Der Neustart der Sietas-Werft ist gut für Hamburg

Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts sprach man von „old“ und „new economy“. Als Teil der „alten“ Wirtschaft galt vor allem die Industrie, als neu und aufregend hingegen wurde die Finanzwirtschaft gepriesen und pauschal praktisch alles, was mit Computern und Internet zu tun hatte. Im Chaos der Finanzmarktkrise von 2008 und 2009 zeigte sich allerdings, dass vor allem solche Volkswirtschaften gut über die Runden kamen, die über eine starke und gesunde Industrie verfügten. Seit jenen Jahren erreichte speziell Deutschland eine wirtschaftliche Stärke, die vielen unserer Nachbarn in Europa mittlerweile längst wieder unheimlich ist.

Der Kampf um Deutschlands älteste Werft Sietas wirkte vor diesem Hintergrund in den vergangenen Jahren mitunter grotesk. Erst im letzten Moment wurde die Werft verkauft, ohne einen weiteren Auftrag und mit einer Belegschaft, die sich bereits fast völlig aufgelöst hatte. Trotzdem kaufte das russische Unternehmen Pella Shipyard die kleine Werft in Neuenfelde. Die Investoren glauben daran, dass die bislang 379 Jahre Schiffbaugeschichte im Alten Land noch nicht zu Ende sind. Mittlerweile arbeiten an der Este wieder fast 150 Schiffbauer, darunter viele ehemalige Sietas-Werker. Der Wiederaufbau von Sietas ist eine Gründungsgeschichte besonderer Art. Sie zeigt, dass Tradition ein hoher Wert sein kann. Sietas ist weithin bekannt für hervorragende Qualität. Dafür allerdings gilt es, nun neue Märkte zu finden – zu spät hatte Sietas seinerzeit erkannt, dass die Zukunft nicht im Bau von Containerschiffen und Massengutfrachtern liegt.

Mit seiner kleinen Zahl von Beschäftigten ist Sietas – das nun Pella Sietas heißt – kein Schwergewicht am Hamburger Arbeitsmarkt. Mit seiner einzigartigen Geschichte aber symbolisiert das Unternehmen die lange maritime Tradition der Hansestadt. Deshalb wäre es ein Erfolg für den Schiffbau- wie auch für den Schifffahrtsstandort Hamburg, wenn der Neustart in Neuenfelde gelingen würde. Es könnte auch ein Beweis dafür sein, dass manche Unternehmen der „very old economy“ am Ende beständiger sind als viele Luftschlösser in der virtuellen Wirtschaft heutiger Tage.