Bogenschießen, Minigolf, Paintball – Freizeitspaß unterm Dach boomt in Hamburg. Im Herbst und Winter laufen die Geschäfte besonders gut

Hamburg. Die schmuddelige Jahreszeit steht vor der Tür. Und viele Hamburger stellen sich dann die gleichen Fragen: Bei Regen zum Beachvolleyball? Im Herbsturm eine Runde Minigolf spielen oder Bogenschießen? Bei Wind und Wetter mit den Kindern auf den Spielplatz? Kein Problem! Auch bei Schietwetter – oder gerade dann! Denn in der Hansestadt ist all das auch drinnen möglich. Indoor ist dann wieder in. Und Outdoor out. Das Schmuddelwetter ist längst zum Geschäftsmotor geworden. Immer mehr Unternehmer bieten Freizeitspaß mit Dach über dem Kopf an. Vom Indoorspielplatz bis zur Kletterhalle, vom Hochseilgarten bis zum Soccer Feld. Selbst Ski fahren und Beachvolleyball spielen kann man schon „indoor“.

„Die Deutschen verbringen ihre Freizeit lieber drinnen als draußen“, sagt Professor Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen. Das hat die jüngste Studie zum Freizeitalltag der Bundesbürger bestätigt. „Diesem Bedürfnis kommen immer mehr Freizeitanbieter nach und verlagern typische Outdoorbeschäftigungen in die Halle“, so Reinhard. Der Trend zu Indoor-Aktivitäten basiert nicht nur auf der Wetterunabhängigkeit, sondern auch auf dem Bedürfnis der Deutschen nach hoher Qualität. Auch in der Freizeit – oder gerade dort, weil die zeitlichen Ressourcen immer geringer werden. „Daher spielen viele lieber Fußball auf einem gepflegten Feld in der Halle als auf einem kaputten Bolzplatz, oder gehen lieber in den modernen Indoorspielplatz als auf einen maroden öffentlichen Spielplatz.“ Kurz: Die Menschen suchen eine Freizeitoase und finden diese eher bei professionellen Anbietern als im öffentlichem Raum. Reinhard: „In der Stadt ist dieses Phänomen viel ausgeprägter als auf dem Land.“

Zu den neuesten Hallenunterhaltungen in Hamburg gehören Paintball und Lazerfun, die beide vor einem Jahr eröffneten und die ersten ihrer Art in der Hansestadt waren beziehungsweise noch sind. Obwohl beide dieser Funsportarten auch draußen gespielt werden können, haben sich die Firmengründer in Hamburg für die Indoorvariante entschieden. „Bei Outdoor sind die Wegfallzeiten einfach zu hoch – vor allem in Hamburg“, sagt Timo Reimer, Gründer und Geschäftsführer von der City Paintball Hamburg CPH GmbH. Weil das Wetter in der Hansestadt selbst im Sommer oft unbeständig sei, würde sich eine Indoorspielstätte schneller rentieren als eine Outdoor-Anlage. „Da Paintball vorwiegend in Gruppen ab sechs Leuten gespielt wird, muss es lange im voraus organisiert werden, um alle Beteiligten unter einen Hut zu bekommen. Bei so einer langfristigen Planung kann man sich jedoch nicht auf Wetterberichte stützen, sondern muss sich darauf verlassen, dass man am vereinbarten Termin spielen kann – und diese Garantie hat man nur indoor“, sagt Reimer, der mit seinen Partnern Andreas Kuchacz und Jörg Deponte einen sechsstelligen Betrag in das Unternehmen gesteckt hat.

Während es in Süddeutschland viele Outdoorfelder gibt, setzt sich im Norden immer mehr der Trend zu Indoor durch. Selbst in den Sommermonaten, die von der Indoor-Branche allgemein gefürchtet werden, hat das Unternehmen nur einen leichten Rückgang der Besucherzahlen registriert. „Jedoch nicht wetterbedingt, sondern wegen der Sommerferien“, so Reimer. Bis zu 200 Kunden spielen an guten Tagen in der Bramfelder Chaussee 84 die Funsportart Paintball, bei der man mit Druckluftwaffen und Farbkugeln auf gegnerische Spieler schießt. Um noch mehr Spieler anzusprechen, hat City Paintball Hamburg als erste Halle in Deutschland den Druck der Waffen gesenkt, so dass auch Jugendliche ab 14 Jahren Paintball spielen dürfen. Sonst muss man mindestens 18 Jahre alt sein.

