Billigflieger Ryanair peilt zunächst 150.000 Passagiere in Fuhlsbüttel an. Von Oktober an geht es nach Portugal

Hamburg. Eigentlich ist Ryanair-Chef Michael O’Leary in der Branche für öffentlichkeitswirksame Faxen und aggressive Verbalattacken auf Wettbewerber bekannt. Doch in den vergangenen Monaten ist der Ire merklich leiser geworden. Der Wandel dürfte zwei Gründe haben: Zuletzt ist der Gewinn von Europas größtem Billigflieger erstmals seit fünf Jahren nicht gestiegen, sondern gesunken. Außerdem will sich O’Leary künftig verstärkt um Geschäftsreisende bemühen, und sie könnten durch allzu derbe Auftritte abgeschreckt werden.

Geschäftskunden hat er sicher auch bei seiner jüngsten Streckenentscheidung im Blick gehabt: Von Oktober an werden die Ryanair-Jets mit dem Symbol der goldenen Harfe auf der Heckflosse erstmals regelmäßig in Hamburg abheben – täglich nach Lissabon und dreimal pro Woche nach Porto, ebenfalls in Portugal. Der Preis: ab 24,99 Euro pro Strecke. „Diese beiden neuen Dienste bringen mehr als 150.000 Fluggäste für Hamburg, unseren 13. Flughafen in Deutschland“, sagt Ryanair-Marketingmanager Colm O’Shea.

Zwar könnte der Eindruck entstehen, das Engagement in Hamburg stehe in Zusammenhang mit dem Rückzug aus Lübeck, wo der Billigflieger den Liniendienst auf den bisher drei Strecken nach Palma de Mallorca, Mailand-Bergamo und Pisa angesichts der Finanzschwierigkeiten der Lübecker Flughafengesellschaft im August einstellt. Gut möglich sei aber auch, dass die Iren ohne die Probleme in Lübeck künftig beide Hansestädte angeflogen hätten, sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg: „Das würde zur neuen Strategie von Ryanair passen.“

Denn das Unternehmen will zwar wie bisher von kleineren Flugplätzen abseits der Metropolen starten, wodurch man Gebühren spart und kurze Bodenzeiten hat. Gleichzeitig plant Ryanair aber, vermehrt die großen, zentralen Flughäfen in das Angebot aufzunehmen. Schon jetzt stehen zum Beispiel die Hauptstadtflughäfen von Brüssel, Madrid, Rom (Fiumicino) und Athen im Streckenplan. Auch im Westen Deutschlands wurde der neue Kurs bereits zum Teil umgesetzt. Dort bleibt die frühere Kampfjetbasis Weeze zwar im Programm, hat in diesem Sommer aber 18 Zielorte verloren, während Ryanair erstmals einen Jet in Köln/Bonn stationiert und die Routenauswahl dort vergrößert.

Damit greift der Billigflieger den zum Lufthansa-Konzern gehörenden Konkurrenten Germanwings direkt an, ebenso wie demnächst in Hamburg. Gerade hier verbessere die neue Zurückhaltung von Michael O’Leary die Voraussetzungen für einen Erfolg, meint Schellenberg: „Wenn Ryanair nun die Sticheleien weglässt, kommt das bei Hanseaten gut an.“

Der Branchenexperte sieht die beiden Hamburg-Strecken auch als Test dafür, wie sich die veränderte Ausrichtung des Billiganbieters bewährt: O’Leary hatte im vorigen Jahr beteuert, man wolle kundenfreundlicher werden. So können die Passagiere nun Sitze reservieren, außerdem wurden die bisher extrem strikten Handgepäckbestimmungen gelockert. Ende August sollen flexible Tickets für Geschäftsleute, die an ausgewählten Flughäfen zudem von einer Expressabfertigung an den Sicherheitskontrollen profitieren könnten, eingeführt werden. Damit will man den Anteil der zahlungskräftigen Geschäftsflieger von derzeit 15 Prozent auf 25 Prozent steigern.

Ryanair zählt Deutschland zu den Schlüsselmärkten für Niedrigpreisflüge

Bei der Auswahl der Zielorte für Hamburg falle jedoch auf, dass Ryanair Strecken ausgewählt habe, auf denen bisher keine andere Billigairline unterwegs ist, sagte Schellenberg: „Ryanair zeigt Respekt – das kannte man auch schon anders.“ Angesichts früherer Ankündigungen des Unternehmens ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit weitere Routen hinzukommen. „Wir zählen Deutschland zu unseren Nummer-eins-Märkten in den nächsten fünf Jahren“, hatte Marketingmanager Kenny Jacobs dem Branchenmagazin „fvw“ kürzlich gesagt.

Ähnliche Prioritäten haben aber auch mehrere Wettbewerber. So will etwa der spanische Konkurrent Vueling den Umsatz in Deutschland in diesem Jahr um 25 Prozent erhöhen. Gerade auch Hamburg Airport hat das Interesse ausländischer Günstiganbieter am deutschen Markt für sich nutzen können. In den vergangenen zwei Jahren haben unter anderem Vueling und Norwegian, ein Billigflieger aus Oslo, den Fuhlsbütteler Flughafen in das Streckennetz aufgenommen. Anfang Juli hat die türkische Pegasus Airlines einen neuen Nonstopflug zwischen Hamburg und Istanbul eingeführt.

Den größten Sprung nach vorn im unteren Preissegment brachte aber die Entscheidung des Ryanair-Rivalen EasyJet, im Frühjahr 2014 eine Basis in Hamburg einzurichten. Zunächst wurden zwei Maschinen in der Hansestadt stationiert, im November kommt ein dritter Jet hinzu. Damit wächst die Zahl der EasyJet-Zielorte auf 22, das Passagieraufkommen des britischen Billigfliegers in Hamburg soll auf eine Million Fluggäste jährlich klettern.

Diese Entwicklung dürfte den Appetit des irischen Marktführers geweckt haben, vermutet Schellenberg: „Ryanair wird sicher den Erfolg, den EasyJet in Hamburg hat, aufmerksam beobachtet haben.“