Marode Zu- und Abfahrtswege, verspätete Schiffsanläufe sowie angeblich unmotivierte Beschäftigte sorgen für Streit am Burchardkai

Hamburg. Wenn am Montagmorgen die Arbeitswoche der regionalen Transportunternehmen beginnt, herrscht rund um die Waltershofer Zufahrten der Autobahn A7 Stau. Hunderte Trucker zugleich holen dann die Stahlboxen ab, die am Wochenende von Seeschiffen angelandet wurden, oder sie bringen Container für den Export. Wegen des Wochenendfahrverbots für Lastwagen, aber auch wegen der Öffnungszeiten der Unternehmen konzentriert sich montags regelmäßig dichter Schwerlastverkehr rund um Hamburgs größtes Containerterminal, den Burchardkai der HHLA. Stundenlang benötigen die Lastwagenfahrer dann unter Umständen für die Anfahrt und Abfahrt zum und vom Terminal. „Am Burchardkai gibt es Staus und lange Wartezeiten auf Container, bedingt durch starre Schichtwechsel“, sagt Frank Wylezol, Geschäftsführer des Verbandes Straßengüterverkehr und Logistik (VSH).

Der Container Terminal Burchardkai (CTB) ist das Herz des Hamburger Hafens. Doch selbst diese Logistikmaschine, die mit ihren insgesamt gut 1500 Mitarbeitern rund um die Uhr läuft, kann den wachsenden Druck des Güterumschlags nur mit großer Anstrengung aller Beteiligten bewältigen. Das Kernproblem ist: Immer größere Schiffe müssen in relativ immer kürzerer Zeit abgefertigt werden: „Als der Burchardkai 1968 in Betrieb ging, wurden an den damals neuen Containerschiffen im Normalfall vielleicht 300 Boxen bewegt. Bei einem Großcontainerschiff werden heute mehr als 6000 Container ent- und beladen“, sagt HHLA-Vorstand Stefan Behn: „Bei Containertruckern führen Wartezeiten – egal wo sie auftreten – verständlicherweise zu Unmut. Die Containerterminals sind dann natürlich die erste Adresse, um Wut abzuladen. Dabei kann ich hier klar sagen: Seit dem 1. Januar gab es beispielsweise bei der Datenverarbeitung am Burchardkai nur eine Stunde Ausfall, am Terminal Altenwerder keine. Probleme mit der Datenverarbeitung sind also keine Ursache für Wartezeiten.“

Am Burchardkai, einem von vier Hamburger Containerterminals, konzentriert sich der Druck des Güterumschlags speziell in Spitzenzeiten so stark wie nirgends sonst im Hafen. Die Folge sind Konflikte und Debatten: zwischen den Transportunternehmen auf der Landseite und der HHLA, zwischen Reedereien und dem Terminal, zwischen Mitarbeitern und Management des Hamburger Hafenkonzerns.

Seit Jahren modernisiert die HHLA den Burchardkai mit Investitionen von bislang schon mehreren Hundert Millionen Euro. Die leistungsfähigsten Containerbrücken der Welt und die Teilautomatisierung der Anlage mit einem sogenannten Blocklagersystem sollen Spielraum für immer größere Zahlen von Stahlboxen schaffen – etwa dann, wenn Schiffe wie die „Alexander von Humboldt“ oder die „Jules Verne“ von CMA CGM ihre Ladung nach Hamburg bringen, die mit mehr als 16.000 Containereinheiten (TEU) Kapazität zu den größten Containerfrachtern der Welt zählen. Etwa jeder dritte Container, der den Hamburger Hafen passiert, geht über den Burchardkai.

Um die Technik zur vollen Wirkung zu bringen, die man in den vergangenen Jahren installiert hat, wurde auch die Arbeitsweise auf dem Burchardkai an die neuen Zeiten angepasst. Das führte zu erheblichen Verstimmungen zwischen der Belegschaft und der Geschäftsführung des Terminals. In früherer Zeit fertigten die Hafenarbeiter am Burchardkai die Schiffe nach dem Modell des sogenannten Pensums ab – für eine Schicht wurden je nach Lage bestimmte Mengen von Containern ausgehandelt, die be- oder entladen werden mussten. Wer sein Pensum rechtzeitig abgearbeitet hatte, konnte früher nach Hause gehen – aus Sicht der Arbeitnehmer vor allem in Spitzenzeiten ein wichtiger Anreiz, zügiger zu arbeiten. Die HHLA-Führung hingegen hielt das System für antiquiert und schaffte es ab. Ohnehin gilt auf dem Burchardkai grundsätzlich eine 35-Stunden-Woche mit bezahlten Überstunden.