Anderer Ort, ähnliche Auflagen: die Lasertag-Arena in der Osterfeldstraße. Hier dürfen Jugendliche ab 14 Jahren nur an ausgewählten U18-Terminen spielen. An den meisten Tagen gilt ein Mindestalter von 18 Jahren, um in den labyrinthartigen Parcours gelassen zu werden, wo die Spieler mit einem sogenannten Phaser (Lichtstrahler) Sensoren treffen und Punkte sammeln müssen. Erinnert ein bisschen an die Lichtschwerter-Kämpfe in Star Wars. Unternehmer Sven Bordis hat die Fun- und Trendsportart während eines Urlaubs in Helsinki kennengelernt und das Konzept nach Hamburg importiert. Die Investitionssumme: mehr als 300.000 Euro. Das Konzept ist aufgegangen: „Da Lasertag vielen bereits aus ,How I Met Your Mother‘ bekannt ist, wurde es in Hamburg schnell angenommen – besser als erwartet“, sagt Sven Bordis, der an den Wochenenden meistens mehrere Wochen im Voraus ausgebucht ist. 2000 bis 3000 Besucher hat er monatlich. Sein Fazit nach einem Jahr: Die Hauptsaison läuft zwar von Oktober bis März, aber selbst in diesem Sommer lief das Indoorspiel gut. So gut, dass Sven Bordis nächstes Jahr expandieren will. Einen geeigneten Ort hat er bereits gefunden. Natürlich wieder drinnen. Denn obwohl Lasertag auch draußen gespielt werden kann, hält Sven Bordis an dem Erfolgsprinzip Indoor fest. Weil sich das System bewährt hat.

Bis zu 100 Kunden hat Dubberstein pro Woche. Tendenz steigend

Von Star Wars zu Robin Hood, von Licht-Phasern zu Pfeil und Bogen – zu Norddeutschlands einziger Bogensporthalle. Mitten in Hamburg, zwischen Hoheluft, Grindelviertel, Eimsbüttel und Rotherbaum. Vor zwei Jahren hat Peter Dubberstein die zwölf Indoorbahnen für Bogenschützen eröffnet – nachdem er zuvor bereits in Schnelsen hobbymäßig eine Outdooranlage betrieben hat. Das Problem dort: das unbeständige Wetter und die Nachbarn, die sich über Lärmbelästigungen beschwert haben. „Schon damals habe ich von einer Indoor-Anlage geträumt“, sagt Peter Dubberstein, der für das Unternehmen Pfeil und Bogen einen Kredit von rund 20.000 Euro bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgenommen hat. Mit der Verlagerung seines Geschäfts von draußen nach drinnen hat der 47-Jährige mitten ins Schwarze getroffen. Mit seiner Bogenschieß-Einrichtung ohne Vereinsbindung hat Dubberstein von Anfang an schwarze Zahlen geschrieben. Erst vor ein paar Tagen hat die Bank ihn aus dem Bereich „Start up“ ausgegliedert und als normalen Geschäftskunden eingestuft. Das sei wie ein Ritterschlag gewesen, sagt Dubberstein. Zwischen 70 und 100 Kunden hat er pro Woche. Tendenz steigend. „Vor allem Firmen buchen lange im Voraus und können sich nicht nach dem Wetter richten“, sagt Dubberstein. In den ersten sechs Monaten diesen Jahres hat er bereits so viel Umsatz gemacht wie im kompletten Jahr 2013. Und die Hauptsaison in der Indoor-Branche beginnt jetzt erst.

Achim Landvogt kennt die Branche wie kaum ein anderer. Er war jahrelang Vorsitzender des Verbandes der Hallen- und Indoorspielplätze (VDH) und betreibt in Hamburg selbst den Indoorspielplatz rabatzz sowie die Indoorerlebniswelt Schwarzlichtviertel. Er beobachtet seit Jahren eine Verlagerung von Freizeitaktivitäten in die Halle. Von einem Trend möchte er jedoch nicht sprechen. „Weil ein Trend lediglich eine kurzfristige Entwicklung ist, die einmal aufflackert, dann aber auch wieder erlischt“, sagt er. „Ich gehe jedoch davon aus, dass sich Indooraktivitäten langfristig etablieren werden.“ Allerdings reiche es nicht, ein Outdoorkonzept nur nach drinnen zu verlegen. Man müsse es zudem den besonderen Begebenheiten anpassen.

