Washington. Der Volkswagen-Konzern dementiert die Manipulation von Drei-Liter-Autos wie dem VW Touareg. Der Ton der US-Umweltbehörde wird rauer.

Als Volkswagen im ersten Sturm der Diesel-Betrugs-Affäre den Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn durch Porsche-Chef Matthias Müller ersetzte, geschah dies auch, um VW in Amerika Glaubwürdigkeit für einen neuen Start zu verschaffen. Neue Anschuldigungen der US-Umweltbehörde EPA könnten den Plan schon im Frühstadium zunichte gemacht haben. Wie die EPA gestern vor Journalisten in Washington berichtete, hängt auch die Edel-Marke Porsche im Skandal um manipulierte Abgaswerte mit drin. Ebenso die Ingolstädter VW-Tochter Audi. „Wir haben klare Beweise für zusätzliche Verstöße“, sagte eine Sprecherin der Umweltbehörde. „Dieselgate“ weitet sich damit erheblich aus.

Nach vorläufigen Testergebnissen der EPA sind mindestens 10.000 Autos der Modell-Reihen Porsche Cayenne, Audi Quattro A 6 und A 7, Audi A 8 , Audi 8AL, der Audi Q 5 sowie das VW-Flaggschiff Touareg betroffen, allesamt Autos der höheren Preisklassen.

Luxuswagen der Baujahre 2014 bis 2016 betroffen

Sie sollen die gesetzlichen Grenzwerte bei Stickoxiden um das Neunfache überschritten haben. Laut EPA handelt es sich um Fahrzeuge der Baujahre 2014 bis 2016. In allen Fahrzeugen seien 3,0-Liter-Dieselmotoren eingesetzt worden. Bisher hatte VW erklärt, dass ausschließlich kleinere Motoren der TDI-Baureihen mit einem Hubraum von 1,2 Litern, 1,6 Litern sowie zwei Litern mit einem sogenannten „defeat device“ (Abschaltevorrichtung) ausgerüstet gewesen seien.

Dabei handelt es sich um eine Computer-Software, die im Test-Labor die Abgaswerte bei umweltschädlichen Stickoxiden künstlich reduziert. Im normalen Straßenbetrieb waren die Werte 40 Mal höher als erlaubt. Im Zuge der Untersuchungen, die in den USA ihren Anfang nahmen, räumte VW ein, dass weltweit rund 11 Millionen Fahrzeuge der Marken VW, Seat, Skoda und Audi betroffen sind.

Allein in Deutschland müssen deshalb 2,4 Millionen ab Anfang nächsten Jahres zu Nachrüstungen in die Werkstätten. Innerhalb der Europäischen Union sind 8,5 Millionen VW-Autos mit der Schummel-Software unterwegs. Für die Beseitigung der Schäden und umfangreiche juristische Auseinandersetzungen vor allem in Amerika, wo über 300 Sammelklagen anhängig sind, wird VW nach Ansicht von Auto-Experten weit mehr als die bisher in der Bilanz zurückgestellten 7,3 Milliarden Euro aufbringen müssen.

VW dementiert Anschuldigungen

Bei einer Telefonkonferenz war den EPA-Vertretern die Verstimmung über die neuerlichen Funde, die nach dem 25. September gemacht wurden, anzuhören. „VW hat einmal mehr seine Verpflichtungen missachtet, sich an die Gesetze zu halten, die saubere Luft für alle Amerikaner sichern“, sagte EPA-Sprecherin Cynthia Giles. VW-Amerika-Sprecherin Jeannine Ginivan war für eine Stellungnahme am Montag nicht zu erreichen. In der Porsche-Zentrale in Atlanta hieß es, man werde die Anschuldigungen prüfen. Aus der Wolfsburger Konzernzentrale kam am Montagabend dagegen ein überraschend klares Dementi. In den besagten 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten sei kein Mechanismus installiert worden, „um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern“, erklärte ein Sprecher. Volkswagen werde mit der EPA gemeinsam den Sachverhalt aufklären.

Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück hatte bereit vor einer Woche in einem Interview gesagt: „Die festgestellten Verstöße bei Abgastests in den USA an Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns beziehen sich rein auf Vierzylinder-Dieselmotoren.“ Porsche habe derartige Aggregate nicht im Angebot – weder in den USA noch anderswo. „Dementsprechend ist Porsche von den Vorwürfen nicht betroffen.“

Bußgelder könnten sich auf bis zu 41.250 Dollar belaufen

In dem offiziellen Schreiben, das die EPA an vier hohe Funktionäre von VW, Porsche und Audi in Amerika geschickt hat, hört sich der Fall ganz anders an. Dort wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Autobauer in zweifacher Hinsicht gegen Regeln und Gesetze verstoßen habe: a) durch die nicht konformen Abgaswerte, b) durch den bei der Zulassung der Fahrzeuge verschwiegenen Einbau von sogenannten Hilfsgeräten („Auxiliary Emissions Control Device“, AECD), die zur Verschleierung der Abgas-Bilanz benutzt werden. Die EPA legt Wert auf die Feststellung, dass nicht jedes AECD per se gesetzeswidrig ist - „im vorliegenden Fall aber schon, weil es zur Verringerung der Abgaswerte im Testbetrieb konfiguriert war“. Für jeden Einzelfall könnten sich die Bußgelder laut EPA auf bis zu 41.250 Dollar belaufen.

Anders als in dem Mitte September öffentlich gewordenen Skandal um rund 500.000 manipulierte VW-Modelle (Jetta, Passat etc.) ist der Ton der EPA entschieden rauer geworden. Die Verantwortlichen der Automarken sind aufgefordert sich umgehend an Meetu Kaul zu wenden, den eigens für den Fall abgestellten Ermittler der EPA in Washington.