Der Hamburger Onlinehändler wagt keine Geschäftsprognose mehr für das laufende Jahr. Es sei nicht absehbar, wie sich die Lage in Osteuropa auf die Konsumstimmung auswirken werde, sagte Otto-Chef Hans-Otto Schrader

Hamburg. „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieses beliebte Bonmot mag Otto-Chef Hans-Otto Schrader am Mittwoch in der Bramfelder Konzernzentrale des Online- und Versandhändlers durch den Kopf gegangen sein. Da hatte er im vor rund einem Monat abgestimmten und gerade erst verteilten Geschäftsbericht noch einen Gewinn vor Steuern vorhergesagt, der mindestens „an die guten Ergebnisse der vergangenen zwei Geschäftsjahre anknüpft“.

Doch diese ohnehin wenig konkrete Annahme für das laufende Geschäftsjahr 2014/15 schwächte Schrader bei der Bilanzvorlage postwendend wieder ab. Angesichts der Ukraine-Krise und der weltweiten Währungsturbulenzen traue er sich im Augenblick nun doch keine Aussagen über die konkreten Geschäftsziele zu. Es sei nicht absehbar, wie sich die politisch angespannte Lage in Osteuropa auf die Konsumstimmung auswirken und wie sich der Euro im Vergleich zu anderen Währungen entwickeln werde, so Schrader. Vor allem Russland ist für Otto ein wichtiger Wachstumsmarkt, wo der Konzern rund 550 Millionen Euro jährlich erwirtschaftet.

Das aktuelle Geschäftsjahr sei für die Gruppe eher „verhalten“ angelaufen, erklärte der Otto-Chef. Dies habe nicht nur mit der Ukraine-Krise, sondern auch mit dem verschärften Wettbewerb in Internethandel insgesamt und dem Verhalten einiger Konkurrenten zu tun. „Es gibt Warengruppen, in denen Amazon so preisaggressiv ist, dass wir das spüren“, sagte Schrader. Auf der anderen Seite nehme man dem US-.Konzern und weltweit größtem Onlinehändler in einzelnen Produktgruppen aber auch Anteile ab.

Im Ende Februar abgelaufenen Geschäftsjahr ist es der Otto Group im Gegensatz zu vielen anderen Internethändlern immerhin gelungen, den Gewinn leicht zu erhöhen. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen stieg um 1,5 Prozent auf 392 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss legte sogar um 23 Prozent auf 179 Millionen Euro zu, was aber vor allem durch steuerliche Effekte zu erklären war.

Der Konzern hatte bereits im März veröffentlicht, dass der Umsatz um 1,8 Prozent auf zwölf Milliarden Euro zunahm. Das lag leicht unter den eigenen Erwartungen. Wäre der Euro nicht so stark gewesen, hätte das Wachstum 3,3 Prozent betragen.

Insgesamt zahle sich die Strategie des „werthaltigen Wachstums“ für Otto aus, sagte Schrader. „Unsere Gewinne sind das Fundament für Erfolge in der Zukunft.“ Mit einem Seitenhieb auf den defizitären Konkurrenten Zalando fügte er hinzu: „Marktanteile kaufen kann sich jeder Händler, solange er die notwendigen Mittel dazu hat. Wir wollen keine Marktanteile kaufen, sondern erwirtschaften.“

Zum „werthaltigen Wachstum“ zählt für Schrader auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. So sei es konzernweit gelungen, die Zahl der Beschäftigten um 434 auf 54.257 zu erhöhen – eine Entwicklung, von der in besonderem Maße auch der Standort Hamburg profitiert habe.

Größte Wachstumstreiber für Otto sind im Internet der Spielzeughändler Mytoys, aber auch die Kernmarke Otto, die nach einer umfassenden Umstrukturierung, der Fokussierung auf Mode und einer aufwendigen Werbekampagne wieder auf einen positiven Kurs zurückgekehrt ist.

Insgesamt legte der Onlineumsatz des Konzerns um 363 Millionen zu auf mehr als sechs Milliarden Euro. Otto betreibt weltweit mehr als 100 verschiedene Onlineshops unter unterschiedlichen Namen und mit verschiedenen Konzepten. Jüngster Zuwachs im Konzern ist das Projekt „Collins“, das von Benjamin Otto verantwortet wird, dem Sohn des Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Otto. Dahinter verbirgt sich eine Mode- und Lifestyle-Plattform für junge Frauen, die gleichzeitig Elemente von sozialen Medien aufnimmt und externen Entwicklern offensteht.

Während der Internethandel wächst und Otto den Umbau zum E-Commerce-Konzern immer weiter vorantreibt, gestaltet sich das Geschäft mit klassischen Ladengeschäften für das Unternehmen schwierig. Sowohl das Münchner Tochterunternehmen Sportscheck, als auch das US-Einrichtungshaus Crate&Barrel sind im vergangenen Jahr hinter den Erwartungen zurückgeblieben und mussten Umsatzverluste verkraften. In Kürze wird zudem der für den stationären Einzelhandel verantwortliche Vorstand Timm Homann den Konzern verlassen und zum Modehändler Ernsting’s Family wechseln. Ein Nachfolger für den Manager ist noch nicht gefunden. Aus Unternehmenskreisen heißt es, der Abgang Homanns habe auch mit der immer geringeren Bedeutung der klassischen Läden zu tun. Offiziell hält Konzernchef Schrader allerdings am Stationärgeschäft als wichtigem Standbein für die Otto-Gruppe fest.