Am zweiten Verhandlungstag vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig tauchen die Richter tief in die norddeutsche Fauna und Flora ein

Leipzig. Löffelente, Krickente und Brandgans, Finte und Schnäpel, Wiebelschmiele und Tidenröhricht: Vögel, Fische und Uferpflanzen beherrschten die Vorträge am Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch. Am zweiten Verhandlungstag ließen sich die Richter des 7. Senats im Verfahren zur Elbvertiefung etliche Details erläutern und Fachfragen zur Flora und Fauna an der Unterelbe beantworten. Gutachter der Planungsbehörden von Hamburg und des Bundes nahmen ebenso Stellung wie jene der gegen das Planverfahren klagenden Umweltverbände BUND und Nabu.

Der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte sorgte wieder für eine zügige und verständliche Gesprächsführung. Das Gericht zeigte sich erneut auch in fachlichen Details genau informiert. Entsprechend hoch lag das Niveau der Vorträge und Nachfragen. Die Richter des Senats haben sich zudem bei Ortsterminen in Hamburg etwa am Köhlbrand in den vergangenen Monaten selbst über die Gegebenheiten vor Ort informiert.

Die Richter wollten vor allem Aufschluss darüber gewinnen, ob und in welchem Umfang die Tier- und Pflanzenwelt an der Unterelbe durch eine Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne beeinträchtigt würde. Auch die Veränderungen am Strom in den vergangenen Jahren wurden dabei diskutiert. Die Umweltverbände versuchten anhand verschiedener Beispiele deutlich zu machen, dass die Vertiefungen der vergangenen Jahrzehnte deutliche Spuren hinterlassen haben, etwa beim Uferbewuchs mit Röhricht. Die Planungsbehörden hielten mit eigenen Gutachten dagegen, wonach durch Aufschwemmung von Sedimenten an verschiedenen Stellen sogar neuer Bewuchs mit Röhricht entstanden sei.

Bei der Löffelente, einem Zugvogel, ging es um die Frage, ob die Tiere bei ihren Zwischenlandungen in Hamburg etwa am Holzhafen durch Veränderungen an der Elbe von angestammten Rastplätzen verdrängt würden. Die Planungsbehörden führten an, es gebe genügend Ausweichplätze für die Ruhezeiten der Vögel. Die Umweltverbände wiesen das zurück: „Die Auswahl, welches Rasthabitat bevorzugt wird, erfolgt durch die Löffelente selbst“, sagte einer der Gutachter der Klägerseite. Nicht ohne Grund bevorzugten sie die für sie idealen Plätze wie den Holzhafen, wo sie nicht bejagt werden dürften.

Auch Schwebstoffe im Wasser und der Sauerstoffgehalt der Elbe spielten eine Rolle, wichtige Aspekte für den Erhalt von Fischpopulationen wie denen der Finte oder des Schnäpels. Die Umweltverbände fürchten eine deutliche Verschlechterung der Wasserqualität und eine Gefährdung der Fischbestände in der Elbe, die Planungsbehörden weisen solche Prognosen zurück.

Für das Gericht geht es bei dieser umfassenden fachlichen Anhörung vor allem darum, die Prognosemethoden und Analysetechniken zu verstehen, aus denen die streitenden Parteien ihre Aus- und Vorhersagen ableiten. Der Vorsitzende Richter klopft die Planungsunterlagen und die Gegenargumente der Kläger auf Stringenz wie auch auf Widersprüchlichkeit hin ab. Erläuterungen möchte Nolte am liebsten mündlich, knapp und verständlich haben, Grafik- und Bildpräsentationen schätzt er weniger. „Bitte nur ein Bild“, sagte er einem der Gutachter bei der Beantwortung einer Frage, der dann doch zwei zeigte.

Eine Tendenz, welcher der klagenden Parteien das Gericht bei der Argumentation und beim Vortrag der Fakten eher zuneigt, ist noch immer nicht zu erkennen. Anhand der vielen Themengebiete und der immensen Fülle von Einzelpunkten, die an den jeweils drei Verhandlungstagen in dieser und in der kommenden Woche abgehandelt werden, wäre das wohl auch kaum möglich. In der zeitlich sehr dichten Erörterung lassen einzelne Gutachter immer wieder mal eine mangelnde Vorbereitung erkennen, aber das geschieht auf beiden Seiten des großen Verhandlungssaals. Rechts von der Richterbank aus gesehen haben die Vertreter der Planungsbehörden Platz genommen, links die Umweltverbände und deren Experten.

Eine entscheidende Wegmarke für das Verfahren naht in der kommenden Woche. Nach dem Vortrag aller fachlichen Aspekte muss das Gericht darüber befinden, ob das Europäische Gewässerrecht präzise genug ist, um den Fall abschließend auf nationaler Ebene beurteilen zu können, oder ob der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg angerufen werden muss.

„Beim Verfahren zur Weservertiefung vor einigen Monaten hat der 7. Senat sehr schnell Mängel im Planungsverfahren kritisiert und das Verfahren dann ausgesetzt, um vom EuGH Fragen des europäischen Wasserrechts präzisieren zu lassen“, sagte Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH). „Der bisherige Verlauf hier in Leipzig zeigt, dass das Hamburger Planungsverfahren besser vorbereitet ist als seinerzeit das Bremer. Eine Entscheidung über die Frage, ob der EuGH angerufen werden muss, wird es aber dennoch erst in der kommenden Woche geben.“

Bonz kritisierte, dass weder die Wasserstraßenverwaltung des Bundes noch die Bundesregierung ranghohe Vertreter zum Verfahren nach Leipzig entsandt hätten: „Die Fahrrinnenanpassung der Elbe ist das komplexeste Verfahren eines Infrastrukturprojekts in Deutschland während der vergangenen Jahrzehnte. Auch der Umfang des Gerichtsverfahrens macht das ja deutlich. Es geht hier letztlich um ein Projekt von nationaler Bedeutung, das entsprechend auch nationale Unterstützung braucht.“

Ein Urteil jedenfalls wird das Gericht in der kommenden Woche auch dann nicht verkünden, wenn alle fachlichen Fragen zur Zufriedenheit des Senats beantwortet sind. Optimisten aus der städtischen Politik und Hafenwirtschaft hoffen auf ein Urteil im August oder September. Spätestens dann sind die Leipziger Richter die in Deutschland wohl am besten gebildeten Experten für die Biologie der Unterelbe.