Bundesbürger fragen immer mehr Reh, Hirsch und Wildschwein aus der Region nach. Familienunternehmen Blajus aus Soltau profitiert davon

Soltau. Schon auf der Fahrt zur Wildhandlung Blajus beginnt die Einstimmung auf das Thema: Rechts und links von der Landstraße stehen große Damwildherden auf den Wiesen, Schilder am Fahrbahnrand warnen vor Wildwechsel. In der Idylle rund 90 Kilometer südlich von Hamburg, zwischen Heidelandschaften, tiefen Wäldern und weiten Feldern fühlen sich die Tiere offenbar besonders wohl. Aber auch ganz in der Nähe der Hansestadt wächst ihre Zahl, zuweilen nicht nur zur Freude der Menschen. Besonders im Alten Land beklagen sich immer mehr Obstbauern über von Rehen abgefressene Bäume und nächtliche Überraschungsbesuche von Wildschweinen.

Bei der Wildhandlung Blajus stößt der zunehmende Betrieb im Wald und auf der Wiese naturgemäß eher auf ein positives Echo. „Wir profitieren nicht nur von dem größeren Wildvorkommen, sondern spüren eine steigende Nachfrage“, freut sich Inhaber Jörg Weide. „Wir haben unseren Betrieb daher immer weiter ausgebaut.“ Auf einer Fläche so groß wie zwei Tennisplätze bilden Wasch-, Zerlege- und Kühlräume inzwischen das Herzstück des Unternehmens mit acht Mitarbeitern.

Förstereien aus einem Umkreis von 100 Kilometern liefern das Wild

Blajus ist nicht nur auf Wachstumskurs, sondern einer der ganz wenigen Betriebe in Deutschland, die Ware weder aus dem Ausland importieren noch auf Zuchtwild zurückgreifen: Blajus bietet ausschließlich Fleisch von frei lebenden Tieren aus der Region an, auch in Hamburg. „Wir verarbeiten Wild, das uns Jäger und Förstereien liefern, aus einem Umkreis von 100 Kilometern“, sagt Jörg Weide. Insgesamt 5000 bis 7000 Stück Wild zerlegen die Mitarbeiter in dem Unternehmen und stellen das Fleisch schließlich zu verzehrfertigen Portionen zusammen, sodass die Abnehmer zwischen Hirschrückenfilet, Rehkeulen, Wildschweingulasch und vielen weiteren Spezialitäten wählen können.

Alle Produkte werden eingefroren, schließlich ist das Geschäft sehr abhängig von der Jahreszeit. Die Jagd ist auf die Periode ausgerichtet, in der die weiblichen Tiere keine Jungen mehr führen und noch nicht trächtig sind. Die aktive Zeit im Wald beginnt nach der Schonzeit im Mai. „Die Saison fängt jedes Jahr mit dem Maibock an“, sagt Johannes Weide. Nach erfolgreicher Jagd liefern die Jäger die erlegten Tiere direkt in den Betrieb nach Soltau oder hängen sie in Kühlräume. Entsprechende Lager nahe Hamburg finden sich etwa in Jork, Stade oder Rosengarten. Hier holt die Wildhandlung die Rohware ab.

Beim Nachschub an Wild profitiert die Firma von der steigenden Beliebtheit der Jagd. Auch wegen des wachsenden Interesses von Frauen hat die Zahl der Jäger in Deutschland 2013 ein neues Hoch erreicht. Bereits seit 1991 ist Zahl der Jäger und Jägerinnen in Deutschland kontinuierlich um insgesamt 13,5 Prozent angestiegen. Das Jagen ist auch bei den Eigentümern der Wildhandlung Blajus Ehrensache, über Generationen hinweg. Zum Besuch des Abendblatts hat sich die ganze Familie nach der Betriebsbesichtigung im Wohnzimmer versammelt, wo das Hobby allgegenwärtig ist. Auf dem Schrank thront ein riesiges Hirschgeweih, Alben erzählen von Abenteuern im Wald. Auch Junior Johannes Weide hat den Jagdschein, genießt es aber zugegebenermaßen mehr, die herumtobenden Frischlinge im Wald zu beobachten als auf ein Wildschwein zu zielen.

Die Fotos zeigen seinen Vater mit der Waffe auf der Schulter, stolz steht er mit dem erlegten Hirsch neben dem Hochstand. Viele Bilder aus den vergangenen Jahrzehnten erinnern aber auch daran, dass der Betrieb seit 1923 besteht. Seniorchef Hans-Günter Weide, 81, erzählt, wie sie früher mit dem Zug und dem erlegten Wild zwei Stunden nach Hamburg gefahren sind und das Fleisch gegen Südfrüchte getauscht haben. Heute steht ein Kühltransporter im Carport, und damit braucht Jörg Weide, 55, Urenkel des Gründers, nur noch gut eine Stunde bis zu den Abnehmern in der Hansestadt: Wild Blajus liefert an Großhändler wie Kreienkamp und ASM, die wiederum an Supermärkte wie dem Frischeparadies im Hafen verkaufen.

Zwar kommt Wild in Deutschland im Vergleich zu anderen Fleischsorten nach wie vor selten auf den Tisch. So liegt der Pro-Kopf-Verzehr an Schweinefleisch bei 54,3 Kilo im Jahr, der von Wild bei nur rund 1,5 Kilo. Es deutet allerdings einiges auf einen weiter steigenden Verbrauch hin: In Ländern wie Frankreich oder Italien stehen Wildgerichte weit häufiger auf den Einkaufslisten der Bevölkerung und auf den Speisenkarten der Restaurants. Und auch bisher haben kulinarische Trends aus den Mittelmeerländern schon oft den Norden überzeugt. Ein Leben ohne Pizza oder Pasta ist hier schließlich heutzutage kaum vorstellbar.