Berlin . Experten haben Preise des täglichen Bedarfs in verschiedenen europäischen Ländern verglichen. Mit teils überraschenden Ergebnissen.

Es gibt Länder in Europa, die gelten als teuer, Norwegen zum Beispiel und die Schweiz. Andere dagegen wie Polen oder die Türkei werden mit niedrigen Preisen verbunden. Aber ist das wirklich so, wenn man einige Tage oder Wochen in einem der Länder verbringt? Nicht als Urlauber mit Vollpension im Hotel, sondern als Selbstversorger? Das Europäische Statistikamt Eurostat hat sich die Preise ausgewählter Produkte des täglichen Bedarfs angesehen – mit teils überraschenden Ergebnissen, wie eine Analyse des Wirtschafts- und sozialpolitischen Instituts zeigt.

Zunächst einmal: Grundsätzlich beobachtet Eurostat regelmäßig das Preisniveau in den 28 EU-Ländern und anderen europäischen Staaten. Danach ist das Preisniveau für Konsumausgaben in Deutschland rund 1,5 Prozent höher als im Schnitt aller EU-Staaten. In Norwegen kostet derselbe standardisierte Warenkorb wie in der EU 48,1 Prozent mehr, in der Schweiz gar 54,1 Prozent. In Bulgarien ist er 51,6 Prozent günstiger, in Mazedonien sogar 53,3 Prozent. Aber das sind nur Anhaltspunkte dafür, ob es in einem Land wirklich teuer ist oder nicht.

Teure Würstchen in Deutschlands Kühltheken

Die britische Wochenzeitschrift „The Economist“ versucht es seit 1986 etwas anders und vergleicht das Preisniveau weltweit, indem es den Preis eines Big Mac, ein weltweit sehr standardisiertes Produkt, in zahlreichen Ländern in Dollar umrechnet und so vergleichbar macht. Aber wer will sich schon jeden Tag mehrmals von Hamburgern ernähren? Zudem sagt der Big-Mac-Preis wenig darüber aus, wie teuer Taxifahrten, Tiefkühlpizza oder Haarschnitt in dem jeweiligen Land sind. Eurostat betrachtet deshalb die Durchschnittspreise von deutlich mehr Produkten für den europäischen Warenkorb.

Zum Beispiel eine der urdeutschen Speisen: Frankfurter oder Wiener Würstchen. Im Durchschnitt der 21 untersuchten Länder kostet ein Kilo 7,44 Euro, in Deutschland sind es den Zahlen zufolge 10,32 Euro. Das ist sogar mehr als im Hochpreisland Norwegen (10,20 Euro). Und nur in Luxemburg und der Schweiz sind die Würste noch teurer. Fans kommen in Bulgarien (3,82) und Rumänien (4,34) am meisten auf ihre Kosten.

Gouda ist in Deutschland billiger als in den Niederlanden

Wer gern Tiefkühlpizza in den Ofen schiebt, sollte es sich den Zahlen nach noch einmal überlegen, längere Zeit auf Zypern zu verbringen. Dort kosteten 500 Gramm 5,54 Euro – deutlich mehr als in Norwegen (5,20) und Deutschland, das mit 3,71 Euro im Mittelfeld liegt. Zypern fällt auch mit den teuersten Joghurtpreisen auf: 9,41 Euro für einen Liter. Die 4,28 Euro in Italien muten da recht günstig an. In Deutschland ermittelten die Statistiker 2,94 Euro.

Interessantes liefert auch ein Vergleich der Käsepreise: Gouda ist in seinem Ursprungsland Holland mit 6,82 Euro pro Kilo teurer als in Deutschland (5,78). Günstiger gibt es ihn übrigens nur in Polen (5,26). Weit vorn hinter Norwegen und Malta ist hier überraschend Bulgarien (10,82). Die Forscher vom WSI vermuten, dass Käse in Bulgarien deshalb so teuer ist, weil das Lebensmittel auf den Speisekarten kaum eine Rolle spielt – Gouda also praktisch eine Art Luxusgut ist. Das könnte auch für Malta zutreffen.

Extreme Preisunterschiede bei Haarschnitten

Die Experten haben sich nicht nur Lebensmittel angesehen, sondern auch zum Beispiel Schusterarbeiten. Hier klaffen die Preise weit auseinander. Am teuersten ist mit deutlichem Abstand – wieder einmal – Norwegen (21,09). Am günstigsten ist Besohlen und Flicken in der Türkei (1,63). Deutschland liegt mit 9,27 Euro noch deutlich über dem Schnitt.

Extreme Unterschiede fanden die Experten auch bei Haarschnitten. Abgesehen davon, dass Männer in allen untersuchten Ländern weniger zahlen als Frauen, sind die Unterschiede enorm. In Norwegen berechnet der Friseur 84,73 für einen Damenhaarschnitt, in der Türkei nur 5,10 Euro. Männer zahlen in Norwegen 60,17 Euro. Die Türkei (4,18) muss sich hier den Polen geschlagen geben, die einen Herrenhaarschnitt für 4,02 Euro anbieten. Deutschland gehört mit 34,69 Euro (Frauen) und 20,19 Euro (Männer) zu den teureren Ländern.

Billige Butter gibt es vor allem in der Bundesrepublik

Kurios übrigens auch die Preisbandbreite bei Waschmittel. Für Belgier lohnt sich da die Fahrt über die Grenze nach Deutschland: Mit 6,11 Euro für 70 bis 90 Gramm Waschpulver (je Wäschemenge von einem Kilogramm) ist das Land am teuersten. In Deutschland kostet dieselbe Menge nur 1,87 Euro, deutlich weniger zum Beispiel als in Bulgarien (3,06). Die Maßeinheit ist in diesem Fall so gewählt, damit die Statistiker die Preise sinnvoll vergleichen können. Eine Waschmaschine nur mit einem Kilo Wäsche zu bestücken, macht praktisch eher weniger Sinn.

Konkurrenzlos billig ist in Deutschland ein halbes Pfund ungesalzene Butter mit 1,20 Euro, gefolgt von den Niederlanden mit 1,33 Euro. In Bulgarien (2,23) musste deutlich mehr bezahlt werden. Und sogar in Polen (1,37) ist Butter teurer.

Trotz der vielen Unterschiede zeigen die Detailzahlen allerdings eins ganz deutlich: Norwegen ist auch bei Betrachtung einzelner Produkte das mit Abstand teuerste Land in Europa. Bulgarien, Polen und die Türkei sind günstig – von Ausreißern wie niederländischem Käse einmal abgesehen.