Europäer verzeichnen im vergangenen Jahr 1456 Neubestellungen. A320-Familie aus Hamburg besonders beliebt

Toulouse/Hamburg. Airbus hat es wieder einmal geschafft: Wie schon in manchen Jahren zuvor hat der europäische Flugzeugbauer auch 2014 den US-Rivalen Boeing gewissermaßen in letzter Minute bei den Neubestellungen überholt – wenn auch nur knapp: Dank eines furiosen Endspurts mit dem Abschluss von Aufträgen über 400 Jets allein im Dezember kam Airbus im vorigen Jahr auf 1456 Verkäufe. Boeing verbuchte gerade einmal 24 Bestellungen weniger.

Befürchtungen mancher Analysten, wegen des Ölpreiseinbruchs könnten neue sparsame Flugzeuge nun weniger gefragt sein, wischte Verkaufschef John Leahy in der Jahrespressekonferenz in Toulouse vom Tisch: „Die Fluggesellschaften verdienen wegen des niedrigen Ölpreises mehr Geld. Daher tendieren sie dazu, mehr neue Flugzeuge zu kaufen“, sagte Leahy.

„Wenn der größte Kostenblock einer Airline der Treibstoff ist, muss sie versuchen, den Verbrauch zu senken“, ergänzte Airbus-Chef Fabrice Brégier. Weil unsicher sei, wo der Ölpreis in einigen Jahren stehe, müssten Fluggesellschaften auch weiter in spritsparende Flieger investieren.

Zudem sitze das Unternehmen auf einem dicken Auftragspolster, schon jetzt sei die Produktion in weiten Teilen auf Jahre hinweg ausgebucht. Tatsächlich hat Airbus mit einem Auftragsbestand von 6386 Flugzeugen im Wert von rund 919 Milliarden Dollar (781 Milliarden Euro) zu Listenpreisen einen neuen Branchenrekord aufgestellt. Rein rechnerisch sorgt das Orderbuch bei der aktuellen Produktionsrate für eine Auslastung der Werke von mehr als zehn Jahren.

Bei den Neubestellungen zeigt sich, dass besonders die Kurz- und Mittelstreckenjets der A320-Familie, die überwiegend in Hamburg gefertigt werden, im Markt gut abschnitten. Auf sie entfallen 1321 Aufträge.

Nachdem der A320neo, der vor allem dank neu entwickelter Triebwerke bis zu 20 Prozent weniger Treibstoff pro Passagier verbrauchen soll als die aktuelle Ausführung, im September zum Erstflug abgehoben hatte, sei der Weg frei für die Zulassung im dritten Quartal und die ersten Auslieferungen im vierten Quartal, sagte Brégier.

In diesem Zusammenhang steht dem Flugzeugbauer eine besondere Herausforderung, die nicht zuletzt das Werk auf Finkenwerder betrifft, bevor: Die Fertigung der A320-Familie soll ohne Drosselung des Tempos vom bisherigen auf das neue Modell umgestellt werden, wobei man bis 2018 alte und neue Ausführungen der Jets gleichzeitig montieren muss.

Ein Vergleich der Bestellzahlen macht allerdings auch deutlich, dass Boeing bei den lukrativen Langstreckenjets deutlich vorn liegt: Der US-Konzern erhielt Aufträge über zusammen 324 Maschinen der Typen 777 und 787. Airbus hingegen konnte lediglich 135 Orders für die Typen A330, A350 und A380 verbuchen. Besonders beim Flaggschiff A380 tun sich die Europäer schwer, neue Kunden für den Megajet zu finden. Finanzchef Harald Wilhelm hatte im Dezember sogar ein vorzeitiges Ende des Programms ins Gespräch gebracht. Beim Hauptabnehmer dieses Typs, der arabischen Fluggesellschaft Emirates, war das nicht gut angekommen. Emirates-Chef Tim Clark fordert eine nach dem Muster des A320neo mit sparsameren Triebwerken modernisierte Variante des doppelstöckigen Fliegers und hat für eine solche Ausführung eine erneute Großbestellung in Aussicht gestellt.

Am Dienstag zeigte sich Brégier bestrebt, Zweifel an dem Prestigemodell zu zerstreuen. „Wir sind uns sicher, dass die besten Zeiten des A380 noch vor uns liegen“, sagte er. Künftig könnte das vierstrahlige Flugzeug mit neuen Motoren ausgerüstet oder als verlängerte Version ins Programm genommen werden. Auf absehbare Zeit gelte es aber, neue Kunden für die aktuelle Ausstattung zu gewinnen, sagte Brégier.

Im vergangenen Jahr kamen nach Abzug von Stornierungen nur 13 Aufträge für den A380 ein. Dem Konkurrenten Boeing ging es mit dem Spitzenmodell 747, dem ebenfalls vierstrahligen Jumbojet, jedoch nicht besser: Es gab lediglich zwei Neuaufträge – und zwei Abbestellungen.

Wie zu Jahresbeginn üblich hat Airbus mit Wirkung vom 1. Januar die Listenpreise erhöht. Sie stiegen diesmal im Schnitt um 3,27 Prozent. Ein A380 kostet jetzt 428 Millionen Dollar, der Preis für den kleinen A319 mit herkömmlichen Triebwerken wird mit 88,6 Millionen Dollar angegeben. Üblich sind allerdings Rabatte im zweistelligen Prozentbereich.

Außer dem Preis ist für den kommerziellen Erfolg der Flugzeugbauer auch die Absatzmenge maßgebend – und im Hinblick darauf lag Boeing im Jahr 2014 deutlich vorn: Die Amerikaner lieferten die Rekordzahl von 723 Jets aus, Airbus übergab den Kunden nur 629 Maschinen, das waren drei mehr als im Vorjahr.

Nach Angaben von Brégier wird die Zahl der Auslieferungen in diesem Jahr weiter leicht zunehmen. Für die A320-Familie ist bereits eine Erhöhung der Fertigungsrate von derzeit 42 Maschinen pro Monat auf 46 Jets bis zum zweiten Quartal 2016 beschlossen.

Mit Bezug auf die für 2015 erwarteten Bestellungen hielt sich Brégier am Dienstag in Toulouse noch bedeckt. Man wolle in diesem Jahr mindestens so viele Neuaufträge hereinholen wie fertige Maschinen die Werkshallen verlassen, sagte er – genauso lautete die Prognose aber auch schon zu Jahresbeginn 2014.