Das Designer Outlet Center in Neumünster erweitert sein Angebot um 25 Shops. Bundesweit werden zahlreiche Billigeinkaufsdörfer gebaut

Neumünster. Fachwerkhäuser, Türme auf den Giebeln, gepflasterte Plätze mit Bistros, dazu Bänke unter Bäumen, auf denen sich die tütenbepackten Shopper ausruhen: Im Outlet Center Neumünster fühlen sich die Besucher wie in einem kleinen Dorf, in dem lediglich die Kirche fehlt. Mehr als 100 Marken wie Armani, Lacoste oder WMF bieten hier Kleidung, Sportartikel oder Haushaltswaren an, alles mindestens 30 Prozent günstiger als im regulären Einzelhandel. Weil die Shoppingwelt gut 70 Kilometer nördlich von Hamburg sehr erfolgreich ist, soll das 2012 eröffnete Outlet Center bald deutlich größer werden: Ab dem kommenden Jahr wird das Einkaufsdorf um weitere 5000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche erweitert. 25 neue Shops baut der Betreiber McArthurGlen, der europäische Marktführer bei Factory Outlet Centern, in Neumünster.

„Vor allem die Zahl der Hamburger Gäste sowie der aus Skandinavien steigt stetig“, freut sich Henrik Madsen, Nordeuropachef von McArthurGlen. Bemerkenswert sei zudem der Zuwachs bei Fernreisenden. Touristen aus China oder Russland, die auf Europatour sind, steuerten gezielt Neumünster an, um dort günstiger einzukaufen als in der Heimat. Um die Gäste bei Laune zu halten, gibt es zum chinesischen Neujahr dann auch schon mal Drachentänze in der norddeutschen Provinz. Insgesamt 120 Millionen Euro wird McArthurGlen in Neumünster investiert haben, wenn der zweite Bauabschnitt 2015 abgeschlossen sein wird. Über die derzeit 750 Arbeitsplätze im Village hinaus werden dann noch einmal 250 Stellen geschaffen.

So umstritten Outlet Center auch sind wegen ihres Potenzials, Kaufkraft aus den Fußgängerzonen abzuziehen, sie können auf der anderen Seite auch neue Besucher bringen: In Neumünster hat sich die Zahl der Übernachtungen nach der Ansiedlung des Einkaufsvillages um 22 Prozent erhöht. „Wir sind sehr angetan von dem Ausbau“, sagt Stephan Beitz, Sprecher der Stadt Neumünster. Zudem habe sich, entgegen anfänglicher Befürchtungen, der Kundenstrom auch bei den meisten alteingesessenen Geschäften erhöht.

Die Investition in Neumünster ist kein Einzelfall, denn ungeachtet der Probleme im Einzelhandel gehören die Factory Outlet Center zu den Gewinnern der Branche. 14 neue Standorte sind bundesweit in Planung, im weit gefassten Norden gehören dazu Wittenburg (Mecklenburg), Wilhelmshaven und Werl. „Die Center sind von einer Art Resterampe für die Hersteller zu wichtigen Umsatz- und Imageträgern geworden“, sagt Joachim Will vom Handelsforschungsinstitut Ecostra.

Die Architektur, die Warenpräsentation und Beratung in Neumünster bestätigen diese Trendwende: Die Läden von Hugo Boss, Escada oder Möve könnten in gleicher Aufmachung auch in der Hamburger Innenstadt zu finden sein. Nur wer die Warenauswahl genauer betrachtet, wird ältere Produkte und ein kleineres Sortiment erkennen als es im klassischen Einzelhandel üblich ist.

Die steigende Zahl von Kollektionen im Jahr sorgt dafür, dass die Factory Outlet Center mit Ware geradezu überschüttet werden. Reichten den Kunden früher Sommer- und Wintermode, bieten Zara oder Desigual heute 20 verschiedene Kollektionen im Jahr. Dadurch ergeben sich immer wieder Überproduktionen, durch schlechtes Design oder Wetterkapriolen. Um die Läger zu räumen, eignen sich die Outlet Center bestens, denn Wühltische bei Polo Ralph Lauren oder Gucci mit Vorsaisonware würden das Image der Marken ruinieren. Dabei erzielen die Hersteller auch im Outlet Center immer noch einen Gewinn, rechnet Branchenexperte Joachim Will vor: Kostet ein Kleid eines Designers regulär 250 Euro und in Neumünster mit 30 Prozent Rabatt noch 175 Euro, bleiben immer noch 75 Euro Marge. Schließlich rechnen die Modeproduzenten mit Verkaufspreisen, die 2,5- bis 2,7-mal so hoch sind wie die Einkaufskosten.

Dabei beflügelt ein weiterer Trend im Handel die Bedeutung der Outlet Center: Die Rabattpolitik können besonders die Marken selber verfolgen, da sie die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf beherrschen. Kaufhäuser oder Boutiquen, welche die Mode von Herstellern wie Tommy Hilfiger oder René Lezard beziehen, müssen dagegen oft Vorkasse leisten und dann mit Rabatten ihre Warenlager räumen. Da die Hersteller mit immer mehr eigenen Monomarkenläden in den Fußgängerzonen vertreten sind, ergeben sich auch größere Mengen, die in die Outlets wandern.

Das Wachstum bei Factory Outlet Centern wird weiter anhalten, davon sind zumindest die Experten überzeugt. Bisher herrscht von Flensburg bis Passau noch ein großes Unterangebot im Vergleich zum Ausland. In Ländern wie Polen, Frankreich oder Italien ist die Verbreitung deutlich dichter. „Wir gehen davon aus, dass wir in Deutschland mittelfristig – das heißt bis etwa 2020 – maximal 25 Outlet Center haben werden“, sagt Will. Diese Handelsform werde aber über eine kleine Nische innerhalb des gesamten Einzelhandelsmarktes nicht hinauskommen, denn mit Genehmigungen halten sich die Gemeinden zurück.

Um die Geschäfte in den Städten nicht zu sehr in Bedrängnis zu bringen, gelten in den deutschen Schnäppchendörfern zudem strenge Regeln. Diese werden durch die Landesregierungen bei Stichprobeneinkäufen überwacht. Die Testkäufer müssen dann beispielsweise kontrollieren, ob ein T-Shirt im Outlet wirklich mit einer Lieferverzögerung von drei Monaten gegenüber dem klassischen Einzelhandel verkauft wird. Schwieriger wird es bei Küchenutensilien, beschreibt Will, der mit seinem Institut ebenfalls solche Tests für Behörden ausführt: „Wir müssen dann nachweisen, dass ein Kartoffelschäler von WMF aus der vergangenen Saison stammt.“