Hamburger Verbraucherzentrale startet Kampagne gegen die Einwegverpackungen beim Kaffee zum Mitnehmen

Hamburg. „Bratwurst, lecker Bratwurst“, schallt es vom Imbissstand auf der anderen Seite hinüber. „Becher, lecker Becher“, kontert eine Verbraucherschützerin schlagfertig. Doch die meisten Passanten an der Spitalerstraße verziehen kaum eine Miene. Sie gehen ihren Weg zügig weiter, schlagen sogar einen Haken, um bloß nicht angesprochen zu werden oder schauen demonstrativ weg – dabei hätte ein Geschenk auf sie gewartet. Und auch noch für das Lieblingsgetränk der Deutschen.

Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) hat am Dienstag ihre neue Kampagne gestartet. „Der Becher soll gehen“, heißt das Motto. Gemeint sind die Exemplare aus Pappe, aus denen der Kaffee zum Mitnehmen meist getrunken wird. 6,4 Milliarden Coffee-to-go-Becher mitsamt Plastikdeckel landen pro Jahr in der Bundesrepublik im Abfall. Das ist zu viel Müll, findet die Organisation. Zumal bei der Produktion eines Bechers zum Mitnehmen 110 Gramm Kohlendioxid (CO2) entsteht. Statistisch gesehen leert jeder Deutsche jährlich 80 Becher zum Mitnehmen. Umgerechnet ist jeder damit für den Ausstoß von 8,8 Kilogramm CO2 verantwortlich. Das Gas gilt als das wichtigste Treibhausgas, und seine hohe Konzentration in der Atmosphäre lässt die Temperaturen auf der Erde steigen.

„Die beste Alternative ist der Mehrwegbecher“, sagt VZHH-Umweltexperte Dirk Petersen. Der 57 Jahre alte Umweltingenieur warnt auch vor Gesundheitsgefahren durch die Einwegverpackung. „Die Becher sind innen mit Kunststoff beschichtet, von dem schädliche Stoffe an den Kaffee abgegeben werden können. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung kann nicht ausgeschlossen werden.“ Mit seiner Kampagne überzeugten Petersen und sein Team die Sparda-Bank Hamburg. Als eines von acht Projekten, die sich in Norddeutschland für mehr ökologische und soziale Nachhaltigkeit einsetzen, wurde das Projekt mit dem Sparda Horizont Award 2014 ausgezeichnet. Mit den 10.000 Euro Prämie finanzierte die VZHH die Kampagne, druckte 1000 Flugblätter und kaufte 700 Thermosbecher aus Edelstahl. Der wichtigste Vorteil steht mit schwarzer Schrift auf dem Metall: „Der ist nicht von Pappe.“

Die ersten 400 verschenkten die Verbraucherschützer an diesem neblig-trüben, nasskalten Vormittag an Passanten. „Der Becher ist absolut dicht, hält den Kaffee lange warm, und man kann ihn vernünftig in der Hand halten“, sagt Petersen. In den meisten Cafés und Bäckereien sei man damit ein gern gesehener Gast. Die Coffeeshops füllten die mitgebrachten Becher meist ohne Murren. In einem Marktcheck testeten er und seine Kollegen 14 Geschäfte in der Hansestadt. „Nur die Beschäftigten in zwei Geschäften haben klipp und klar gesagt, sie dürfen die Becher aus hygienischen Gründen nicht befüllen“, sagt Petersen. Häufig gebe es sogar Rabatte, wenn der Behälter mitgebracht werde. Die Hälfte der Anbieter hatte eigene Mehrwegbecher in Angebot. Von sechs getesteten Bechern seien aber nur zwei komplett dicht gewesen, stellten die Verbraucherschützer in Untersuchungen fest: der Kunststoffbecher von Campus Suite und der recyclebare von Lohascoffee. Am längsten warm hielt das Exemplar des fusionierten Unternehmens World Coffee/Balzac Coffee. Zwischen 4,90 Euro und 15,90 Euro wollen die Firmen für einen Mehrwegbecher haben.

Die Passanten in der Einkaufsmeile nahe dem Bahnhof freuten sich über ein Gratisexemplar. „Ich finde das fantastisch“, sagt Renate Amini. Sie sortiere zu Hause jedes kleine Fitzelchen Abfall. „Mir macht die Mülltrennung richtig Spaß“, sagt die Groß-Flottbekerin. Sie will den Edelstahlbecher nun mitnehmen, wenn sie das Haus verlässt, und eifrig gebrauchen. „Zumal wir damit ja auch viele Bäume sparen können.“ Das Wuppertaler Institut Unep hatte für das Jahr 2010 hochgerechnet, dass für den weltweiten Becherbedarf 9,4 Millionen Bäume abgeholzt, 5,7 Milliarden Liter Wasser und 293 Millionen Kilowattstunden Energie verbraucht worden seien. Nach dem Gebrauch stapeln sich die Becher auf Müllhalden oder stoßen bei der Verbrennung Treibhausgase wie CO2 oder Methan aus.

„Ich benutze den Becher auf jeden Fall“, sagt auch Cristina Dan. Allerdings will die Bergedorferin eher Tee und Wasser aus dem Becher trinken. „Ich versuche, meinen Kaffeekonsum einzuschränken, mache mir nur morgens einen starken Kaffee, der dann für den Rest des Tages wach hält.“ Der Großteil der Deutschen trinkt mehr, 165 Liter Kaffee sind es im Schnitt pro Jahr. Also fast einen halben Liter pro Tag. Auch der Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller greift unterwegs gern mal zum Coffee-to-go in der Einwegverpackung. Er hat sich bei den Verbraucherschützern eingereiht, spricht Passanten an und verschenkt die Becher. Sein Verhalten will er künftig verstärkt überdenken. „Wir haben eine Coffee-to-go-Mentalität entwickelt, bei der wir uns keine Gedanken machen, wie viel Müll wir produzieren.“

Die Verbraucherschützer hoffen, mit ihrem geschenkten Becher, den Müll zumindest ein wenig reduzieren zu können. Einen Tipp hat Petersen noch: Wer mit seinem Mehrwegbecher in den Coffeeshop geht, sollte die Füllmenge wissen, um den Beschäftigten die Arbeit zu erleichtern. Der Becher der VZHH fasst übrigens 0,3 Liter.