Mit der Gründung des Hamburger Unternehmens vor 50 Jahren begann der Shoppingcenterboom in Deutschland. Konzernchef Alexander Otto im Abendblatt-Interview

Hamburg. Es war eine Revolution in der deutschen Einzelhandelslandschaft: Als Werner Otto vor 50 Jahren mit der Gründung des Hamburger Unternehmens ECE die Shoppingcenter nach Deutschland holte, dominierten noch kleine Läden und Warenhäuser die Städte. Anlässlich des Jubiläums empfing Bürgermeister Olaf Scholz am Dienstag den Sohn des Gründers und heutigen Chef Alexander Otto im Rathaus. Mit dem Abendblatt sprach Otto über den Boom der Einkaufszentren, Wachstumsgrenzen und neue Herausforderungen durch den Onlinehandel.

Hamburger Abendblatt:

Herr Otto, können Sie sich noch an Ihren ersten Besuch in einem Einkaufszentrum erinnern?

Alexander Otto:

Als Fünfjähriger hat mich mein Vater oft mit ins Alstertal-Einkaufszentrum genommen. Wir haben dann gemeinsam im Restaurant gegessen. Das hat mir immer ein bisschen zu lange gedauert.

Sie waren also nicht beeindruckt?

Otto:

Als Fünfjähriger hat man anderes im Kopf. Und ehrlich gesagt waren die ersten Shoppingcenter ja eher funktionale Bauten und nicht so sehr architektonische Perlen. Das hat sich erst in den späteren Jahren geändert.

Ihr Vater Werner Otto hatte mit dem Otto Versand ja schon ein großes Unternehmen in Hamburg aufgebaut, als er sich entschloss, mit ECE noch einmal in ein ganz neues Geschäftsfeld einzusteigen. Warum dieser Schritt Mitte der 1960er-Jahre?

Otto:

Mein Vater hatte die Shoppingcenter in den USA kennengelernt und war vor allem von deren Kundenfreundlichkeit begeistert. Er hat eine Marktlücke in Deutschland gesehen und seine Chance genutzt.

Erste Experimente mit Gemeinschaftswarenhäusern waren aber ein Flop.

Otto:

Ja, dieses aus Skandinavien bekannte Konzept, bei dem unterschiedliche Händler ohne räumliche Abgrenzung unter einem Dach untergebracht waren, kam nicht so gut an. Die ersten „echten“ Einkaufzentren, in denen jeder Geschäftsmann für seine Fläche verantwortlich war, erwiesen sich aber schnell als Erfolgsmodell.

Heute haben die Shoppingcenter die klassischen Warenhäuser in vielen Städten abgelöst. Woran liegt das?

Otto:

Für die Warenhäuser ist es sehr schwer, mit hochprofessionell aufgestellten Modeketten wie Zara zu konkurrieren, die ihre Kleidung selbst herstellen lassen und in den eigenen Shops in Szene setzen. Im Shoppingcenter können wir diesen Unternehmen passende Räume zur Verfügung stellen.

Nach dem Boom scheint mittlerweile aber auch für die Shoppingcenter das Ende des Wachstums erreicht zu sein.

Otto:

Die Wachstumsraten der vergangenen Jahrzehnte erreichen wir heute in Deutschland sicher nicht mehr. Viele gute Flächen in den Städten sind mittlerweile besetzt. Daher geht es für uns bei ECE jetzt auch immer mehr um die Modernisierung und Revitalisierung der bestehenden Einkaufszentren.

Wie viele neue Center haben Sie noch in der Planung?

Otto:

Europaweit planen wir derzeit ein Dutzend neuer Einkaufszentren. In Deutschland werden in diesem Jahr unter anderem neue Häuser in Kaiserslautern, Neumünster, Aachen und Ludwigsburg an den Start gehen. Expansionsschwerpunkte sind für uns auch Polen und die Türkei.

Planen Sie in Hamburg noch ein weiteres Einkaufszentrum?

