Neuer Kurz- und Mittelstreckenjet soll 20 Prozent weniger verbrauchen als bisherige Maschinen. Das erste Serienflugzeug wird in Hamburg gebaut

Hamburg. Auf diesen Moment haben Tausende Airbus-Beschäftigte auch in Hamburg jahrelang hingearbeitet: Am Donnerstag gegen Mittag rollte der weiß-blau lackierte A320 mit dem Schriftzug „neo“ am Heck auf die Startbahn in Toulouse und hob bei matter Herbstsonne zu seinem ersten Flug ab. Auf den Jet setzt man hohe Erwartungen: Er soll den Kurz- und Mittelstreckenfliegern des Herstellers, von denen seit 1987 bereits mehr als 6200 Maschinen gebaut wurden, eine ebenso erfolgreiche Zukunft sichern.

Nach zweieinhalb Stunden landete das Flugzeug mit dem Kennzeichen F-WNEO wieder in Toulouse. Im Cockpit saßen die Testpiloten Philippe Pellerin und Etienne Miche de Malleray, an Bord waren außerdem die Ingenieure Jean-Paul Lambert, Manfred Birnfeld und Sandra Bour-Schaeffer. „Ich gratuliere dem gesamten A320neo-Entwicklungsteam, der Flugbesatzung und den Teams am Boden, die diesen Erfolg ermöglicht haben“, sagte Airbus-Chef Fabrice Brégier.

Insgesamt wird die A320neo-Testflotte aus acht Flugzeugen bestehen, sechs davon werden in Hamburg montiert und getestet. Auch die erste Kundenauslieferung, die für das vierte Quartal 2015 vorgesehen ist, soll in der Hansestadt erfolgen. Auf Finkenwerder werden mehr Jets der A320-Reihe produziert als an den beiden anderen Endmontagestandorten in Toulouse und Tianjin (China) zusammen.

Im Dezember 2010 hatte sich der Airbus-Vorstand dagegen entschieden, die A320-Familie noch in diesem Jahrzehnt durch einen vollständig neu entwickelten Nachfolger zu ersetzen. Stattdessen setzte man darauf, nur die Triebwerke durch deutlich sparsamere Typen zu ersetzen. Immerhin 15 Prozent weniger Treibstoff als die bislang gefertigten Jets sollte der geplante A320neo verbrauchen. Erst vor wenigen Tagen legte Airbus noch einmal nach: Durch mehr Sitze bei gleichem Passagierkomfort soll sich die Treibstoffersparnis bis 2020 sogar auf 20 Prozent vergrößern.

Gemessen an den bisherigen Verkaufszahlen hat sich die Konzernführung richtig entschieden: Für die A320neo-Familie (die auch den A319neo und den A321neo umfasst) gingen inzwischen 3257 Festbestellungen von 60 Kunden ein. Damit kommen die Europäer auf einen Marktanteil von 60 Prozent in dieser Flugzeugkategorie. Der A320neo konkurriert mit der 737 MAX von Boeing. Der US-Konkurrent will sein neues Modell im Jahr 2017 auf den Markt bringen.

Ungeachtet des harten Wettbewerbs sendete Boeing am Donnerstag über die Kurzmitteilungsplattform Twitter eine Gratulation: „Glückwünsche an Airbus zum Erstflug des A320neo, ein Meilenstein für die gesamte Branche.“

Äußerlich unterscheidet sich der bis zu 120,5 Millionen Dollar (94 Millionen Euro) teure A320neo kaum von den bisherigen Modellen der Kurz- und Mittelstreckenflieger von Airbus. Abgesehen von den Triebwerken, die nun einen etwas größeren Durchmesser haben und den Löwenanteil der Treibstoffersparnis liefern sollen, sind die neuen Maschinen zu 95 Prozent baugleich mit den herkömmlichen. Serienmäßig hat die A320neo-Reihe verstärkte Tragflächen mit hochgebogenen Enden, sogenannte Sharklets, die jedoch bereits seit Ende 2012 als Option für die jetzige Flugzeuggeneration erhältlich sind. Sie sollen den Kerosinverbrauch um bis zu vier Prozent senken.

Nach Angaben von Brégier dürfte sich der Auftragsbestand für den A320neo bis Jahresende auf 3500 Bestellungen weiter erhöhen. Angesichts der hohen Nachfrage hat das Unternehmen bereits entschieden, die monatliche Produktionsrate von derzeit 42 Maschinen bis 2016 – wenn auch in dem neuen Werk in Mobile/Alabama der erste Jet fertiggestellt werden soll – auf 46 Flugzeuge heraufzusetzen. Derzeit wird eine weitere Ausweitung der Produktion auf 50 Stück pro Monat geprüft. Mit einer Entscheidung habe Airbus aber keine Eile, sagte Brégier.

Für das laufende Jahr rechnet Airbus-Verkaufsvorstand John Leahy mit insgesamt bis zu 1300 neuen Bestellungen für Flugzeuge des Unternehmens. Bei etwa 300 Stornierungen blieben damit unter dem Strich 1000 Aufträge in den Büchern. Mit Blick auf diese Zahlen sprach Leahy von einem der fünf erfolgreichsten Jahre in der Airbus-Geschichte. Bis zum Jahr 2033 wird der Luftverkehr laut der neuesten Marktprognose von Airbus jährlich um 4,7 Prozent wachsen, was zu einem Bedarf an rund 31.400 neuen Passagier- und Frachtflugzeugen im Wert von 4,6 Billionen Dollar führt. Im vergangenen Jahr hatte man den Bedarf noch auf 29.200 Maschinen veranschlagt. Die weltweite Passagierflotte werde sich von 18.500 Flugzeugen heute auf 37.500 Flugzeuge erhöhen.