sich ab Freitag in Athen vor Gericht verantworten. Es geht um angebliche Schmiergeldzahlungen, die der Siemens-Konzern gezahlt haben soll, um einen Großauftrag an Land zu ziehen. Auf Bestechung steht in Griechenland lebenslange Haft.

1997 bekam Siemens nach langen Verhandlungen einen lukrativen Auftrag der damals staatseigenen griechischen Fernmeldebehörde OTE zur Umstellung des analogen griechischen Telefonnetzes auf Digitaltechnik. Schmiergelder von rund 68 Millionen Euro sollen an damalige griechische Entscheider geflossen sein, um das Geschäft abzuschließen, so die Anklage.

Nach neun Jahren startet das Hauptverfahren

Die Mühlen der griechischen Justiz mahlen allerdings langsam. Seit neun Jahren wird bereits ermittelt, aber erst in diesem Frühjahr wurde das Hauptverfahren eröffnet. Vier der ursprünglich 80 Angeklagten sind bereits verstorben. Verhandelt wird ab Freitag gegen griechische Politiker und Manager der Telefongesellschaft, die Schmiergelder angenommen haben sollen, sowie 13 ehemalige Siemens-Manager, die angeblich an der Bestechung beteiligt waren oder davon gewusst haben sollen. Zu ihnen gehören der frühere Vorstandschef Heinrich von Pierer und der frühere Siemens-Vorstand Volker Jung, seinerzeit Aufsichtsratsvorsitzender bei der griechischen Konzerntochter Siemens Hellas.

Dass Siemens in den fraglichen Jahren in Griechenland Aufträge mit Schmiergeldzahlungen akquirierte, hat auch die deutsche Justiz bereits festgestellt. 2012 hatte sich Siemens in der Affäre mit dem griechischen Staat außergerichtlich auf einen Vergleich geeinigt: Der Konzern verzichtete auf ausstehende Zahlungen von rund 80 Millionen Euro und versprach Investitionen in Griechenland, die Athener Regierung ließ zugleich Schadenersatzansprüche fallen. Die strafrechtlichen Verfahren gegen die früheren Siemens-Manager und die Empfänger der angeblichen Schmiergelder sind davon aber unberührt.

Die jetzt in Athen angeklagten Konzernmanager mussten sich wegen der Bestechungspraktiken bereits in Deutschland vor Gericht verantworten, wurden teils verurteilt, teils freigesprochen. Ihre Verteidiger beantragen deshalb die Einstellung des Verfahrens, weil nach dem international geltenden Rechtsgrundsatz „Ne bis in idem“ niemand wegen derselben Sache zweimal vor Gericht gestellt werden darf.

Anklageschrift liegt nur auf Griechisch vor

Die griechische Staatsanwaltschaft dagegen erklärt, es gehe um andere Vorwürfe als die bereits in Deutschland verhandelten. Das ist nicht der einzige Streitpunkt. Die 4592 Seiten lange Anklageschrift liegt nur in griechischer Sprache vor. Man habe kein Geld für eine Übersetzung, heißt es in Justizkreisen. Die deutschen Angeklagten können also gar nicht nachlesen, was ihnen vorgeworfen wird. Die Verteidiger sehen darin einen Verstoß gegen europäisches Recht.

Ob die 13 ehemaligen Siemens-Manager zum Prozess aus Deutschland anreisen, ist nach Aussage von Anwälten noch ungewiss. Am Freitag, dem ersten Verhandlungstag, wird es ohnehin nur um Formalien gehen. Beobachter schätzen, dass sich der Prozess mindestens ein Jahr hinziehen wird. Kommt es zu Verurteilungen, könnte die griechische Justiz internationale Haftbefehle gegen die deutschen Angeklagten erlassen. Selbst wenn Deutschland sie nicht ausliefern sollte, müssten sie dann bei Auslandsreisen damit rechnen, festgenommen und nach Griechenland überstellt zu werden.