Berlin. Der Tüv-Nord wirft der Regierung vor, die PKW-Motorsteuerung nicht prüfen zu dürfen. Der Verkehrsminister wehrt sich gegen Kritik.

In der VW-Affäre ist ein Streit zwischen der Bundesregierung und der zuständigen Prüfgesellschaft, dem Tüv Nord, entbrannt. Tüv-Nord-Chef Guido Rettig hatte in einem Interview der „Welt“ gefordert, dass die Regierung Prüfgesellschaften künftig auch die Untersuchung der Motorsoftware ermöglichen soll: „Wir haben leider gesetzlich keinerlei Möglichkeit, Einblicke in die Motorsteuerung und die dort verbaute Software zu nehmen“, sagte Rettig. Bei internen Prüfungen zum Abgas-Skandal habe der Tüv Nord deshalb keine Unregelmäßigkeiten entdecken können. Rettig forderte weltweit einheitliche Fahrzeugprüfstandards und betonte: „Wir setzen uns bereits seit 2007 dafür ein, den neuen realistischeren Testzyklus für Pkw einzuführen.“

„Große Verärgerung über den Tüv Nord“

Diese Äußerungen brachten Regierungskreise in Rage: „Es gibt eine große Verärgerung gegenüber dem Tüv Nord“, hieß es aus Kreisen des Verkehrsministeriums in Berlin. „Wenn über eine Weiterentwicklung der Prüfsysteme nachgedacht wird, dann sicherlich nicht in der Richtung, den Tüv Nord zu stärken – der Tüv Nord muss erst einmal eigene Versäumnisse erklären“. Einem Sprecher des Bundesverkehrsministeriums zufolge wurden Vertreter des Tüv Nord für Dienstag in die von Minister Alexander Dobrindt (CSU) einberufene Untersuchungskommission bestellt.

„Wir wollen vom Tüv wissen, wieso die falschen CO2-Werte bei VW nicht erkannt worden sind“, sagte der Sprecher. „Dieser Punkt hat mit der Motorsteuerung nichts zu tun.“ Man erwartet darauf Antworten. Deutschland unterstütze die Weiterentwicklung der Prüfverfahren seit Jahren. Die EU-Staaten hätten sich auf neue Verfahren geeinigt.

„Schallende Ohrfeige für die Bundesregierung“

Als „schallende Ohrfeige für die Bundesregierung“ bezeichnete der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, Rettigs Kritik: „Die Prüfbehörde bestätigt die jahrelange Kumpanei zwischen Bundesregierung und Automobilbranche.“ Dobrindt werde immer stärker zum Problem inmitten der Aufklärung. „Es darf nicht sein, dass das Verkehrsministerium Prüfern verbietet, die Motorsoftware zu untersuchen – nur weil die Automobilindustrie darum bittet.“

Volkswagen teilte mit, man strebe bis zum Jahresende weltweit Vereinbarungen mit den Behörden an, um die rechtlichen Unklarheiten in Folge der Abgasmanipulation zu beenden. „Die Einigung mit den Behörden wird noch in diesem Jahr erfolgen“, sagte VW-Chef Matthias Müller den „Salzburger Nachrichten“. Zunächst komme es darauf an, die für die Kunden besten technischen Lösungen anzubieten, die von den Behörden in Europa, den USA und in allen anderen Ländern anerkannt würden. Diese sollten „in Kürze“ präsentiert werden. „Der Rückruf wird logistisch eine große Herausforderung“, sagte Müller. Je nach technischem Aufwand werde dies sicher bis Ende 2016 dauern. Müller zeigte sich zudem sicher, dass Volkswagen trotz des Abgas-Skandals den in der EU ab 2020 für Neuwagen geltenden Kohlendioxid-Grenzwert von 95 Gramm je Kilometer einhalten werde.