Handelskammer stellt umstrittene Morgensprache um. Hauptgeschäftsführer: „Wir haben die Leute überfordert“

Hamburg. Die Handelskammer richtet die Hamburger Morgensprache neu aus. Die jährliche Festveranstaltung, die auf die Wurzeln der Hanse im 13. Jahrhundert verweist, ist erst 2005 eingeführt worden und gilt auch kammerintern als umstritten.

Wie das Abendblatt bereits berichtete, soll die von Kritikern als „Mummenschanz“ und „Kostümfest“ titulierte Morgensprache modernisiert werden – weg von der Zeremonie, hin zu einer hochkarätigen Vortragsveranstaltung. Wichtigste Neuerung: Die historischen Kostüme (rote Roben und schwarze Mützen), mit denen die Honoratioren der Handelskammer bisher auftraten, werden an den Haken gehängt. Am Donnerstag erklärten der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, und die Chefin der Morgensprache, die Hamburger Unternehmerin Ruth Berckholtz, die Gründe für die Änderung. „Wir sind mit dem, was wir erreichen wollen, noch nicht verstanden worden“, sagte Schmidt-Trenz. „Wir haben die Leute überfordert.“

Zugleich betonte er die gute Absicht der Veranstaltung; „Lübeck, Bremen, Rostock – alle diese Städte betonen das H in ihrem Nummernschild und heben ihre hanseatische Tradition hervor.“ In Hamburg würde das nicht gelebt, sagte Schmidt-Trenz. „Zukunft braucht aber Herkunft.“ Die Morgensprache sei eingeführt worden, um die Bedeutung der Hanse für Hamburg wieder ins Gedächtnis der Öffentlichkeit zu bringen und die Pflege der Beziehungen zu London zu stärken. Zudem sollte die Veranstaltung den Hamburger Kaufleuten die Chance einzuräumen, ihren Kunden etwas Besonderes zu bieten. Das alles habe man in eine Zeremonie verpackt. „Wir haben den Fehler gemacht, dass wir zu viel wollten“, so Schmidt-Trenz. Berckholtz ergänzte, die Hamburger hätten aus ihrer Sicht ein Stück weit „ihr hanseatisches Selbstbewusstsein verloren“.

Berckholtz ist der amtierende „Ältermann“ des Kontorvorstands der Morgensprache. Diese Funktion heißt so, auch wenn sie von einer Frau ausgeübt wird. Das solle auch so bleiben, schließlich werde die Veranstaltung der Kammer auch künftig an die hanseatische Tradition Hamburgs erinnern, sagten Berckholtz und Schmidt-Trenz. Allerdings anders als bisher.

Im Mittelpunkt der bisherigen Veranstaltungen stand eine Zeremonie, welche auf eine Schutzgemeinschaft Hamburger Kaufleute im Londoner Stalhof, einem Gelände am Nordufer der Themse, zu Beginn der Frühen Neuzeit verwies. Diese selbstverwaltete Gemeinschaft war die Keimzelle der Hanse. In der historischen Morgensprache regelten diese Kaufleute ihre Angelegenheiten und saßen zu Gericht.

In den bisherigen Morgensprache-Feiern hatten Honoratioren der Kammer diese Zeremonie nachgespielt, zuletzt sogar mit Unterstützung von Schauspielern, um dem Ablauf Schwung zu verleihen. Das sei aber schiefgelaufen, räumte Schmidt-Trenz ein. Die Zeremonie werde abgeschafft, der Kontorvorstand der Kaufmannschaft künftig im „normalen blauen Zwirn“ Einzug halten. „Weniger ist mehr“, so der Kammerchef.

Völlig möchte man auf die roten Roben aber dennoch nicht verzichten. Sie werden auf der Bühne an einem Haken hängen. Und ein einziges Mal werde Berckholtz sich den schweren Mantel auch wieder überwerfen, nämlich zu ihrer Eröffnungsrede als Ältermann. Vorträge von geladenen Gästen waren bisher das Beiwerk und werden jetzt der Hauptteil der Veranstaltung. Der frühere Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzende des Vereins Atlantik-Brücke, Friedrich Merz, werde etwas zu den aktuellen deutsch-amerikanischen Spannungen sprechen, der emeritierte Erzbischof Werner Thissen die Hamburg Rede halten. Dazu gibt es gutes Essen und Musik des Hamburger Pianisten Joja Wendt.

Und irgendwann wollen Berckholtz und Schmidt-Trenz vielleicht auch wieder zur Verkleidung zurückkehren: „Möglicherweise gelingt es, uns die Veranstaltung zu einem richtigen Hanse-Festival auszubauen, mit einem Mittelaltermarkt für alle Hamburger auf dem Adolphsplatz“, sagte Schmidt-Trenz.

Mit einer ganz anderen Aktion will sich die Handelskammer unterdessen bei jugendlichen Auszubildenden bekannter machen: Erstmals in ihrer Geschichte wirbt die ehrwürdige Institution mit Kondomen für sich. Tausende Fünferpacks mit Tutti-Frutti-Geschmack und unterschiedlichen Sprüchen wie „Erst das Vergnügen“ oder „Manche Dinge muss man nicht lernen“ sowie dem Kammeremblem versehen, sollen bei der Hanseatischen Lehrstellenbörse verteilt werden, zu der die Kammer am 23. und 24 September rund 15.000 Jugendliche erwartet.