Interview mit Nordmetall-Präsident Thomas Lambusch über die Tarifforderung der Gewerkschaft und seine Wünsche an die Arbeitnehmer

Hamburg. Der Bundesvorstand der IG Metall hat sich festgelegt: Bis zu 5,5 Prozent mehr Lohn verlangt Deutschlands mächtigste Gewerkschaft für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in der kommenden Tarifrunde. Zudem will die IG Metall einen finanziellen und zeitlichen Anspruch auf persönliche berufliche Fortbildung und eine verbesserte Altersteilzeit durchsetzen. Das Abendblatt sprach über die Forderungen der Gewerkschaft mit Thomas Lambusch, dem Präsidenten des Arbeitgeberverbands Nordmetall.

Hamburger Abendblatt:

Die IG-Metall-Spitze spricht sich für 5,5 Prozent mehr Lohn aus. Das ist ein halber Prozentpunkt weniger als viele Gewerkschaftsbezirke zuvor gefordert haben. Überrascht Sie die Zurückhaltung der IG-Metall-Führung?

Thomas Lambusch:

Nein, die Forderung überrascht mich nicht. Offensichtlich hat auch die IG-Metall-Führung eingesehen, dass sich die Konjunktur eingetrübt hat. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist das sechste Mal in Folge gesunken. Und auch die positive Stimmung aus unserer Frühjahrsumfrage bei den norddeutschen Metall- und Elektrobetrieben zeigt sich aktuell leider nicht in den Bilanzen der Betriebe.

Das heißt, Sie halten die Forderung der IG Metall für angemessen?

Lambusch:

Nein, sie passt nicht in die Zeit und ist überzogen. Ohnehin kann ich die Rechnung der IG Metall nicht verstehen. Die Forderung orientiert sich unter anderem an der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Aber diese Zielinflationsrate hat mit der Realität nichts zu tun. Denn die tatsächliche Inflationsrate liegt bei gerade einmal 0,8 Prozent. Auch die Produktivität kann nicht für ein Lohnplus herhalten, sie ist 2013 um 0,7 Prozent gesunken. Demgegenüber sind die Löhne durch die letzten beiden Tarifabschlüsse um zehn Prozent gestiegen. Ich weiß nicht, wie die IG Metall jetzt auf 5,5 Prozent kommt.

Wie ist denn die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Metall- und Elektroindustrie im Norden?

Lambusch:

Es gibt Licht und Schatten. Auf den Werften sieht es derzeit wieder etwas besser aus. Dafür haben Betriebe in der Metall verarbeitenden Industrie zunehmend Schwierigkeiten. Gerade die Unternehmen, die stark vom Export abhängen, spüren die konjunkturelle Abschwächung besonders.

Die Laufzeit des Tarifvertrages soll nach den Vorstellungen der IG Metall bei zwölf Monaten liegen ...

Lambusch:

... das fordert die IG Metall am Anfang immer. Das ist aber Teil des Verhandlungspakets. Natürlich wäre uns ein niedriger Abschluss mit 36 Monaten Laufzeit ganz recht. Aber das ist wohl unrealistisch.

Drehen wir den Spieß um: Nun dürfen Sie als Arbeitgeber eine Forderung an die IG Metall stellen. Was wünschen Sie sich?

Lambusch:

Also, wenn ich mir tatsächlich etwas wünschen dürfte, dann würde ich gern mal über eine 40-Stunden-Woche diskutieren.

Ohne Lohnausgleich?

Lambusch:

Wenn es immer noch um Weihnachtswünsche geht, dann ja. Aber im Ernst: Ich würde mir vor allem deutlich flexiblere Arbeitszeiten wünschen. Trotz einiger Regelungen zur Flexibilisierung ist mir das aktuelle Arbeitszeitkorsett noch zu eng.

Neben der Forderung nach mehr Geld will die IG Metall auch eine neue Altersteilzeitregelung sowie eine Bildungsteilzeit einführen. Wie stehen Sie dazu?

Die Altersteilzeit ist von den drei Forderungsblöcken der Gewerkschaft der unkritischste. Denn wir müssen uns wegen der neuen Gesetzeslage ohnehin zu diesem Thema zusammensetzen. Ganz anders sieht es bei der Forderung nach einer Bildungsteilzeit aus.

Wieso? Sind Sie dagegen, dass ihre Mitarbeiter sich weiterbilden?

Lambusch:

Keinesfalls. Die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie geben jährlich im Schnitt 850 Euro pro Kopf für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter aus. In Summe reden wir von Investitionen in Höhe von acht Milliarden Euro. Die Forderung der Gewerkschaft sieht aber vor, dass der Arbeitgeber auch für Bildungsmaßnahmen der Mitarbeiter aufkommen soll, von denen der Betrieb nichts hat. Die Unternehmen sind doch keine Volkshochschulen. Deshalb sagen wir: Betrieblich notwendige Weiterbildung ja, persönliche Weiterbildung sollten die Mitarbeiter selbst tragen.

In diesem Zusammenhang fordert die IG Metall auch mehr Mitspracherecht der Betriebsräte darüber, welche Mitarbeiter zur Weiterbildung angemeldet werden.

Lambusch:

Diese Entscheidung muss beim Unternehmer liegen. Denn er muss es ja auch bezahlen. Im Übrigen ist es durchaus Praxis, dass die Betriebe solche Entscheidungen nicht am grünen Tisch treffen, sondern in den Abteilungen nachfragen, welche zusätzlichen Qualifikationen welchem Mitarbeiter angeboten werden sollen.

Jetzt geht der Verhandlungsmarathon in den sieben Bezirken wieder los. Könnte man sich dieses Prozedere nicht schenken und nur einmal zentral verhandeln?

Lambusch:

Die verschiedenen Gespräche machen Sinn, da es regional doch durchaus Unterschiede gibt – auch bei den Abschlüssen. Letztlich möchten nicht nur wir, sondern auch die IG Metall die regionalen Verhandlungen beibehalten. Das ist seit Langem Teil unserer Sozialpartnerschaft und Streitkultur in der Metall- und Elektroindustrie und funktioniert offensichtlich besser als bei der Bahn.