Der heimische Werftenstandort dümpelt auch 2013 vor sich hin. Hoffnungen auf Wende zum Besseren durch Windkraftaufträge haben sich nicht erfüllt

Hamburg. Das Geschäft der deutschen Werftindustrie hat im vergangenen Jahr stagniert. Das allein genügte dem Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), um am Montag in Hamburg bei der Vorlage der Jahresbilanz Zuversicht zu verbreiten. „Die internationale maritime Wirtschaft insgesamt ist für den deutschen Schiffbau ein riesiger Markt. Wir sind für das Jahr 2014 optimistisch“, sagte VSM-Geschäftsführer Reinhard Lüken.

Eine Bewertung der deutschen Schiffbauindustrie hängt davon ab, ob man die Branche im engeren oder im weiteren Sinne betrachtet. Insgesamt schreibt der VSM dem Wirtschaftszweig für 2013 rund 80.000 Beschäftigte und einen Umsatz von etwa 18 Milliarden Euro zu, die Rede ist von „attraktiver Beschäftigung in einer Hochtechnologiebranche“. Maßgeblich für die Gesamtzahlen allerdings ist im Wesentlichen die Zulieferindustrie, die sich vom eigentlichen Werftgeschäft an den Küsten schon seit Jahrzehnten schrittweise entkoppelt. Unternehmen wie MAN Diesel, Weltmarktführer bei Schiffsantrieben, oder Atlas Elektronik, Hersteller von nautischer Hochleistungselektronik etwa für Marineschiffe, bieten ihre Produkte und Dienstleistungen mit dem Nimbus „Made in Germany“ Reedereien und Werften weltweit an.

Ganz anders das Bild der heimischen Werften. Nach dem Ende des Handelsschiffbaus in den vergangenen Jahren konzentrieren sich die Unternehmen an der Nord- und Ostseeküste auf Kleinserien und Einzelfahrzeuge mit hoher Ingenieurleistung, „Maßanzüge anstelle von Stangenware“, wie Lüken zur Erläuterung verglich. Hoch spezialisierte Nischenanbieter wie die Meyer Werft in Papenburg mit Kreuzfahrtschiffen, FSG in Flensburg mit kombinierten Güter- und Passagierfähren, Blohm+Voss in Hamburg mit komplexen Umbauten oder Nordic Yards in Wismar und Rostock mit Offshore-Strukturen trugen dazu bei, dass sich der Gesamtumsatz der Werftindustrie bei fünf Milliarden Euro stabilisierte. Der Auftragseingang im deutschen Seeschiffbau betrug 2013 insgesamt rund 2,6 Milliarden Euro gegenüber 3,2 Milliarden Euro 2012, der Auftragsbestand stieg um gut eine halbe Milliarde Euro auf insgesamt neun Milliarden Euro. Auch die Zahl der Beschäftigten auf den deutschen Werften zeigte mit rund 16.900 leicht nach oben.

Im weltweiten Vergleich aber ist der deutsche Anteil am Schiffbau nur noch marginal. Zwölf Seeschiffe lieferten deutsche Werften 2013 ab, 1060 kamen aus China, 540 aus Japan und 387 aus Südkorea. Der deutsche Anteil am Weltschiffbau wird immer weniger messbar. Lüken regte deshalb an, solche Vergleiche doch einfach ganz sein zu lassen: „Wir müssen aufhören, den Weltschiffbau als Maßstab für uns zu sehen“, sagte er. Doch welche Maßstäbe sind dann angebracht? Lüken, der vor seiner Zeit beim VSM in Hamburg lange für die deutsche Schiffbaubranche in Brüssel gearbeitet hatte, betont die zunehmende Bedeutung des Meeres als Energielieferant. „Die Offshore-Industrie – die Förderung von Öl und Erdgas ebenso wie die Nutzung der Windkraft – ist ein Schlüssel für die Versorgungssicherheit der Zukunft“, sagte er.

Ausgerechnet jener Teil der Offshore-Branche allerdings, der für den deutschen Schiffbau wie prädestiniert erscheint, entwickelt keine dauerhafte Stabilität. Große Erwartungen waren an der Nord- und Ostsee vor Jahren in den Ausbau von Offshore-Windparks in Europa gesetzt worden, vor allem auch in die besonders komplexen Projekte auf der deutschen Nordsee fernab vom Festland. An der Nordseeküste begannen Werften von Emden bis Cuxhaven mit dem Bau von Fundamenten für Offshore-Windturbinen. Nordic Yards in Wismar und Rostock-Warnemünde sicherte sich Großaufträge für Gleichstromumspannwerke. Doch die Hoffnungen auf ein neues, dauerhaft stabiles Fundament für die deutsche Werftbranche haben sich bislang nicht erfüllt: Siemens wird seine Umspannwerke der nächsten Generation wohl nicht mehr in Mecklenburg-Vorpommern bauen lassen. Und die Belegschaften der Nordseewerften, die ins Offshore-Geschäft eingestiegen waren, wurden teilweise wieder deutlich reduziert.

Die Probleme beim Aufbau einer deutschen Offshore-Industrie sind vielfältig. „Die Offshore-Windkraft ist nicht die Lösung für die deutschen Werften“, sagte Lüken. „Wenn die Politik diese Technologie unter industriepolitischen Gesichtspunkten ausbauen will, muss sie für diesen letztlich politischen Markt stabile Bedingungen schaffen.“

Susanne Wiegand, Chefin der ADM-Werft Nobiskrug in Rendsburg sowie zweier ADM-Werften in Kiel, berichtete von den Erfahrungen der Branche beim Bau von Offshore-Umspannwerken. „Bei der Zusammenarbeit mittelständisch geprägter Werftunternehmen mit Elektronikkonzernen prallen Welten aufeinander“, sagte sie. „Die Elektronikkonzerne als Generalunternehmer haben nicht die schiffbautechnischen Erfahrungen, die man für solche Strukturen braucht. Den Werften fehlt aber die finanzielle Substanz, um bei solchen Großprojekten als Generalunternehmer aufzutreten.“ Eine Folge dessen ist, dass Siemens mit seinem neuen Konsortialpartner Petrofac künftig weltweit geeignete Werften für Offshore-Umspannwerke suchen will.