In der Gläubigerversammlung in Hamburg geht es für die Anleger der insolventen Windkraftfirma um sehr viel Geld

Hamburg. Es dürfte die größte Gläubigerversammlung Deutschlands werden: An diesem Dienstag kommen Anleger des insolventen Windenergieunternehmens Prokon in Hamburg zusammen. Die Halle B6 der Hamburg Messe hat Platz für mehr als 10.000 Personen. 90 Schalter sind für die Einlasskontrolle vorgesehen, 90 Hostessen werden die Veranstaltung begleiten. Zum Vergleich: Zu den Hauptversammlungen des Volkswagen-Konzerns in Hamburg kamen in den Jahren bis 2012 ungefähr 4000 Gäste, das größte deutsche Aktionärstreffen des vergangenen Jahres war die Siemens-HV in München mit gut 8000 Teilnehmern.

Es dürfte aber wohl auch nur wenige große Hauptversammlungen geben, bei denen die Stimmung im Vorfeld so aufgeheizt ist wie bei dem Gläubigertreffen des zusammengebrochenen Windparkinvestors. Denn der Insolvenzverwalter, der Hamburger Rechtsanwalt Dietmar Penzlin, hat sich in den zurückliegenden Wochen mit dem Prokon-Gründer und früheren Firmenchef Carsten Rodbertus einen heftigen Schlagabtausch in Form von Mitteilungen an die Gläubiger, aber auch auf dem juristischen Feld geliefert.

Penzlin verhalte sich „menschenverachtend“ und „infam“, so Rodbertus. Umgekehrt wirft der Insolvenzverwalter dem Ex-Geschäftsführer „wiederholte Falschdarstellungen“ vor; er agiere mit „frei erfundenen“ Zahlen und verhalte sich rechtswidrig.

Die im Jahr 1995 gegründete Prokon mit Sitz in Itzehoe hatte im Januar Insolvenzantrag gestellt. Zur Finanzierung der zuletzt 314 Windkraftanlagen hatte Rodbertus bei 75.000 Anlegern 1,4 Milliarden Euro in der Form sogenannter Genussrechtskapitals eingeworben, indem er den Investoren eine Verzinsung von bis zu acht Prozent pro Jahr versprach.

Zwar geht es in der Gläubigerversammlung formal nur darum, den Insolvenzverwalter mit einem Sanierungsplan zu beauftragen. Aber Penzlin hat schon durchblicken lassen, was er vorhat. Er will das Kerngeschäft fortführen und andere Konzernteile möglichst verkaufen, außerdem prüft er den Einstieg eines strategischen Investors.

Die Anleger könnten ihre Genussrechte entweder in Eigenkapital umwandeln, also an Prokon beteiligt bleiben, oder die Genussscheine in handelbare Anleihen tauschen, die einen Ausstieg ermöglichen würden. Von den zuletzt noch 450 Arbeitsplätzen können nach den Vorstellungen von Penzlin 300 langfristig erhalten werden.

Nach einer ersten Schätzung des Insolvenzverwalters würden die Anleger 40 bis 70 Prozent ihres Kapitals verlieren. „Die Unternehmensführung des Herrn Rodbertus hat bei den Gläubigern bisher Schäden in einer Größenordnung von mehr als einer halben Milliarde Euro verursacht“, argumentiert Penzlin. So habe Rodbertus „ungeprüft unbesicherte Kredite in Millionenhöhe vergeben“. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass noch in diesem Jahr Schadenersatzklage gegen den Ex-Chef erhoben wird. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem es unter anderem um den Verdacht des Betrugs gehe.

„Selbstverständlich gab es in der Vergangenheit auch Fehler, aus denen gelernt werden muss“, räumt Rodbertus ein und versichert, künftig nicht wieder als Geschäftsführer von Prokon tätig werden zu wollen. Eine „Zerschlagung“ des Unternehmens, wie sie Penzlin vorhabe, müsse aber abgewendet werden. Nach Auffassung von Rodbertus ist es bisher „zu keinem tatsächlichen Substanzverlust der Prokon-Genussrechte gekommen.“ Daher müsse die Firma saniert werden, „ohne dass Anleger Geld dabei verlieren“. Aus laufenden Gewinnen und bei einer auf zwei bis drei Prozent herabgesetzten Verzinsung der Genussrechte könne das Anlegerkapital zu 90 bis 100 Prozent innerhalb von höchstens fünf Jahren zurückgezahlt werden.

Dem Insolvenzverwalter wirft Rodbertus finanzielles Eigeninteresse vor: Er habe in fast 20 Jahren Tätigkeit als Gründer von Prokon insgesamt so viel Geld vom Unternehmen erhalten, wie Penzlin in den ersten zwei Monaten eingestrichen habe.

Die beiden großen Anlegerschutzorganisationen haben sich auf die Seite des Insolvenzverwalters gestellt. „Nötig ist eine professionelle Unternehmensführung – und das kann Rodbertus nicht ansatzweise leisten, auch wenn er ein genialer Verkäufer ist“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Noch deutlicher wird Daniel Bauer von Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK): „Das Konzept von Rodbertus würde in einigen Jahren zum Totalverlust für die Genussscheininhaber führen.“ Bauer erwartet, dass auf der Gläubigerversammlung die Stimmen von ungefähr 25.000 Anlegern vertreten sein werden.

Ebenso wie die DSW und die SdK, die jeweils rund 1000 Investoren vertreten, hat sich der Verein Freunde von Prokon für den von Penzlin vorgeschlagenen Kurs ausgesprochen. Dem Verein haben nach eigenen Angaben etwa 9000 Gläubiger ihre Stimme übertragen. Auf der Seite von Rodbertus hingegen steht die Arbeitsgemeinschaft für eine lebenswerte Zukunft von Prokon. Diese Vereinigung, die in den vergangenen Tagen durch Anrufe bei Anlegern massiv für sich geworben hat und einen neuen Insolvenzverwalter durchsetzen will, vertritt nach eigener Darstellung mehr als 12.000 Gläubiger. So spricht alles dafür, dass es am Dienstag spannend wird. Anlegerschützer schließen nicht aus, dass die Versammlung bis in die Nacht hinein dauert.