Traditionswerft soll Schiffe mit Abgasfiltern modernisieren. Zudem werden Segmente für Kreuzfahrtriesen gebaut

Hamburg. Sietas ist wieder da. Deutschlands älteste Werft, die nun Pella Sietas heißt, hat den ersten größeren Auftrag nach der Übernahme durch die russische Werftengruppe Pella Ship-yard Anfang 2014 akquiriert. Das Neuenfelder Unternehmen wird drei Massengutfrachter der Reederei HJH Shipmanagement mit Abgasreinigern nachrüsten, sogenannten Scrubbern. Die Schiffe waren seinerzeit bei Sietas gebaut worden. „Wir können alle Vorarbeiten für die Abgasreiniger machen, ohne die Schiffe vorher zu begehen, denn wir haben die Konstruktionszeichnungen“, sagte Fridtjof Rohde vom Pella-Sietas-Management am Donnerstag in Neuenfelde.

In Anwesenheit von Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) unterzeichneten Werfteigner Garegin Tsaturov und Reeder Hans-Jürgen Hartmann den Vertrag für die Nachrüstung der drei Schiffe. Sie sollen für jeweils 3,5 Millionen Euro von Ende Juli an bei Sietas mit Scrubbern nachgerüstet werden. HJH Shipmanagement hat zudem die Option für die Nachrüstung von zwei weiteren Massengutfrachtern. Unternehmer Hartmann setzt die Schiffe beim Transport von Gestein aus Norwegen für den eigenen Baustoffhandel Mibau ein, an dem auch der Konzern HeidelbergCement beteiligt ist. Die Schiffe fahren fast ausschließlich in den nordeuropäischen Gewässern. Dort gelten seit Anfang 2015 strengere Grenzwerte für den Ausstoß von Schwefeldioxid. Die Reedereien müssen ihre Schiffe auf Nord- und Ostsee nun mit schwefelarmem, aber teurem Marinediesel betreiben oder Abgasfilter nachrüsten.

Der Markt für solche Scrubber kommt jetzt erst in Gang, weil die meisten Reedereien gehofft hatten, dass die Einführung der strengeren Grenzwerte für Schwefeldioxid noch einmal verschoben wird. „Der Einsatz von Marinediesel mit deutlich weniger Schwefelgehalt würde uns für unsere gesamte Flotte im Jahr fünf bis sechs Millionen Dollar mehr kosten“, sagte Hartmann. „Unsere Massengutfrachter laufen, anders als die meisten Containerschiffe, in Langzeitcharter. Deshalb haben wir die Gewissheit, dass sich die Nachrüstung mit Abgasfiltern amortisieren wird.“

Für Pella Sietas sind die Aufträge von HJH Shipmanagement wichtig, um die Zeit bis zu den geplanten ersten Neubauten zu überbrücken. Die Werft gab am Donnerstag auch bekannt, dass Schiffssegmente für die Meyer Werft in Papenburg gefertigt werden sollen. Bereits vor der Übernahme durch Pella hatte Sietas Rumpfsegmente für Meyer-Schiffe gebaut. Den Wert des neuen Auftrags teilte Pella Sietas nicht mit. Verzögern wird sich allerdings der erste Neubau in Neuenfelde unter dem Dach des russischen Investors. Der zunächst geplante Baustart eisgängiger Schiffe wurde von Mai 2015 auf Anfang 2016 verschoben. Grund dafür sei der schwache Rubel-Kurs, sagte Werfteigner Tsaturov. Pella Sietas soll die Schiffe – dem Vernehmen nach Schlepper – für das Mutterunternehmen Pella Shipyard bauen. Das Unternehmen mit Sitz bei St. Petersburg wiederum muss mit seinem Endkunden in Russland für die Schiffe einen Vertrag auf Basis eines Rubel-Preises abschließen.

Pella Sietas beschäftigt derzeit 142 Mitarbeiter, mit weiteren 13 sind laut Tsaturov Arbeitsverträge unterzeichnet. Bis Ende 2016 soll die Belegschaft in Neuenfelde auf 400 Mitarbeiter ausgebaut werden. Ende 2011 war das im Jahr 1635 gegründete Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Auch mithilfe mehrerer Millionen Euro aus einer städtischen Bürgschaft war es im letzten Moment gelungen, Sietas Anfang 2014 an Pella Shipyard zu verkaufen. „Ich freue mich auch persönlich darüber, dass Sietas mit diesem Auftrag eine neue Perspektive bekommt“, sagte Wirtschaftssenator Horch, der sich jahrelang für die Rettung von Sietas eingesetzt hatte. „Es ist für Hamburg enorm wichtig, ein international bedeutendes Zentrum der maritimen Wirtschaft zu bleiben. Ständige Innovationen wie zum Beispiel die Ausrüstung von Schiffen mit Umweltschutztechnologie sind dabei ein zentrales Element.“

Bei der Nachrüstung mit Scrubbern geht es darum, das Schwefeldioxid aus dem Abgas der Schiffsmotoren abzufangen. In einem speziellen Reaktor wird das Abgas gereinigt. Der Reinigungsprozess funktioniert wahlweise in einem offenen Kreislaufsystem unter Einsatz von Seewasser oder in einem geschlossenen Kreislauf unter Zugabe von Lösungsmitteln. Im offenen Betrieb werden die in Wasser gelösten Schwefelbestandteile während der Fahrt ins Meer abgepumpt. Die Nachrüstung der zunächst drei Massengutfrachter von HJH Shipmanagement hat Pilotcharakter. Bislang wurden fast ausschließlich Fähren und andere Passagierschiffe mit Scrubbersystemen ausgestattet. Für die Betreiber speziell von Containerschiffen stellt die Investition vor dem Hintergrund der anhaltenden Schifffahrtskrise ein hohes Risiko dar: Je nach Schiffsgröße kostet eine bordeigene Abgasreinigung zwischen drei und zehn Millionen Euro. Das System, das Pella Sietas bei den drei Schiffen installieren soll, stammt vom schwedischen Hersteller Alfa Laval.

„Mit diesen Aufträgen für den Einbau von Scrubbern steht Pella Sietas als eine der ersten Werften in Europa am Beginn eines ganz neuen Marktes“, sagte Horch, der selbst gelernter Schiffbauer ist. „Der Neubau von Handelsschiffen ist aus Deutschland fast vollständig verschwunden. Unsere heimischen Werften haben aber eine Zukunft beim Bau von Spezialschiffen und ebenso auch mit technologisch anspruchsvollen Umbauten und Nachrüstungen.“