Frühjahrsbelebung bleibt aus. 13.000 freie Stellen in Hamburg. Weniger Ein-Euro-Jobs und Berufseingliederungsmaßnahmen im Angebot

Hamburg. Die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt bleibt aus: Die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg ist im Mai lediglich um 500 Personen oder 0,7 Prozent zurückgegangen. Noch im April hatte sich mit 1400 weniger Arbeitslosen eine stärkere Frühjahrsbelebung abgezeichnet, die sich jetzt wieder abgeschwächt hat. Ende Mai waren 73.938 Personen in der Hansestadt auf Jobsuche. Das sind im Vergleich mit dem Vorjahresmonat sogar knapp vier Prozent mehr. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,6 Prozent.

Doch die Arbeitsagentur ist froh, wenigstens die Schwelle von 74.000 unterschritten zu haben. „Der Hamburger Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin verhalten positiv“, sagt Michaela Bagger, operative Geschäftsführerin in der Agentur für Arbeit Hamburg. Zwar falle der Rückgang im Mai gering aus, „aber für die ersten fünf Monate des Jahres 2014 zeigt sich ein stärkeres Absinken der Arbeitslosen als im Vorjahr“.

Insgesamt gibt es jetzt rund 2200 weniger Jobsuchende als am Jahresanfang. Die positive Entwicklung in diesem Jahr sei vorrangig auf höhere Abmeldungen in Erwerbstätigkeit zurückzuführen, so Bagger. Gleichzeitig würden vor allem von den Leiharbeitsfirmen deutlich weniger freie Stellen gemeldet. Damit fehlen auch Jobangebote für weniger qualifizierte Arbeitslose. Insgesamt ging die Zahl der offenen Stellen gegenüber dem Vorjahr um rund acht Prozent auf 13.000 zurück.

Auch bundesweit fiel die Belebung am Arbeitsmarkt nur gering aus. Es war der schwächste Mai-Aufschwung seit 23 Jahren. Die Zahl der Arbeitslosen war im Mai gegenüber dem Vormonat April um 61.000 auf 2,88 Millionen gesunken. Experten hatten mit einem fast doppelt so hohen Rückgang gerechnet. Die Arbeitslosenquote ging um 0,2 Punkte auf 6,6 Prozent zurück. Anders als in Hamburg sank die Arbeitslosigkeit auch gegenüber dem Vorjahresmonat. „Wir sind auf einem guten Niveau“, sagt Frank-Jürgen Weise, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit. „Da sind keine großen Sprünge mehr drin.“

Ein weiterer Grund für die verhaltene Entwicklung in Hamburg ist der Rückgang an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Wer einen Ein-Euro-Job macht oder eine berufliche Eingliederungsmaßnahme absolviert, wird nicht unter der offiziellen Arbeitslosenzahl erfasst, weil er dem Arbeitsmarkt zumindest zeitweise nicht zur Verfügung steht. Allein bei den beruflichen Eingliederungsmaßnahmen, mit denen Jobsuchende wieder an einen regelmäßigen Arbeitsalltag herangeführt werden sollen, gibt es einen Rückgang von 58 Prozent gegenüber dem Mai 2013. Auch werden in Hamburg zehn Prozent weniger Ein-Euro-Jobs angeboten als vor einem Jahr. Damit rutschen wieder mehr Arbeitslose in die offizielle Statistik. Das Abendblatt zeigt seit Jahren auch die verdeckte Arbeitslosigkeit in Hamburg. Danach sind insgesamt rund 132.500 Hamburger auf der Suche nach einer Arbeitsstelle.

Im nächsten Jahrzehnt soll sich die Lage am Hamburger Arbeitsmarkt aber deutlich verbessern. „Ab 2020 wird auch Hamburg den demografischen Wandel deutlich zu spüren bekommen“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit Hamburg im Gespräch mit dem Abendblatt. Denn von diesem Zeitpunkt an wird es nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu einem Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kommen. Diese Bevölkerungsgruppe zwischen 15 und 65 Jahren wird sich bis zum Jahr 2050 um nahezu 250.000 Personen auf knapp 980.000 Erwerbstätige in Hamburg reduzieren.

Fock möchte, dass sich die Firmen frühzeitig auf diese Entwicklung einstellen und auch ihre Sicht auf Bewerber, die jetzt noch nicht in ihr Anforderungsprofil passen, verändern. Es geht dem Arbeitsmarktexperten um Bewerber, die alleinerziehend seien, einen ausländisch klingenden Namen, eine andere Hautfarbe, eine andere sexuelle Orientierung als die Mehrheit haben oder einfach schon älter, schwerbehindert oder länger arbeitslos seien oder nach der Familienpause oder Rehabilitation zurück ins Erwerbsleben wollen.

„Die Arbeitgeber sollen in dieser Vielfalt eine Chance sehen und nicht eine zusätzliche Belastung“, sagt Fock. Nicht alle diese Aspekte werden in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Aber sie verrät zum Beispiel: Rund jeder vierte Hamburger Arbeitslose ist ein Ausländer und 3400 Jobsuchende sind schwerbehindert. „Dabei zeichnen sich gerade Schwerbehinderte durch eine hohe Motivation und überdurchschnittliche Qualifizierung aus“, sagt Fock. Doch die Firmen beschäftigten sich eher mit vermeintlichen Nachteilen und übersehen dabei die Stärken der potenziellen Fachkräfte. „Die Veränderung muss im Kopf anfangen – auf beiden Seiten“, sagt Fock.

Denn auch die Arbeitslosen sind bei ihrer Bewerbung eingeengt. Sollen sie ihre sexuelle Orientierung preisgeben? Werden sie wegen ihres ausländischen Namens benachteiligt? „Solche Überlegungen behindern, Stärken herauszustellen“, sagt Fock. Bei einer Ablehnung bleibt dann offen, ob nur ein anderes Kriterium vorgeschoben wurde, um den wahren Grund nicht zu nennen.

„Die Vielfalt der Menschen wird zu einem harten Wirtschaftsfaktor werden“, ist Fock überzeugt. Bei einem Projekt mit der Universität Hamburg soll die Mehrsprachigkeit von Mitarbeitern der Arbeitsagentur und Arbeitslosen als besonderes Kompetenzfeld erstmalig erforscht werden. 1600 Mitarbeiter hat die Agentur für Arbeit in Hamburg, darunter mit Staatsangehörigkeiten aus Ghana, Türkei, Ukraine, Serbien, Kroatien, Bosnien, Österreich, Slowenien, Polen, Finnland, Dänemark, Russland und den Niederlanden. Offiziell ist das nicht erfasst, weil es kein Kriterium für die Einstellung ist. Für die praktische Arbeit kann die Mehrsprachigkeit aber doch eine Rolle spielen. „Auch anderen Unternehmen in Hamburg kann das so gehen“, sagt Fock. „Denn 70 Prozent der Hamburger Wirtschaft spielt sich im Dienstleistungssektor ab. Gerade dort muss die Vielfalt der Bewerber als Stärke begriffen werden.“