„Die Leistungsvorgaben des alten Pensum-Modells, einer Art Akkordmodell, wurden jeweils pro Schicht und Arbeitsgruppe, also individuell, angeboten“, sagt der Ingenieur Norbert Paulsen, seit März Betriebsratsvorsitzender des HHLA-Gemeinschaftsbetriebs, der unter anderem für den Burchardkai zuständig ist. „Die Erwartungshaltung des Vorstandes, ohne zusätzliche unmittelbare Anreize überproportionale Produktivitäten zur erreichen, ist sicherlich verfehlt. Es sind jedoch inzwischen Ansätze zu erkennen, dass wieder mehr auf Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft gesetzt wird.“

Insgesamt war die Stimmung zwischen Belegschaft und Unternehmensführung zuletzt aber angespannt: „Es gab seit einer Neuorganisation vor drei bis vier Jahren zu wenig Wertschätzung für die Leistung und das Fachwissen der Mitarbeiter auf dem Burchardkai. Dadurch sank deren Motivation“, sagt Paulsen. Seit der Betriebsratswahl im März, mit neuem Vorsitz und sieben neuen Mitgliedern im 19-köpfigen Gremium, gebe es „ermutigende Fortschritte in der Mitarbeiterführung der CTB-Geschäftsleitung und des Vorstands der HHLA. Mein Eindruck ist: Die Dinge entwickeln sich positiv.“

Auch HHLA-Personalvorstand Heinz Brandt intensiviert das Gespräch mit den Mitarbeitern: „Die Umstrukturierung auf dem Burchardkai schürt eine Menge Emotionen. Ich halte das in einem derart tradierten Gewerbe wie dem Hafenumschlag für völlig normal.“ Gemeinsam mit den Mitarbeitern werde man die Veränderungen gestalten: „Durch den weiteren Ausbau am Burchardkai sind keine Arbeitsplätze bedroht, wie auch in den vergangenen Jahren dort keine Arbeitsplätze gestrichen wurden“, sagt Brandt. „Deshalb glauben wir, dass es gegen den weiteren Ausbau keinen Widerstand der Arbeitnehmer geben wird.“

Derweil äußern Logistiker und Reedereien Unmut über die Lage am Terminal – zumeist hinter vorgehaltener Hand. Auf Probleme, die durch marode Straßen oder die jahrelangen Verzögerungen bei der Erweiterung der Elbfahrrinne entstehen, hat die HHLA keinen Einfluss – auf Gerüchte über Bummelstreiks oder Dienst nach Vorschrift am Burchardkai allerdings auch nicht. „Wir hören immer wieder, dass die Belegschaft auf dem CTB für Verzögerungen bei der Abfertigung von Schiffen an unserem Terminal verantwortlich sei. Das weise ich ausdrücklich zurück“, sagt Paulsen. „Es gab in den vergangenen Monaten keinen Bummelstreik oder Dienst nach Vorschrift am CTB, und es wird dies auch nicht geben.“

Konflikte trägt die HHLA auch mit Schifffahrtsunternehmen aus. „Die Reedereien tun alles dafür, ihre Kosten zu senken. Sie ordnen ihre Allianzen neu und fahren langsamer, um Treibstoff zu sparen“, sagt Stefan Behn. „Dabei geraten bei einigen die Fahrpläne durcheinander, nicht zuletzt wegen der auch für sehr große Containerschiffe noch beachtlichen Schlechtwetterlagen. Durch die häufigen Verspätungen hatte sich Anfang des Jahres die Verweildauer für Exportgüter an unseren Terminals verdoppelt. Unsere Läger sind sprichwörtlich vollgelaufen.“

Die Schifffahrtsunternehmen wiederum beklagen Engpässe im Zentrum des Hamburger Hafens. Irritationen gibt es derzeit zwischen der HHLA und Hamburgs wichtigster Reederei Hapag-Lloyd. Die Schifffahrtsallianz G6, der Hapag-Lloyd angehört, steuert gut 40 Prozent des Güterumschlags im Hamburger Hafen bei. Hapag-Lloyd ist zudem am HHLA-Terminal Altenwerder beteiligt. Stein des Anstoßes am Burchardkai ist der Liniendienst PA1 zwischen Europa, Nordamerika und Asien. „Die HHLA hat uns den Dienst überraschend zur Jahresmitte gekündigt“, sagte ein Sprecher von Hapag-Lloyd. „Wir wollen aber in Hamburg bleiben und hoffen, durch weitere Verhandlungen noch eine Lösung zu finden.“ HHLA-Vorstand Behn sieht das anders: „Wir sollten am Burchardkai einen weiteren Dienst aufnehmen, was wir, aufgrund der fehlenden Kapazität, derzeit nicht leisten können. Wir sind voll ausgelastet, deshalb müssen wir auf den zusätzlichen Dienst derzeit verzichten.“

Trotz aller Konflikte und Baustellen am Burchardkai zieht der renommierte Logistikexperte für die Anlage ein positives Fazit. Die neue Technologie und die Arbeit an den internen Abläufen zeigten mittlerweile Wirkung: „Wir haben am Burchardkai“, sagt Behn, „noch nie so viele Boxen umgeschlagen wie in diesem März.“