Joachim Gauck besucht Festakt zum 350. Geburtstag der wichtigsten Wirtschaftsinstitution in der Stadt. 1500 Gäste kommen zur Feier am Abend

Hamburg. Mit einem großen Festakt hat die Hamburger Handelskammer am Montag ihr 350-jähriges Bestehen gefeiert. Rund 1500 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, darunter zahlreiche Prominente, erlebten einen abwechslungsreichen Abend mit Reden, einem Showprogramm und einem rekordverdächtigen Büfett, das über mehrere Stockwerke von zahlreichen namhaften Hamburger Gastronomiebetrieben bereitgestellt wurde. Ehrengast des Abends war Bundespräsident Joachim Gauck.

Punkt 19 Uhr kam seine Wagenkolonne vorgefahren, Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und der Präses der Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer, begrüßten den Bundespräsidenten, der sich in der frisch umgestalteten Empfangshalle der Kammer ins Goldene Buch eintrug. Künstlicher Nebel und das Ertönen eines Schiffshorns läuteten dann den Start der Veranstaltung ein, durch welche die aus dem „Hamburg Journal“ bekannte NDR-Moderatorin Julia-Niharika Sen führte. Sie kündigte die Abspielung eines Historienfilms zur Gründung der Kammer im Jahr 1665 an, der live von einer markanten Stimme eingesprochen werden sollte. Nämlich vom Sänger und Schauspieler Volker Lechtenbrink. Doch dieser fehlte auf der Bühne. Man hatte ihn schlichtweg in der Garderobe vergessen. „Vielleicht holt man mich nächstes Mal pünktlicher“, grummelte der Schauspieler. Dann führte er doch noch in einer knappen Viertelstunde durch die Geschichte der Hamburger Institution. Als geschickte Überbrückung hatte der Kammerpräses Melsheimer seine Begrüßung der Gäste vorgezogen. „Im besten Sinne war und ist unsere Handelskammer das gemeinsame Unternehmen aller Hamburger Unternehmen. Seine Mission besteht im Eintreten für die Freiheit und Offenheit der Märkte und des Handels“, sagte Melsheimer.

Dreieinhalb Jahrhunderte seien in der Geschichte Deutschlands eine Ewigkeit, sagte Bundespräsident Gauck in seiner Ansprache. „Allein der Blick auf die letzten 100 Jahre zeigt uns, dass wir mit großem Respekt und mit Hochachtung auf das Wirken der Verantwortlichen in der Kammer zurückblicken dürfen. Sie haben es geschafft, auch in schwersten Zeiten erfolgreich für Solidität und Prosperität zu wirken.“ Damals wie heute würden Kammern gebraucht, weil sie bestimmte Werte vertreten, die auch heute noch anerkannt seien: „Der Glaube an die Kraft von Wissen und Innovation, das Bekenntnis zu Freiheit, Weltoffenheit und Freihandel und schließlich der Wille zu Selbstorganisation und Gemeinwohlorientierung.“ Die Gründung der Commerzdeputation der Hamburger Kaufleute zur Abwehr der Piraten sei die Grundlage der heutigen Bürgergesellschaft gewesen. „Sie, die Bürgergesellschaft der Gleichen, fußt auf Engagement und Selbstorganisation. Sie ist das Netzwerk, das unsere Demokratie trägt“, sagte Gauck. Zugleich ging er auf das Bild des „ehrbaren Kaufmanns" ein, dass sich bei den Kaufmanns-Deputierten herausbildete: „Sie lernten, den Blick über die enge Interessenwahrnehmung hinaus zu weiten auf die Gemeinschaft.“ Auch die Weltoffenheit der Vorfahren habe der Stadt geholfen und damit der heutigen Exportwirtschaft. „Nicht die Klage, wie der Volksmund meint, sondern neben kalkulierter Risikobereitschaft ist die Neugier des Händlers Lebenselixier.“

Bereits am Vormittag hatten die Feierlichkeiten mit einem Senatsempfang im Hamburger Rathaus begonnen. Bürgermeister Olaf Scholz und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (beide SPD) hoben in ihren Ansprachen ähnlich wie Gauck die enge Verbundenheit der Kammer-Geschichte mit jener der Stadt hervor. Eines habe die Handelskammer immer bewegt, sagte Scholz. „Etwas, das wir heute Globalisierung nennen.“ Auch die Stadt sei immer global ausgerichtet gewesen. „Diese internationale Sicht hat unser Weltbild gestaltet“, sagte Scholz. Dazu gehöre, in Frieden und Freiheit zu handeln und eine offene Stadt für andere zu sein. Auch das Werben der Kammer für Olympia passe gut in dieses Bild: „Es ist die Ausrichtung auf die Welt, die uns zu so einer Bewerbung bewegt.“

Der Bürgermeister ging auch auf die räumliche Nähe der etwas älteren Handelskammer und des jüngeren Rathauses ein sowie auf die Verbindungstür, die beide miteinander verbindet. Viele Gerüchte würden sich um diese Tür ranken, etwa zum geheimen Austausch von Papieren. Tatsächlich sei die Geschichte simpel und hänge mit dem U-Bahn-Bau 1907 zusammen. Damals habe der Ostflügel der Kammer den Bauarbeiten weichen müssen, und der Neubau der Kammer habe dann diese Verbindungstür zum Rathaus erhalten. Er selber nutze diese Tür gelegentlich, um Gäste nach vertraulichen Gesprächen hinauszubegleiten, von denen die Öffentlichkeit unten am Rathauseingang nichts mitbekommen solle, sagte der Bürgermeister.

Veit hob die Fähigkeit hervor, sich auf gesellschaftlichen Wandel und veränderte Prozesse einzustellen. Als Beispiele nannte sie die Containerterminals und die HafenCity, die den Wandel des Hafens aufzeigten. Veit nannte aber auch den Bau der Speicherstadt, den Senat und Kammer vorangetrieben hätten. Ein ganzer Stadtteil sei damals abgerissen worden. „Heute ist das wohl unvorstellbar“, so die Bürgerschaftspräsidentin. „Aber man muss etwas wagen, wenn man nicht hinterherlaufen will.“ Ein Kinderchor leitete mit dem Lied „Wenn Träume Geburtstag haben“ zum lockeren Teil des Abends über. Etwa zu einem Interview mit dem Slowaken Peter Mihók, dem Präsidenten der Weltvereinigung der Handelskammern.