Berlin. 150 Mitarbeiter am Standort Koblenz wollen bis Donnerstag streiken. Gewerkschaft Ver.di droht mit weiteren Arbeitskämpfen im Weihnachtsgeschäft

Amazon ist bundesweit mit Abstand der größte Online-Händler – vor Otto und Zalando. Die Geschäfte laufen bestens. Für das Weihnachtsgeschäft erwartet das Unternehmen erneut Rekordumsätze. Dennoch weigert sich der Konzern, seine rund 10.000 Mitarbeiter nach den Tarifen des Einzelhandels zu bezahlen. Statt dessen erhalten die Beschäftigten je nach Standort unterschiedlich hohe Löhne, weniger Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld und müssen dafür zudem noch länger arbeiten, als dies in den Flächentarifen für die übrige Branche ausgehandelt wurde. Seit gut zwei Jahren streiken deshalb immer wieder Beschäftigte.

Sie wollen die Tarifflucht, wie es die Gewerkschaft Verdi nennt, ihres Arbeitgebers nicht akzeptieren. Mit dem Beginn des Weihnachtsgeschäfts forderte deshalb Verdi die Mitarbeiter am Standort Koblenz zum Streik bis einschließlich Donnerstag auf – und rund 150 Beschäftigte folgten nach Gewerkschaftsangaben dem Aufruf. „Wir fordern Amazon erneut auf, die Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel anzuerkennen“, sagte Verdi-Sekretär Hans Kroha. „Die Beschäftigten brauchen existenzsichernde, unbefristete Arbeitsbedingungen.“ Der tariflose Zustand in einem so großen Konzern sei nicht hinnehmbar.

Amazon geht davon aus, dass alle Lieferungen die Kunden erreichen

Für die Belieferung der Kunden werde der Streik in Koblenz keinen Einfluss haben, erklärte Amazon. Nach ihrer Darstellung hätten nur 50 Mitarbeiter die Arbeit niedergelegt.

Für die Koblenzer Mitarbeiter ist es bereits der vierte Streik in dieser Angelegenheit. Der erste Streik für Tarifgespräche fand im April 2013 in Bad Hersfeld statt. Seitdem wurde an den neun Standorten in Deutschland insgesamt an 80 Tagen die Arbeit niedergelegt. Mal nur in einer Niederlassung, manchmal zeitgleich an mehreren Standorten.

Und der Streik soll im laufenden Weihnachtsgeschäft fortgesetzt werden. „Koblenz ist der Auftakt. Wir streiken so lange, bis sich Amazon bewegt, mit uns Tarifverhandlungen zu führen“, zeigt sich die Verdi-Sprecherin Eva Völpel entschlossen.

Der Gewerkschaft geht es dabei nicht nur um eine grundsätzlich bessere Bezahlung, sondern vor allem um die Einbindung des Unternehmens in einen rechtsverbindlichen Tarifvertrag. Doch genau dies lehnt Amazon ab. Der Konzern bezahlt nach seinem eigenen Lohngefüge. So erhalten die Beschäftigten laut Amazon mindestens 10,36 Euro brutto die Stunde im erste Jahr, 11,64 Euro im zweiten und 12,33 Euro ab dem dritten Jahr. Im Schnitt erhielte ein Beschäftigter 10,40 Euro. Saisonkräfte wie Festangestellte bekommen dengleichen Lohn. Zur verkaufsstarken Adventszeit beschäftigt das Unternehmen in diesem Jahr nach eigenen Angaben etwa 10.000 Saisonkräfte, um die Auftragsflut zu bewältigen.

Gewerkschaft fordert Bezahlung nach dem Einzelhandelstarif

Doch diese Bezahlung reicht der Gewerkschaft nicht. Eine Eingruppierung nach den gültigen Tarifverträgen des Einzelhandels, die regional ausgehandelt werden, würde den Beschäftigten mehrere hundert Euro mehr Bruttolohn bieten, etwa zwei Tage mehr Urlaub sowie eine um gut eine Stunde kürzere Wochenarbeitszeit. So verdienen Beschäftigte in Koblenz, wo der Tarifvertrag für Rheinland-Pfalz gilt, monatlich brutto 2150 Euro – ohne Zuschläge.

Zum Vergleich: Aktuell kämen Mitarbeiter bei Amazon im ersten Beschäftigungsjahr nur auf 1685 Euro brutto ohne Zuschläge, im dritten Jahr, wo der Stundenlohn auf 12,33 Euro steigt, auf 2071 Euro, sagte der Gewerkschaftssekretär. Auch das Weihnachtsgeld falle mit 400 Euro deutlich geringer aus als im Einzelhandelstarifvertrag, wo die Unternehmen den Mitarbeitern 1343 Euro unter den Tannenbaum legen. „Die Lohnfindung ist weit entfernt von den Bedingungen unserer Tarifverträge für den Einzelhandel und der Logistik.“

Amazon steht den Forderungen gelassen gegenüber. „Amazon beweist jeden Tag, dass man auch ohne Tarifvertrag ein guter Arbeitgeber sein kann. Wir bezahlen in unseren Logistikzentren am oberen Ende dessen, was für vergleichbare Tätigkeiten üblich ist“, sagte eine Amazon-Sprecherin. Der Konzern habe 2014 allein 1200 neue Jobs geschaffen. Amazon sieht sich dabei in guter Gesellschaft: 35 Prozent aller deutschen Unternehmen hätten keinen Tarifvertrag.