451 Filialen und 16.000 Mitarbeiter sollen bis Mitte 2015 zur Hamburger Gruppe wechseln. Das Kartellamt meldet bereits Bedenken an

Hamburg. Eine bedeutende Position hat Edeka schon seit Langem im deutschen Lebensmittelhandel. Kaum ein Markenartikler oder Produzent kommt an den genossenschaftlich organisierten Hamburgern vorbei. Mit einem Umsatz von gut 46 Milliarden Euro und rund 11.600 Märkten ist die Gruppe die mit Abstand größte Kette in Deutschland vor Rewe, Aldi, Lidl & Co.

Nun aber schickt sich die Gruppe mit Sitz in der City Nord an, ihre führende Position noch einmal deutlich auszubauen. Ende Juni kommenden Jahres will Edeka die 451 Filialen des Konkurrenten Kaiser’s Tengelmann übernehmen, die zuletzt einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro erzielten. 16.000 Mitarbeiter sind von dem Verkauf betroffen, der allerdings noch unter dem Vorbehalt einer Zustimmung durch die Kartellbehörden steht.

Für die Tengelmann-Gruppe ist der Ausstieg aus dem Supermarktgeschäft ein schwerer Schritt, bildete Kaiser’s doch einst die Keimzelle des Mülheimer Familienunternehmens. In den vergangenen Jahren entwickelten sich die Supermärkte aber immer mehr zu den Sorgenkindern. Während die Tochtergesellschaften Obi und Kik florieren, leidet Kaiser’s unter der Konkurrenz der Lebensmitteldiscounter, schreibt derzeit rote Zahlen.

„Wir sehen leider keine Perspektive mehr, unsere Supermärkte aus eigener Kraft zu einem profitablen Unternehmen zu machen“, sagte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Mit einem Marktanteil von nur 0,6 Prozent sei die Supermarktkette zu klein, um sich am Markt gegen die großen Konkurrenten wie Edeka oder Rewe behaupten zu können. Zu finden sind die Kaiser's- Tengelmann-Supermärkte ohnehin nur noch in Berlin und Umgebung, in München und Oberbayern und in Teilen Nordrhein-Westfalens. In Hamburg ist die Kette nicht vertreten.

„Zu erkennen, dass der Verkauf unseres Supermarktunternehmens letztlich unausweichlich wurde, war für meine Familie und mich persönlich sehr schwer“, sagte Haub. Doch biete der Schritt den Mitarbeitern immerhin eine Zukunftsperspektive.

Edeka will die Märkte von Kaiser’s Tengelmann Stück für Stück in die genossenschaftliche Struktur der Gruppe integrieren. Geplant ist, die Standorte nach und nach an selbstständige Kaufleute zu übergeben. „Dadurch ermöglichen wir vielen, vor allem jungen Menschen – auch insbesondere den Filialleiterinnen und Filialleitern von Kaiser’s Tengelmann – die Chance auf Selbstständigkeit unter einem genossenschaftlichen Dach“, sagte Edeka-Chef Markus Mosa.

Ob dabei in einigen Jahren auch der Name Kaiser’s Tengelmann auf der Strecke bleibt und durch das bekannte gelb-blaue Edeka-Logo ersetzt wird, steht zwar offiziell noch nicht fest, ist angesichts der Erfahrung bei anderen Übernahmen aber durchaus wahrscheinlich. So verleibte sich Edeka 2005 etwa den Hamburger Konkurrenten Spar ein und setzte bei den Kaufleuten der Gruppe anschließend eine Umflaggung durch. 1300 Stellen wurden gestrichen, die einstige Zentrale in Schenefeld abgewickelt.

Von Tengelmann erwarb Edeka 2009 bereits den Discounter Plus, von dem etwa 2300 Märkte in die eigene Billigkette Netto Marken-Discount integriert wurden. Geblieben ist von der Marke nur die Internetseite Plus.de, die jetzt ebenfalls, zusammen mit weiteren Onlinegesellschaften wie GartenXXL.de von Tengelmann zu Edeka wechseln soll.

Den damaligen Verkauf von Plus genehmigte das Bundeskartellamt nur mit erheblichen Bauchschmerzen und unter der Auflage, dass mehrere Hundert Filialen an Wettbewerber weitergegeben wurden. Auch diesmal stellen sich die Verantwortlichen daher in der Edeka-Zentrale darauf ein, dass die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann alles andere als ein Selbstläufer wird. Wohl auch deshalb hat man in der City Nord rund ein Dreivierteljahr bis zum endgültigen Vollzug einkalkuliert.

In ungewöhnlich großer Offenheit kündigte der Präsident des Kartellamts, Andreas Mundt, bereits am Dienstag eine intensive Prüfung des Geschäfts an. „Nach unseren Marktkenntnissen aus früheren Verfahren und nach den Ergebnissen der aktuellen Sektoruntersuchung zur Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels ist schon die jetzige Konzentration ein Problem“, fügte er hinzu. Jede weitere Konzentration werfe schwierige wettbewerbsrechtliche Fragen auf.

Aus Sicht der Behörde kommen die vier größten Spieler im deutschen Lebensmitteleinzelhandel – Edeka, Rewe, Aldi sowie die Schwarz-Gruppe mit den Lidl-Märkten und Kaufland – inzwischen auf einen Marktanteil von rund 85 Prozent. Eine Einschätzung, die man in Hamburg allerdings für deutlich überzogen hält.

Auf besonders viel Wohlwollen der Wettbewerbshüter wird Edeka jedenfalls nicht hoffen können. In der Vergangenheit schreckte die Behörde auch nicht davor zurück, mit einer Razzia die Bilanzpressekonferenz der Hamburger zu torpedieren. Dabei ging es um die Sicherstellung von Material über sogenannte Hochzeitsrabatte ohne Gegenleistung, die Edeka von seinen Lieferanten nach der Plus-Übernahme verlangt hatte. Mitte dieses Jahres kam das Kartellamt dann zu dem Ergebnis, dass Edeka seine Marktmacht auf diese Weise tatsächlich missbrauchte, und untersagte entsprechende Aktionen für die ganze Branche.

„Durch die jetzt geplante Übernahme von Kaiser’s Tengelmann wird auf jeden Fall die Vielfalt im deutschen Einzelhandel leiden“, sagt Handelsforscher Matthias Queck vom Marktinformationsdienst Planet Retail. Aus Sicht von Tengelmann sei der Verkauf allerdings durchaus konsequent. „Kaiser’s war nach dem Verkauf von Plus nur schwer überlebensfähig“, meint Queck. Der Lebensmittelhandel habe in der Gruppe kaum noch eine Rolle gespielt. Bei Edeka heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass ohne den nun geplanten Verkauf Schließungen und Personalabbau bei dem Konkurrenten wohl unausweichlich gewesen wären. Durch die Eingliederung in den Verbund der Hamburger könnte Kaiser’s Tengelmann nun hingegen von den günstigeren Beschaffungspreisen profitieren.

Edeka-Chef Mosa sieht die Übernahme jedenfalls als „Stärkung der lokalen und regionalen Wirtschaft“. Die Konzentration von Edeka-Märkten wird aus seiner Perspektive in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen „nicht signifikant“ zunehmen.