Achsenfabrik in Harburg wird modernisiert. Wolfgang Lenz übernimmt Werksleitung von Werner Schalow

Hamburg. Bessere Nachrichten hätte Wolfgang Lenz zu seinem Amtsantritt wohl nicht mitbringen können. Seit Anfang dieses Monats hat der 54-Jährige die Leitung des Daimler-Werks in Hamburg übernommen, von Werner Schalow, 61, der sich nach sieben Jahren an der Spitze der Fabrik in den Ruhestand verabschiedet. Der Stuttgarter Autobauer baut sein Werk im Norden mit einer Millionensumme kräftig aus: „Wir planen noch in diesem Jahr Investitionen von 100 Millionen Euro in Hamburg“, sagte Lenz jetzt beim Interview mit dem Abendblatt.

Die 2700 Stellen sind mit den aktuellen Investitionen gesichert

Die Arbeitsplätze der 2700 Mitarbeiter in der Achsenfabrik sind damit gesichert. „Die Zahl der Stellen dürfte stabil bleiben“, sagte Lenz zur Zukunft der Beschäftigten. Angesichts des Sparkurses, den der Konzern derzeit fährt, um die im Branchenvergleich schlechtere Rendite zu verbessern, ist diese Aussage durchaus positiv zu werten.

Der nördlichste Standort der deutschen Daimlerwelt bleibt mit den geplanten Ausgaben in neue Fertigungsanlagen auf Wachstumskurs. Die Produktionsvolumina haben sich parallel zu den steigenden Absatzzahlen der Mercedes-Modelle erhöht. Derzeit fertigen die Beschäftigten im Jahr gut eine Million Achsen. Auch in Zukunft soll die Zahl der Teile aus Hamburg, wie Lenksäulen, Achsen und Abgaskrümmer, die in alle Modelle von der A- bis zur S-Klasse eingebaut werden, wachsen. Die Nachfrage ist vorhanden: Weltweit lieferte der Konzern im ersten Quartal so viele Fahrzeuge wie nie zuvor aus. Der Absatz erreichte 565.800 Pkw und Nutzfahrzeuge, das entspricht einem Plus gegenüber dem Vorjahr von 13 Prozent.

Für Lenz, einen ruhigen, sachlichen Manager, bringt die Karrierestation in Hamburg hingegen keine größeren Dimensionen mit sich, weder im Leben noch bei der Arbeit. Im Gegenteil. Der gebürtige Mannheimer wechselt aus Beijing nach Hamburg. Seit 2011 leitete der Vater von drei erwachsenen Kindern dort die Mercedes-Produktion. Aus einer Stadt mit 20 Millionen Einwohnern zieht Lenz mit seiner Frau Evelin nun nach Hamburg-Hohenfelde. „Das Fahrradfahren an der Alster erscheint mir allerdings fast gefährlicher als in Peking“, witzelt Lenz.

Aber nicht nur die Stadt bringt für die Familie eine Umstellung. Von seinem Büro im Daimler-Werk Beijing blickte er über ein Areal, das zehnmal so gewaltig ist wie die Fabrik in Hamburg. In China betreibt der Autohersteller immerhin eine Produktion, die inzwischen so groß ist wie die wichtigsten Heimatstandorte Sindelfingen und Untertürkheim zusammen.

Aber auch wenn Lenz’ neues Arbeitsumfeld in Deutschland für Chinesen anmuten würde wie das Miniaturwunderland – das Wachstum in der Volksrepublik, der Wunsch der chinesischen Mittelschicht nach Statussymbolen, beflügelt auch die Fabrik in der Hansestadt. Schließlich liefert Daimler aus Hamburg auch Teile nach China. Die Logistikkosten seien vergleichbar mit der Lieferung nach Sindelfingen, sagt Werner Schalow. Der Grund: die Containerschiffe, die aus China Waren nach Hamburg bringen, fahren häufig fast leer wieder zurück. Dieser Fakt drücke die Preise für Exporte in die Volksrepublik.

Die Chancen sind immens: Daimler hat nach den Worten von Finanzvorstand Bodo Uebber zwischen Januar und März ein Absatzplus von 52 Prozent in China verbucht. Die Stuttgarter fahren im Reich der Mitte zwar ihrer Konkurrenz mengenmäßig immer noch hinterher, versuchen den Rückstand aber durch massive Investitionen in Fernost aufzuholen.

Chancen auf steigende Pkw-Nachfrage gibt es vornehmlich in China

Die Rahmenbedingungen sprechen für einen Ausbau in China: Die weltweite Nachfragenach Neufahrzeugen dürfte im laufenden Jahr in einer Größenordnung von vier bis fünf Prozent wachsen. Den größten Beitrag zum globalen Wachstum der Nachfrage sollte im Jahr 2014 nach Einschätzung der Branchenbeobachter erneut der chinesische Markt leisten. Dort dürfte ein weiterer Zuwachs des Pkw-Marktes in der Größenordnung von etwa zehn Prozent möglich sein.

Das Hamburger Werk kann von der steigenden Nachfrage profitieren, muss sich aber mit anderen Fabriken messen lassen. Nicht nur mit Produktionsstätten von Daimler, sondern auch mit Zulieferern wie Bosch oder Continental, die eine ähnliche Spezialisierung aufweisen. „Diese Herausforderung des ständigen Wettbewerbs nehme ich gerne an“, sagt Lenz.

Aber auch Werner Schalow, der sich nun aus dem Arbeitsleben verabschiedet, wird in Zukunft noch so manche Anstrengung zu leisten haben. „Meine Frau hat mir zum Geburtstag einen Fitnessraum geschenkt“, sagt der gebürtige Schenefelder. Einstauben werden die Geräte nicht: Der Personal Trainer kommt einmal in der Woche.