Stuttgart. Ein Gutachter untersucht, ob Statements von Wiedeking Einfluss auf den VW-Börsenkurs hatten. Das Gutachten scheint ihn zu entlasten.

Im Prozess gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und dessen Finanzvorstand Holger Härter stehen zentrale Teile der Anklage laut einem Gutachten auf eher wackligen Füßen. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Managern eine Manipulation des Kapitalmarktes vor, weil sie 2008 in mehreren Pressemitteilungen und Statements ihre Pläne zur Übernahme des Branchenriesen Volkswagen verschleiert haben sollen. Die Angeklagten bestreiten das vehement.

Der Gutachter und Wirtschaftsprofessor Hans-Peter Burghof nahm nun mehrere dieser Verlautbarungen unter die Lupe – konnte nach eigener Einschätzung aber keine Einwirkung auf den VW-Börsenkurs feststellen. Die Vorstellung des Gutachtens vor dem Stuttgarter Landgericht am Donnerstag wird am Freitag fortgesetzt.

Einfluss von Firmenverlautbarungen auf Börsenkurs untersucht

In der Anklage geht es um Verlautbarungen von Porsche im Zeitraum von März bis Oktober 2008. In Pressemitteilungen, Zeitungsartikeln und Statements sollen die beiden Porsche-Manager und ihre Sprecher dementiert haben, eine Aufstockung der VW-Anteile auf 75 Prozent anzustreben. Dadurch hätte Porsche massiv Einfluss nehmen können auf den VW-Vorstand und Gewinne abführen können. Erst Ende Oktober 2008 gaben Wiedeking und Härter die Übernahmepläne bekannt, dies taten sie nach Ansicht der Ankläger aber nur unvollständig.

In seinen detailreichen Ausführungen zum 160 Seiten dicken Gutachten betonte Burghof immer wieder, wie schwierig die Einschätzung der Wirkung von Firmenverlautbarungen auf den Börsenkurs ist. So sei es unergiebig, Anleger im Nachhinein zu befragen, ob sie damals wegen einer Verlautbarung Aktien gekauft oder verkauft hätten. „Diese Leute werden tendenziell heute nicht mehr die Wahrheit sagen“, so Burghof.

Kursbeeinflussung nicht nachweisbar

Der Ökonom stellte die von der Staatsanwaltschaft beanstandeten fünf Mitteilungen sowie Zitate in Zeitungsartikeln vor und verglich sie mit dem VW-Kurs des jeweiligen Tages. Ein deutlicher Kurssprung war nur auf einem Chart für den 18. September erkennbar. Am Morgen dieses Tages war in der „Hannoverschen Allgemeinen“ ein Artikel erschienen, in dem Finanzchef Härter vor Politikern laut Teilnehmerkreisen indirekt das Ziel eines 75-Prozent-Anteils angepeilt haben soll. Im selben Artikel stellte ein Porsche-Sprecher dies aber als rein theoretische Möglichkeit und praktisch unmöglich dar.

Der Börsenchart legte zunächst nahe, dass der Zeitungsartikel eine Wirkung auf den Börsenkurs hatte. Doch selbst hier äußerte Burghof Zweifel, schließlich hatte der Bankrott der US-Bank Lehman Brothers kurz zuvor die Finanzkrise ausgelöst – aus Sicht von Burghof ist die Wirkung von Informationen auf die Börse wegen der Krise noch schwerer nachzuvollziehen. „Wir sind hier im Bereich des Marktversagens und der Spekulationsblase“, sagte der Professor. Es könnte zwar sein, dass es irgendwo auf der Welt jemanden gebe, der wegen des Artikels Transaktionen vornehme. Ob so aber der Kurs beeinflusst werde, sei unwesentlich, weil es schlicht nicht nachweisbar sei, so Burghof.

Wiedeking und Härter bestreiten Vorwürfe

Nach Darstellung von Wiedeking und Härter waren sämtliche Verlautbarungen korrekt. Einer ihrer Verteidiger, Walther Graf, wertete das Gutachten als weiteren „Sargnagel“ für die Anklage. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits zuvor Kritik an einer Vorfassung des Gutachtens geübt, aus ihrer Sicht ist die Analyse schlicht ungeeignet für das Verfahren. Der Gutachter war von den Richtern bestellt worden.

Das Thema des Gutachtens - die angebliche Einwirkung auf den Börsenpreis - ist von zentraler Bedeutung. „Das ist ein wesentlicher Punkt für das gesamte Verfahren“, sagte der Vorsitzende Richter Frank Maurer. Bei einer Verurteilung würde den Angeklagten eine hohe Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren drohen. Plänen zufolge dauert der Porsche-Prozess bis Februar.

Prozess gibt Rückblick auf Übernahmeschlacht

Der Prozess gibt einen Rückblick auf die Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche 2008/2009. Damals hatte der relativ kleine Sportwagenbauer Porsche seinen Anteil an Volkswagen - Europas größtem Autohersteller - schrittweise erhöht. Doch die hoch verschuldete Firma überhob sich, VW drehte am Ende den Spieß um und machte den Luxusauto-Hersteller seinerseits zur Tochterfirma. Die separate Dachgesellschaft Porsche SE – eine Beteiligungsfirma ohne eigene Produktion – hält heute wiederum die Mehrheit an VW. Knackpunkt des Prozesses ist die Frage, ob Wiedeking und Härter mit verdeckten Karten spielten, um die Übernahme stemmen zu können. (dpa)