Bonn. Das Zwei-Klassen-Internet steht bevor: Die Telekom will Daten schneller durchleiten, wenn dafür bezahlt wird.

Strom fürs Föhnen kostet nichts, dafür wird der Strom für den Betrieb der Mikrowelle teurer? Diesen anschaulichen Vergleich fand die „Zeit“ am Donnerstag für das, was die Telekom jetzt mit dem Internet plant: Unterschiedliche Nutzung des Internets soll unterschiedlich viel kosten. Wer seinen Kunden schnelle Daten liefern will, muss eine Gebühr zahlen. Kritiker sehen mit dem Vorstoß das befürchtete Ende der Netzneutralität gekommen.

In einer Stellungnahme auf der Internetseite der Telekom kündigte Vorstand Timotheus Höttges faktisch das Zwei-Klassen-Internet an. „Spezialdienste“ sollen vorrangig und schneller im Netz befördert werden – und mehr Geld kosten. Damit werden nicht mehr alle Daten gleich behandelt, die Infrastrukturanbieter behandeln sie also nicht mehr neutral. Höttges wörtlich: „In Zukunft wird es auch die Möglichkeit geben, einen Dienst für ein paar Euro mehr in gesicherter Qualität zu buchen.“ Wie Spiegel Online berichtet, haben andere Anbieter ähnliche Pläne.

Die USA haben eine klare Regelung

Die Ankündigung von Höttges kommt kurz nach einer Entscheidung des Europaparlaments für eine Verordnung zum Internet. Die Abgeordneten hatten mehrheitlich beschlossen, dass die Netzanbieter im Prinzip keine bestimmten Dienste gegenüber anderen bevorzugen dürfen. Die schwammigen Formulierungen regeln aber Ausnahmen nicht klar. In den USA wurde dagegen festgelegt, dass die Netzneutralität nicht angetastet wird und kein Datenverkehr Vorrang bekommen soll. Begründung der dortigen Telekommunikationsaufsicht FCC: „Das Internet ist das ultimative Werkzeug für die freie Meinungsäußerung.“

Vor allem junge Firmen hatten beklagt, dass damit neue Geschäftsmodelle erschwert werden. Die Zielgruppe fasst die Telekom auch ins Auge: Wollten sie ihre Dienste durch gute Übertragungsqualität „verbessern“, sei eine Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent nur ein „fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur“. Höttges sieht durch die EU-Regelung die Möglichkeit, „innovative Internetdienste zu entwickeln, die höhere Qualitätsansprüche haben“. Das sind dann Daten, die gegen Geld auf die Überholsputr dürfen. Die Telekom spricht dabei etwa Videokonferenzen und Online-Gaming direkt an. Sie sieht in den Einnahmemöglichkeiten einen Weg, Investitionen ins Netz zu refinanzieren.

Tim Berners-Lee, Erfinder des WWW, hatte gewarnt: Die Europaabgeordneten sollten nicht unter der Bezeichnung „Spezial-Dienste“ ein Schlupfloch ins Prinzip der Netzneutralität reißen.
Tim Berners-Lee, Erfinder des WWW, hatte gewarnt: Die Europaabgeordneten sollten nicht unter der Bezeichnung „Spezial-Dienste“ ein Schlupfloch ins Prinzip der Netzneutralität reißen. © dpa | Martial Trezzini

Julia Reda, Europaabgeordnete der Piraten und eine der engagiertesten Streiterinnen für Netzneutralität, kommentierte die Entwicklung so: „Wer sich fragt, ob ein schlechtes Gesetz zur Netzneutralität die Sitaution verschlimmert: Es animiert bereits zu Verstößen dagegen.“