Wirtschaftszweig wächst laut Umfrage in diesem und im kommenden Jahr kräftig. Wegen der Rente mit 63 fehlen in immer mehr Betrieben Fachkräfte

Hamburg. Die Intersoft Consulting Services in Hammerbrook kann sich über Auftragsmangel nicht beklagen. 2014 werde mindestens das zweitbeste, wenn nicht gar das beste Jahr des Unternehmens, sagte der Vorstand des auf Datenschutz und IT-Sicherheit spezialisierten Unternehmens, Thorsten Logemann. Rund 600 Kunden hat das Beratungshaus europaweit unter Vertrag, davon 162 in Hamburg. Sie werden derzeit von 36 Mitarbeitern betreut, davon sind die Mehrzahl voll ausgebildete Juristen. Aber das ist nur eine Momentaufnahme, die sich schnell wieder ändert: „Wir stellen monatsweise ein“, sagt Logemann. Zum 1. Dezember sei ein weiterer Mitarbeiter hinzugekommen. Und bereits zum 1. Januar würden zwei weitere Stellen geschaffen. Der Firmenstandort habe sich dabei als Glücksfall erwiesen, sagt Logemann. „Hamburg ist extrem attraktiv für Mitarbeiter.“ Sie kommen aus Pullach, Leipzig oder Berlin. „Die wenigsten Mitarbeiter sind tatsächlich Hamburger“, sagt er.

Die Gründe für den Boom des Geschäfts sieht Logemann im Angebot der Intersoft: „Datenschutz und IT-Sicherheit werden immer relevanter. Gerade nach den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in der Vergangenheit werden immer mehr Verbraucher und damit auch die Unternehmen für einen ausreichenden Schutz sensibilisiert“, so der Vorstand.

Aber auch externe Gründe dürften eine Rolle spielen, denn viele Dienstleister haben derzeit Hochkonjunktur: Ingenieurbüros, Gebäudereiniger, Vermögensberater, Logistiker, Callcenter oder Werbeagenturen – sie alle berichten über eine gute Geschäftslage. Die gedämpften Konjunkturerwartungen der übrigen Wirtschaft sind bei den unternehmensnahen Dienstleistern im Norden noch nicht angekommen. Das ist das Ergebnis der sogenannten DiNo- Umfrage (Dienstleister in Norddeutschland), die jährlich vom Unternehmensverband AGA und der Creditreform Hamburg durchgeführt wird. Demnach hat der Dienstleistungssektor in Norddeutschland in diesem Jahr 37.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Das sind 43 Prozent mehr, als die Firmen in der vergangenen Umfrage prognostizierten. Auch im kommenden Jahr wollen sie einstellen: 22.500 weitere Stellen sollen hinzukommen. „Unternehmensnahe Dienstleister schreiben eine Erfolgsgeschichte für den Norden“, sagt Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA-Unternehmensverbands, der neben den Groß- und Außenhändlern auch die Dienstleister vertritt.

Besonders in Hamburg erweist sich die Branche als Jobmotor. Hier stiegen die Firmenumsätze 2014 um vier Prozent, nach nur 2,8 Prozent im Vorjahr. Für 2015 prognostizieren die befragten Hamburger Unternehmen ein Umsatzplus von 3,2 Prozent. Entsprechend hat sich der Personalbestand entwickelt: 12.500 zusätzliche Stellen haben die Hamburger Dienstleister in diesem Jahr geschaffen. Weitere 8500 sollen es im kommenden Jahr sein. Das bedeutet dann ein weiteres Plus von 2,5 Prozent. Ganz könne sich die Branche von der allgemeinen Konjunktur nicht abkoppeln, aber ein Stück weit mache sie sich davon unabhängig, sagte Nikolaus von der Decken, Geschäftsführer von Creditreform in Hamburg. „Die Dienstleister agieren sehr flexibel auf dem Markt und nehmen ihre Chancen wahr. Das macht die Stärke dieses wichtigen Wirtschaftssektors aus.“

Allerdings gebe es auch Hindernisse, so von der Decken. Ein besonderes Problem sei der fehlende Ausbau schneller Internetverbindungen, sagte der Creditreform-Chef. In Norddeutschland komme das Glasfasernetz nur schleppend voran, ganz anders als in vielen Ländern Asiens und den USA, sagte er. „Bei der Verbreitung des Breitbandangebots sind wir nur im Mittelfeld noch hinter Ländern wie Österreich und den Niederlanden“, beklagte von der Decken. Er forderte einen einheitlichen deutschen Ausbauplan für die Dateninfrastruktur, so wie es einen Bundesverkehrswegeplan gibt.

Ein weiteres Problem sei die Rente mit 63 Jahren, ergänzte AGA-Präsident Kruse. Der Umfrage zufolge haben in diesem Jahr rund 13.400 Mitarbeiter, die unter 65 sind, Rente beantragt. Mehr als 43.000 Angestellte der Branche können bis 2016 folgen. „Uns fehlen diese Fachkräfte, die wir eigentlich dringend benötigen. In einer Zeit, in der es an allen Fronten um den Kampf um die besten Köpfe geht, können wir uns so einen Ausverkauf von zum Großteil hoch ausgebildeten Kräften nicht erlauben“, sagte Kruse.