Bestes Beispiel: Minigolf. In der Vergangenheit seien die meisten Versuche gescheitert, die entsprechenden Outdooranlagen einfach in ein Gebäude zu verlagern. „Das ist zu simpel gedacht“, sagt Achim Landvogt, der das totgesagte Spiel Minigolf stattdessen in einer Schwarzlichtwelt neu belebte. Mit Erfolg: Die Besucherzahlen nehmen zu. Der Umsatz im Schwarzlichtviertel, dem nach eigenen Angaben größten Indoorpark in Hamburg, liegt bei rund einer Million Euro im Jahr. Mit ihrer Idee waren Achim Landvogt und seine Frau Vorreiter, inzwischen entstehen Schwarzlichtminigolfanlagen überall in Europa. „Wir haben eine Marktlücke gefunden und geschlossen“, sagt Landvogt mit Hinblick auf das Schwarzlichtviertel und den Indoorspielplatz rabatzz, den sie vor zehn Jahren in einem ehemaligen Möbelhaus eröffnet haben.

Indoorspielplätze gehören mit zu den Pionieren der Indooraktivitäten und entstanden vor zirka 15 Jahren. Der Trend kommt aus England, Holland sowie den USA und setzte sich auch in Deutschland schnell durch, weil die Anlagen wetterunabhängig waren und eine gute Alternativnutzung von leer stehenden Tennishallen boten. „Diese waren in den 80er-Jahren im Zuge des Tennisbooms um Steffi Graf und Boris Becker aus dem Boden geschossen und standen in den 90er-Jahren zu Hunderten leer“, sagt Ulrich Hähnel, Sprecher des Verbandes der Hallen- und Indoorspielplätze (VDH). Nach Schätzungen sind bis zu 90 Prozent aller Indoorspielplätze ehemalige Tennishallen. Zirka 98 Prozent aller Einrichtungen sind in „alten“ Gebäuden untergebracht, nur zwei Prozent sind Neubauten.

Die Freizeitbranche leidet unter dem Trend zur Ganztagsbetreuung

Den größten Boom erlebte die Branche zwischen 2001 und 2005. Seit einigen Jahren wächst die Zahl der Hallen- und Indoorspielplätze nur noch gering und liegt aktuell bei rund 370. „Der Markt ist gesättigt, es gibt in Deutschland kaum noch weiße Flecken, wo sich eine Neueröffnung lohnen würde“, sagt Sprecher Ulrich Hähnel. Rund 20 Millionen Besucher registrierten die Indoorspielplätze in Deutschland im vergangenen Jahr. Bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von sieben bis acht Euro entspricht das einem Branchenumsatz von knapp 150 Millionen Euro. Sorgen bereitet dem Verband der Trend zur Ganztagsbetreuung in Schulen und Kindergärten. „Das tut der ganzen Freizeitbranche weh“, sagt Hähnel und spricht von einer „schlimmen Entwicklung“. Die Folge: Unter der Woche stehen die Einrichtungen leer, am Wochenende sind sie überfüllt. „Doch keine Einrichtung kann nur von den Wochenenden leben“, so Hähnel.

Laut einer Studie der Stiftung für Zukunftsfragen ist das Freizeitbudget in der Gesamtbevölkerung im Vergleich zu 2010 um sieben Minuten zurückgegangen – das der Jugendlichen sank sogar um ganze 36 Minuten. Dieser starke Rückgang an freier Zeit bei der jüngsten Generation kann zum Großteil auf die Ganztagesbetreuung und die Verkürzung des Abiturs auf zwölf Jahre zurückgeführt werden. Kinder und Jugendliche haben kaum noch Zeit mehr für Freizeit.

„Angesichts dieser Entwicklung wollen die Menschen immer mehr aus der Zeit rausholen – und das können sie nach ihrem subjektiven Empfinden eher drinnen als draußen“, sagt Peter Wippermann, einer der renommiertesten deutschen Trendforscher, mit Sitz in Hamburg. Im Laufe der Jahre seien aus den Weltverbesserern Selbstverbesserer geworden. Selbstoptimierer. „Die Menschen wollen Autonomie leben und nicht abhängig sein, schon gar nicht vom Wetter!“, so Wippermann. Seine Einschätzung: „Wir werden in Zukunft fast jede Art von Betätigung in die Halle verlegen.“ Die Gründe dafür: Schnelle Erreichbarkeit, Wetterunabhängigkeit, Bequemlichkeit und optimale Integration in einen Alltag, der immer enger getaktet sei. Seine Prognose: Indoor wird Lifestyle.