Otto:

Der Hamburger Markt ist bereits relativ eng. Man muss deshalb aufpassen, dass man seine Aktivitäten nicht übertreibt. Wir haben sieben Center in der Stadt und denken derzeit über kein weiteres nach.

Wie beurteilen Sie die geplanten zusätzlichen 80.000 Quadratmeter Verkaufsfläche in der HafenCity?

Otto:

Es ist richtig, einen ökonomischen Impuls für die HafenCity zu setzen. Allerdings dürfte eine zu große Verkaufsfläche zu Problemen bei den innerstädtischen Einzelhändlern führen.

Also sind 80.000 Quadratmeter aus Ihrer Sicht zu viel?

Otto:

Es waren ja mal ursprünglich 40.000 Quadratmeter geplant gewesen. Und für diese Größenordnung gab es aus meiner Sicht auch gute Gründe.

Sie selbst hätten in der HafenCity aber auch gern ein Einkaufszentrum gebaut.

Otto:

Das ist richtig, wir hatten uns mit 40.000 Quadratmetern beworben, den Zuschlag haben andere bekommen.

Nicht wenige Menschen machen Einkaufszentren für die Probleme vieler Innenstädte verantwortlich. Ein Beispiel ist das Phoenix-Center von ECE in Harburg. Seit der Inbetriebnahme verödet die Lüneburger Straße.

Otto:

Neue Einkaufszentren haben meist zwei Effekte. Zum einen erhöhen sie die Attraktivität des jeweiligen Stadtteils, weil sie ein Kundenmagnet sind. Zum anderen können sie dazu führen, dass Händler in der näheren Umgebung Kunden verlieren. In Harburg ist aber nicht das Phoenix-Center an der Verödung der Lüneburger Straße schuld. Dort wurde einfach in den vergangenen Jahren viel zu wenig investiert. Dass es auch anders geht, zeigen andere Städte: In Braunschweig hat der innerstädtische Handel von unserem Center stark profitiert. Dort war aber auch eine sehr innovative und investitionsfreudige Kaufmannschaft aktiv.

Eine große Herausforderung für die Shoppingcenter ist der boomende Onlinehandel. Wie reagieren Sie auf die Konkurrenz aus dem Netz?

Otto:

Wir konzentrieren uns auf für Einkaufszentren wichtige Themen wie Gastronomie und Architektur. Zudem wollen wir einige Ideen aus dem Onlinehandel übernehmen. So haben wir beispielsweise einen Deliveryservice getestet, bei dem den Kunden die Einkäufe nach Hause geliefert wurden.

Das Alstertal-Einkaufszentrum haben Sie in eine Art Zukunftslabor für die Erprobung neuer Technologien verwandelt. Was davon hat sich bewährt?

Otto:

Sehr gut angekommen sind die Navigationssysteme, die den Kunden den kürzesten Weg zu einem bestimmten Shop zeigen. Auch ein interaktiver Spielplatz hat großen Anklang gefunden. Solche Systeme führen wir jetzt auch in anderen Einkaufszentren ein. Ein Shopping-Avatar, mit dem die Kunden bei Fragen kommunizieren sollten, war hingegen weniger beliebt.

Sie setzen sich stark dafür ein, dass Hamburg den Zuschlag für die Olympischen Spiele im Jahr 2024 bekommt. Was bringt das dem Einzelhandel?

Otto:

Ehrlich gesagt, engagiere ich mich vor allem für Olympia, weil ich die Ausrichtung der Spiele für eine riesige Chance für die städtebauliche Entwicklung in Hamburg halte. Die neuen Quartiere, der Sprung über die Elbe, das alles könnte langfristig auch für den Einzelhandel positiv sein. Während der Spiele selbst würden vielleicht mehr Besucher von außerhalb in unsere Einkaufszentren kommen, zugleich dürften aber auch viele Einheimische die Stadt in der Zeit meiden. Ob das Ende mehr Umsatz bringt, wage ich zu bezweifeln.