Die Stadt ist eine Hochburg für Spezialverträge. Es geht um Yachten, Kinofilme, Flugzeuge und Diskotheken

Hamburg. Für Menschen, die zur Seekrankheit neigen, ist die Hamburger Firma Pantaenius wahrscheinlich nicht der richtige Arbeitgeber. „Rund 80 Prozent unserer Beschäftigten haben einen Sportbootführerschein“, sagt Anna Baum, Geschäftsführerin des europaweit führenden Anbieters von Yachtversicherungen. Ihr Bruder Martin Baum, ebenfalls Geschäftsführer, nennt den Grund dafür: „Das Versicherungsgeschäft kann man lernen, das Verständnis für Boote muss man haben.“

Pantaenius unterhält sogar ein Motorboot als Dienstfahrzeug: Wenige Meter hinter den Büroräumen, an den Magellanterrassen in der HafenCity, liegt die kleine Barkasse „Courtage“. Sie dient als Begleitboot bei Regatten, zu denen das Unternehmen Repräsentanten schickt, außerdem besucht man damit Kunden im Hafengebiet.

Denn Pantaenius hat zwei Geschäftszweige: Außer in der Yachtversicherung, für die 225 der 350 Beschäftigten arbeiten, ist das Unternehmen als Makler für Industrie- und Transportversicherungen tätig; diese Sparte wird von Daniel Baum, dem Bruder von Anna und Martin, geleitet.

Somit steht Pantaenius in zweifacher Hinsicht für die Stärken des Versicherungsstandorts Hamburg. Er hat zwar in den zurückliegenden Jahren unter der Verlagerungswelle in großen Konzernen stark gelitten; bekannte Namen wie die Hamburg-Mannheimer und die Volksfürsorge, lokale Leitungskompetenzen und viele Hundert Arbeitsplätze gingen verloren.

Doch noch immer zeichnet sich der Standort durch eine besondere Vielfalt des Angebots aus. „Ob Yachten, Diskotheken oder Weinberge, alles lässt sich von Hamburg aus problemlos versichern“, sagt Gabriele Rose, Geschäftsführerin der Handelskammer.

Neben dem traditionellen Geschäft mit Feuer-, Industrie- und Transportversicherungen kennzeichneten diese Spezialangebote den Finanzplatz Hamburg in besonderer Weise. „Dies und die mehr als 200 hoch spezialisierten Vermittlungsbetriebe – Makler, Assekuradeure und Mehrfachagenten – sind eine echte Stärke unserer Hansestadt.“ Mit 3000 Beschäftigten in diesem Bereich sei Hamburg die deutsche Hochburg der Branche.

Auch Pantaenius ist im Jahr 1899 als Vermittler von Unternehmensversicherungen gegründet worden. Die Yachtversicherungen kamen erst in den 1960er-Jahren auf Initiative von Harald Baum, dem Vater von Anna, Martin und Daniel, hinzu. Der Auslöser war ein Unglücksfall: Geschäftsfreunde des passionierten Seglers fragten ihn um Rat, nachdem eine Halle mit ihren wertvollen alten Yachten abgebrannt war und ihr Versicherer einen viel zu geringen Betrag erstattete, der gerade den Materialwert abdeckte und den ideellen Wert nicht berücksichtigte. Aufgrund dieser Erfahrung entwickelte Harald Baum das innovative Prinzip der „festen Taxe“ – der Versicherungswert wird zu Vertragsbeginn festgeschrieben und er orientiert sich nicht am Zeitwert, sondern am Wiederbeschaffungswert einer entsprechenden Yacht.

Technisch gesehen ist Pantaenius allerdings in der Bootssparte kein Versicherer, sondern ein sogenannter Assekuradeur. Der Hamburger Mittelständler legt zwar die Vertragsbedingungen fest, Risikoträger ist aber ein Konsortium aus etwa 30 Versicherungskonzernen.

Seit Harald Baum im Jahr 2009 die Leitung des Tagesgeschäfts an die nächste Generation übergeben hat, wurde die internationale Expansion weiter vorangetrieben. So sind die Beitragseinnahmen in der Yachtversicherung in den vergangenen zehn Jahren erheblich gestiegen. In dieser Sparte hat Pantaenius 80.000 Kunden, davon nur noch 30 Prozent in Deutschland. Seit zwei Jahren hat die Firma auch ein Büro in Australien, wo das Segeln Volkssport ist. Auf dem Heimatmarkt hingegen wird das Umfeld schwieriger, wozu das veränderte Freizeitverhalten erheblich beiträgt: „Immer weniger junge Menschen wollen das ganze Wochenende auf dem Boot verbringen“, sagt Martin Baum.

Während die Jahresprämie für einen „Optimisten“ – eine kleine Jolle für Kinder und Jugendliche – nur 25 Euro beträgt, sind für das Büro Monaco auch Beträge im oberen sechsstelligen Bereich nicht ungewöhnlich. Denn so viel kostet es, eine Luxusyacht im Wert von 200 Millionen Euro sowie die Besatzung zu versichern. Besonders die Supersegelyachten haben es Martin Baum angetan: „Durch den Einsatz von Kohlefaserwerkstoffen kann man heute 60 Meter hohe Masten bauen.“ Bevor die Hersteller dies jedoch wirklich beherrschten, führten umgeknickte Masten auf solchen Booten zu einigen teuren Schadensfällen.

