Spediteure, Terminalbetreiber und die Opposition in der Bürgerschaft wollen, dass Lastwagen am Sonntag schon um 18 Uhr auf die Straßen dürfen.

Hamburg. Es ist genauso heilig wie das Ladenschlussgesetz und auch genauso alt: Seit 58 Jahren gilt in Deutschland an Sonn- und Feiertagen zwischen 0:00 und 22 Uhr ein Fahrverbot für Lastwagen. Ursprünglich wegen der kirchlichen Sonntagsruhe eingeführt, wird die Regelung heute vor allem aus Lärm- und Umweltschutzgründen beibehalten. Zudem soll der an den Wochenenden erhöhte Ausflugsverkehr von zusätzlichen Belastungen durch Lastwagen freigehalten werden. Doch im Norden gibt es jetzt Widerstand gegen diese Regelung. Transportwirtschaft und Hafenbetriebe in Hamburg und Schleswig-Holstein wollen sie kippen, oder zumindest entschärfen. Und erstmals könnten sie Erfolg haben, denn in dieser Woche wird sich die Hamburger Bürgerschaft mit dem Sonntagsfahrverbot befassen.

„Wir müssen uns fragen, ob es Lösungsansätze gibt, um die ewigen Staus durch die Dauerbaustelle auf der A 7 und an den Hafenterminals zu reduzieren“, sagt Frank Wylezol, Geschäftsführer des Verbandes Straßengüterverkehr und Logistik Hamburg (VSH). Dazu könne gehören, das Ende des Sonntagsfahrverbots für Lkw von 22 Uhr auf 18 Uhr vorzuziehen. „Wenn dann auch noch die Terminals im Hamburger Hafen um 18 Uhr mit der Arbeit beginnen, dann kann man den Verkehr spürbar entzerren“, sagt Wylezol, dessen Verband 239 Speditions- und Transportunternehmen in Hamburg vertritt. Wylezol fordert die Freigabe bestimmter Strecken und denkt dabei an einen Feldversuch ähnlich wie dem zum Einsatz von besonders langen Lkw mit einer wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Ergebnisse.

Unterstützt werden die Trucker und Spediteure von den Hafenterminalbetreibern, die am späten Sonntagabend und am frühen Montagmorgen einen immensen Andrang von Lkw zu verkraften haben. „Die Terminals sind dazu bereit, schon um 18.00 oder um 20.00 Uhr die Ladung an die Lkw zu übergeben“, sagt Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) und Generalbevollmächtigter bei Eurogate. „Die Terminals arbeiten sowieso an sieben Tagen in der Woche Tag und Nacht, um die Schiffe zu entladen.“

Laut Wylezol reicht es aber nicht, nur für Hamburg eine Lösung zu finden. Dann müssten die Lkw an der Landesgrenze zu Niedersachsen oder Schleswig-Holstein anhalten, weil dort das alte Fahrverbot gilt. „Wir brauchen eine übergreifende Lösung“, sagt er.

Damit stößt er bei Stephan Meier, Geschäftsführer der Spedition Schultz & Sohn in Lübeck, auf offene Ohren. „Es gibt nicht so viele Stellschrauben, an denen wir angesichts des bevorstehenden Dauerstaus auf der A 7 drehen können. Wir haben lediglich den Faktor Zeit, bei dem wir etwas ändern können, um das Verkehrsaufkommen ein wenig zu entzerren.“ Deshalb habe der Unternehmensverband Logistik (UVL) in Schleswig-Holstein kürzlich im Kieler Verkehrsministerium eine Lockerung des Sonntagsfahrverbots gefordert. Doch dort stößt er auf wenig Gegenliebe. Die Behörden befürchten nämlich, dass Bürgermeister und Landräte wegen des zusätzlichen Lärms gegen eine Lockerung juristisch zu Felde ziehen könnten, um Anwohner vor dem zusätzlichen Lärm zu schützen.

„Uns wurde deutlich gemacht, dass zu einer solchen Lösung sehr dicke Bretter gebohrt werden müssten“, sagt Spediteur Meier. Dabei trete der UVL schon länger für eine Verkürzung der Fahrverbotszeit ein. „Das liegt an Schleswig-Holsteins Randlage. Ein Großteil der Fracht, die wir transportieren, kommt aus Skandinavien und muss ins Ruhrgebiet. Nach der bisherigen Regelung müssen unsere Fahrer am Sonntagabend bis um 22 Uhr warten und dann die Nacht durchfahren. Könnten sie schon um 18 Uhr losfahren, könnten sie sich um 24 Uhr in die Koje legen und hätten am Morgen nur noch wenige Kilometer bis zur Ablieferung zu fahren.“ Auf Ferienreisezeiten würde man Rücksicht nehmen: „Für diese Zeit könnte die bisherige Verordnung gelten“, so Meier.

Als erste Fraktion hat jetzt die FDP reagiert und einen Antrag in die Hamburger Bürgerschaft eingebracht, der in der am morgigen Mittwoch verhandelt werden soll. Die Fraktion will den Senat klären lassen, ob ein früheres Ende des Sonntagsfahrverbots um 18 Uhr zu einer Entlastung der Verkehrssituation führt. „Gerade am Wochenanfang leiden Pendler, Berufskraftfahrer und auch Anwohner unter Dauerstau und Umgehungsverkehr. Eine Entzerrung insbesondere des Güterkraftverkehrs sowie eine Verlagerung in verkehrsärmere Zeiten könnten einen Beitrag leisten, die Verkehrssituation zu entlasten“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Thomas-Sönke Kluth. Das Verkehrsvolumen bliebe zwar dasselbe, es würde nur besser verteilt. Schon ein Vorziehen der Lkw-Abfertigung an den Hafenterminals könnte helfen. Für eine optimale Lösung, da stimmt Kluth Wylezol zu, bedürfe es aber einer gemeinsamen Neuregelung des Sonntagsfahrverbots in der gesamten Metropolregion.

Unterstützt wird die FDP von der CDU. „Ich werde meiner Fraktion empfehlen, dem Antrag zuzustimmen. Angesichts der Belastung, vor der die Transportwirtschaft in den kommenden Jahren entsteht, müssen wir den Spediteuren und Truckern eine größtmögliche Flexibilität schaffen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Klaus-Peter Hesse. Immerhin räume die Straßenverkehrsordnung den Ländern die Möglichkeit ein, das Sonntagsfahrverbot für bestimmte Antragsteller zu lockern oder auszusetzen.

Doch es gibt auch Kritik an dem Plan. Die Regierungsfraktion der SPD bezweifelt die Rechtmäßigkeit einer solchen Generalausnahme. „Unabhängig davon wäre eine solche Aufweichung auch aus verkehrlichen Gründen falsch“, sagt SPD-Verkehrsexpertin Martina Koeppen. Dürften Lkw sonntags bereits ab 18.00 Uhr fahren, wäre auf der A 7 nicht weniger, sondern deutlich mehr los. „Zu dieser Uhrzeit ist der Wochenendreiseverkehr noch in vollem Gange, gerade auf einer Route wie der A7, die stark durch Reiseverkehr geprägt ist“, so die SPD-Politikerin.

Zudem ist eine vorgezogene Beendigung des sonntäglichen Ruhezeit nicht kostenneutral: Die Tarifverträge zwischen den Verbänden und der Gewerkschaft Ver.di verlangen nämlich einen 50-prozentigen Lohnzuschlag für Sonderzeiten. Dieser müsste dann von den Transportunternehmen an die Kunden weitergegeben werden.