Die Bahn will mehr Netz wagen: In jedem ICE soll es einen digitalen Reisebegleiter geben - und kostenloses WLAN im ganzen Zug.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bahn-Chef Rüdiger Grube haben die Absicht bekräftigt, Mobilfunk und Internet auf allen Bahnhöfen und in allen Zügen zum Standard zu machen. Beide riefen ferner in Berlin zur Teilnahme an der „Ideenschmiede“ der Bahn auf. Bei dem Wettbewerb werden Vorschläge ausgezeichnet, die das Bahnfahren attraktiver machen sollen. Es gibt drei Bahncard100 im Wert von jeweils 4090 Euro zu gewinnen.

In der ersten Klasse der Bahn gebe es bereits kostenfreies WLAN. Die zweite Klasse werde damit ausgestattet. Bahnhöfe, Nah- und Regionalverkehr sind nach Dobrindts Worten die nächsten Ziele. Für letztere seien jedoch die Länder zuständig, die im Zuge des Breitbandförderprogramm ab 2016 aber 700 Millionen Euro erhalten sollen, um die erforderliche Netzinfrastruktur zu schaffen. Ziel ist bekanntlich eine Standardbandbreite von 50 MBit.

Mobilportal mit Infotainment

Grube kündigte ein neues mobiles Internetportal an, das bereits in 160 aller 260 ICE-Züge verfügbar sei. „Die übrigen ICE-Züge folgen bis Jahresende“, sagte Grube. Auf der für Tablets und Smartphones optimierten Webseite erhalten Reisende kostenfrei einen digitalen Reisebegleiter, der über Anschlusszüge, Angebote des Bordrestaurants und Öffnungszeiten der Bahnhofs-Lounges informiert. Es öffnet sich automatisch bei WLAN-Start. Rüdiger Grube versprach kostenfreies WLAN auch in der zweiten Klasse des ICE-Netzes im Laufe des nächsten Jahres.

Später soll es um ein Städteportal erweitert werden, das touristische Tipps bietet. Nachrichten der Tagesschau und Artikel des Kundenmagazins „mobil“ sollen verfügbar sein. Zum Jahreswechsel werden auch Hörbücher, Spiele und ein Kinderbereich angeboten. Ab Frühjahr 2016 will die Bahn auch digitale Tageszeitungen in das Portal aufnehmen. In den IRE-Zügen zwischen Berlin und Hamburg will die Bahn noch in diesem Jahr Gratis-WLAN anbieten. Die Fahrpreise werden dazu nicht verändert.

Wettbewerb „Ideenschmiede“ gestartet

Beim Wettbewerb „Ideenschmiede“ sind ab sofort die Bahnkunden gefragt. In dem Onlineportal können sie vorschlagen, wie Zugfahrten angenehmer sowie Aus- und Umsteigen leichter werden kann, welche Services sie wünschen. Gefragt sind ferner individuelle Anforderungen an eine Reise. Als Beispiel präsentierte Grube die Gründerin Antonia Albert, die das Onlineportal Careship für die Seniorenbetreuung entwickelt hat. Sie nannte die Idee, persönliche Begleiter für reisende Senioren anzubieten, die zusammen mit einem Ticket gebucht werden können.

Die Ideenschmiede setzt auf Netzwerkeffekte: die 30 Vorschläge mit den meisten „Gefällt mir“-Bewertungen kommen in die engerere Wahl. Daraus wählt eine Fachjury am 3. Dezember drei Preisträger aus, deren Ideen zu Prototypen entwickelt werden. Mindestens eine der Ideen wird nach Grubes Worten umgesetzt.

Die Deutsche Bahn arbeitet zur Zeit an insgesamt 260 Digitalisierungsprojekten. Dabei fokussiert sie sich auf drei Themenbereiche: Breitband, intelligente Verkehrssysteme und neue Fahrzeugtechnologien. Um Internet in schnell fahrenden Zügen zu ermöglichen, werden neue WLAN-Repeater in ICEs nachgerüstet.

Bahn steigt Verkauf von Handy-Tickets um 70 Prozent

Apps sollen den Weg zum Bahnhof erleichtern. Als Erfolg bezeichnete Grube in diesem Zusammenhang die Navigator-App der Bahn, mit der in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits 4,5 Millionen Tickets gebucht wurden. „Das entspricht einem Plus von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagte Grube. Ferner testet die Bahn das fahrerlose Parken von Pkw am Bahnhof, fahrerlosen Bus-Linienverkehr und das fahrerlose Rangieren auf Bahngleisen. „Wir wollen als Deutsche Bahn vor der Automobilindustrie das autonome Fahren einführen. Züge ohne Lokführer können wir uns vorstellen“, so Grube.

Weitere Innovationen soll der neue Start-up-Brutkasten der Bahn hervorbringen, die „Mindbox“ in den Bögen unter dem S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Sie soll Ende des Monats ihre Arbeit aufnehmen. Ein Start-up beschäftigt sich dort mit Sensoren an Gleisen, die Bahnübergänge sicherer machen sollen. Ein anderes will ebenfalls per Sensor Weichenstörungen und damit Verspätungen reduzieren. Grube kündigte an, sämtliche Infrastrukturdaten seines 37.000 Kilometer umfassenden Schienennetzes noch in diesem Monat frei verfügbar zu machen - eine gigantische Big-Data-Spielwiese für Gründer.