Mit ähnlich glamourösen Schauplätzen hat man auch im Geschäft der DFG Deutsche FilmversicherungsGemeinschaft, hinter der der Hamburger Versicherungsmakler Burmester, Duncker & Joly steht, nicht selten zu tun. Denn die DFG mit neun Beschäftigten gehört nach eigenen Angaben zu den drei größten Filmversicherern Europas. Sie deckt 700 bis 1000 Produktionen pro Jahr ab, wobei Kinofilme und 90-minütige Fernsehproduktionen ungefähr 50 Prozent des Geschäfts ausmachen. Dazu gehörten zuletzt „Der Medicus“, „Fack ju Göhte“ und die beiden „Kokowääh“-Filme, daneben versichert die DFG Fernsehreihen wie „Wer wird Millionär“ und „Deutschland sucht den Superstar“.

Bei einem Film mit Produktionskosten von fünf Millionen Euro werde eine Prämie von im Schnitt etwa 50.000 Euro fällig, erklärt DFG-Geschäftsleiter Robert von Bennigsen. Er erinnert sich an einen spektakulären Schadensfall: „Bei den Dreharbeiten zu ‚Die wilden Kerle‘ im Jahr 2002 ist bei der damaligen Flutkatastrophe der Set weggeschwommen.“ Der häufigste Versicherungsfall ist aber der Unfall oder die Erkrankung eines Darstellers, die die Fertigstellung des Films verzögern und Mehrkosten auslösen. „Um das Risiko besser einschätzen zu können, füllen die Schauspieler für uns Gesundheitsfragebögen aus. Manche bitten wir zusätzlich noch zum Arzt, bevor wir sie versichern“, sagt von Bennigsen. „Der GAU ist der Tod eines Hauptdarstellers kurz vor Drehschluss.“ Wenn dieser – glücklicherweise äußerst seltene – Fall eintritt, kann schon mal ein Totalschaden eintreten. Die höchste von der DFG erbrachte Leistung nach dem Unfall einer Schauspielerin belief sich auf knapp zwei Millionen Euro.

Die Geschichte der DFG reicht mehr als 80 Jahre zurück, bis zu den Anfängen des Tonfilms, aber erst seit den 1950er-Jahren wird das Geschäft von Hamburg aus betrieben. Mit Beitragseinnahmen von rund zehn Millionen Euro hat die Gesellschaft einen Marktanteil von etwa 40 Prozent in Deutschland. Genau wie Pantaenius im Yachtbereich ist die DFG ein Assekuradeur, das Risiko wird von sieben Versicherungsunternehmen getragen.

Im Unterschied dazu ist Euro-Aviation selber ein Versicherer, der jedoch eine besondere Stellung einnimmt: „Wir sind in Europa der einzige Spezialversicherer für die Luftfahrt“, sagt der Vorstandsvorsitzende Michael Fischer. Mit den Linienjets der Lufthansa oder von Air Berlin befasst sich Euro-Aviation allerdings nicht. Die größten Flugzeuge im Versicherungsbestand sind Turbopropmaschinen von Regional-Airlines sowie größere Geschäftsreisejets. Gut 21.000 Luftfahrzeuge sind in Deutschland registriert, mehr als ein Viertel davon werden von Euro-Aviation versichert – vor allem sind dies Sport- und Segelflugzeuge sowie Hubschrauber.

Von den Beitragseinnahmen, die sich auf gut zwölf Millionen Euro belaufen, steuert das Geschäft im europäischen Ausland fast 25 Prozent bei. Zwar sind in diesem Sektor auch große Assekuranzunternehmen tätig, aber für so manchen speziellen Fall fehle dort das Know-how, sagt Fischer: „Wir versichern auch Flugzeuge und ihre Piloten, die für die Uno Hilfsgüter in Krisengebieten absetzen.“

Im Schnitt seien etwa 300 Schäden im Jahr abzuwickeln, meist Beschädigungen an Flugzeugen. Zu Unglücken mit Verletzten oder gar Toten komme es im Mittel nur ungefähr fünfmal im Jahr, so Fischer. Die Euro-Aviation wurde im Jahr 1994 gegründet, Eigentümer sind zwei Versicherungsmaklerfirmen in Hamburg und Dortmund sowie Michael Fischer. Das Unternehmen hat vier Beschäftigte, doch 15 bis 20 Mitarbeiter in den beiden Maklerbüros tragen ebenfalls zum Geschäft bei.

Weitaus größer, aber ebenfalls auf ein bestimmtes Marktsegment ausgerichtet sind die Grundeigentümer-Versicherung und die Kravag, eine Hamburger Tochter des R+V-Konzerns, die 179.000 Lkws im Versicherungsbestand hat. Zudem gibt es in der Hansestadt Makler, die auch Spezialgebiete bearbeiten, wie etwa die Robert Schüler KG, die maßgeschneiderte Versicherungslösungen für Weinkellereien anbietet.

Entgegen dem Branchentrend haben frühere Mitarbeiter der Allianz im Jahr 2011 sogar ein neues Versicherungsunternehmen in Hamburg gegründet. Auch die Allcura mit derzeit zwölf Beschäftigten ist jedoch hoch spezialisiert: Sie bietet Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen für Freiberufler, Manager, Vereine und Verbände an.