Wie sich die Handelskammer seit 1665 zum kritischen Begleiter der Politik gewandelt hat

Hamburg. An der Wiege der Handelskammer Hamburg stehen Piraten. Als acht Hamburger Schiffe samt Ladung von algerischen Seeräubern gekapert werden, beschließen die Kaufleute den Bau eigener bewaffneter Kriegsschiffe und nehmen dafür von jedem Schiff im Hafen eine Abgabe, das so genannte Convoygeld.

Am 19. Januar 1665 wählt die Kaufmannschaft sechs Seehandelskaufleute und einen Schiffer zur Commerzdeputation. Sie soll die Interessen der Kaufleute mit Nachdruck vertreten und alle „Drangsahl und Beschwerden“ für den Handel mit dem Rat besprechen, der Stadtregierung. Das ist die Geburtsstunde der Handelskammer Hamburg, die am Montag ihr 350-jähriges Jubiläum feierte.

Die Hamburger Kammer sieht sich selbst als die älteste in Deutschland. Die Bremer Kollegen bestreiten das und führen ihre Wurzeln auf 1451 zurück. Was die beiden Hansestädte aber gemeinsam haben, ist der Name der Kammer. Es gibt 78 Industrie- und Handelskammern (IHK) in Deutschland, plus zwei Handelskammern ohne Industrie – Hamburg und Bremen. Das ist ein Ausdruck langer Geschichte und starken Traditionsbewusstseins der alten Handelsstädte. Die enge Verbindung zwischen Kammer und Schifffahrt ist im größten deutschen Hafen seit 350 Jahren fest verankert. Der aktuelle Kammerpräses Fritz Horst Melsheimer ist ein Mann aus der Versicherungsbranche. Fragt man ihn nach den wichtigsten Themen, so nennt er zwei: Die Vertiefung und Verbreiterung der Elbe, um die sich Hamburg seit mehr als einem Jahrzehnt bemüht und die beim Bundesverwaltungsgericht noch nicht entschieden ist. Und die Hamburger Olympia-Bewerbung. „Dahinter steht eine Kernfrage für die Stadt“, sagt der Präses. „Will die Metropolregion Hamburg in Zukunft in der Liga der fortschrittlichen großen Metropolen spielen? Oder will Hamburg nur eine Stadt an der Elbe sein?“

So profiliert sich die Handelskammer gern, als Antreiber, Kritiker und Stachel im Fleisch des Senats. Einmal im Jahr zu Silvester, bei der Versammlung des Ehrbaren Kaufmanns, liest der Präses dem versammelten Senat die Leviten. Die letzte Veranstaltung war allerdings eher von Zustimmung für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) geprägt, und das wenige Wochen vor der Bürgerschaftswahl.

Das Kammergebäude grenzt unmittelbar an das Rathaus. Die Beziehung zwischen Politik und Wirtschaft ist in der Hansestadt eng, aber nicht immer harmonisch. Schon die Gründung vor 350 Jahren richtete sich auch gegen die Stadtregierung, die den Seehandel nicht effektiv schützen konnte. Gegenwärtig gibt es nur wenig Reibungspunkte, wird doch das Amt des Wirtschaftssenators mit Frank Horch (parteilos) von einem früheren Kammerpräses ausgeübt. Kritik kommt von anderen: Oppositionelle Unternehmer fordern mehr Transparenz in der Kammer, etwa die Offenlegung von Gehältern.

Die erste Aktion in der Kammergeschichte war übrigens ein Erfolg. Drei Jahre nachdem die Commerzdeputation die Verwaltung des „Convoygeldes“ übernommen hatte, lief mit der „Leopoldus Primus“ das erste Konvoischiff zum Schutz der Schifffahrt vom Stapel. Die Piraterie konnte so schnell und höchst erfolgreich bekämpft werden.